Wer soll entlastet werden?

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Werner Kogler (Grüne) und Ralf Kronberger (WKO) im Streitgespräch über die gerechte Aufteilung der Steuerlast und den Mittelstand.

Dass der österreichische Staat Geld braucht, um seinen Aufgaben wie der Umsetzung von Infrastrukturmaßnahmen, dem Betrieb von Schulen und Betreuungsplätzen oder der medizinische Versorgung der Bevölkerung nachkommen zu können, steht außer Frage. Es gilt vielmehr zu klären, wer für diese Kosten aufkommen soll. tom

Die Furche: Wer soll weniger Steuern zahlen?

Ralf Kronberger: Wenn man sich die Bundesausgaben über die vergangenen hundert Jahre ansieht, dann sieht man eine Verdreieinhalbfachung. Hierfür braucht es aber auch steigende Einnahmen. Deshalb sagen wir: "Schluss mit neuen Ausgaben." Man kann die bestehenden Ressourcen viel effizienter verwenden. Mittelfristig muss man eine Ausgabensenkung und damit eine Senkung der Abgabenquote um zwei Prozentpunkte auf den EU-Durchschnitt anvisieren. Und, wenn Sie fragen, wer entlastet werden soll: Bei der Steuerreform 2005 wurden vor allem die unteren Einkommensschichten entlastet. Jetzt sollen auch die Leistungsträger eine Entlastung erfahren. Der Höchststeuersatz wurde zuletzt 1989 erhöht und greift ab 51.000 Euro Jahreseinkommen. Da sind bis dato zusätzliche 200.000 Steuerzahler hineingerutscht. Da braucht es eine Valorisierung.

Die Furche: Sind auch Sie für mehr Effizienz im Steuersystem?

Werner Kogler: Das ist nicht das Thema, denn Effizienz wollen ohnehin immer alle. Es geht um die Frage der öffentlichen Anteile am sozialen und wirtschaftlichen Tun und Treiben. Wir sehen das nicht so ideologisch. Wir sehen nicht eine niedrige Steuer- und Abgabenquote als unser Ziel an. Sie haben die absoluten Zahlen der Bundesausgaben in den vergangenen hundert Jahren angesprochen, aber entscheidend sind die Quoten an der Wirtschaftsleistung. Und da sieht man, dass die Steuer- und Abgabenquote seit fünf Jahren sinkt - von rund 46 Prozent auf 42 Prozent und darunter. Dieser Trend setzt sich fort. In Österreich wird die Bildungsarmut vererbt, das kann nicht nur - aber auch - durch Geld korrigiert werden. Wir brauchen auf alle Fälle mehr Kindergartenbetreuungsplätze und dergleichen - ein Mehr an öffentlichen Bildungsangeboten. Hier liegen die individuellen Zukunftschancen vergraben. Hier muss man ansetzen. Darum brauchen wir die Ausgaben des Staates. Es ist keine Schande, wenn man sagt, es müssen Steuern und Abgaben eingehoben werden.

Kronberger: Sehr viele Ökonomen glauben, dass wir derzeit bei einer Abgabenquote angelangt sind, die das Wachstum bremst. Nicht ohne Grund fordert auch das WIFO mittelfristig eine Senkung der Abgabenquote. Es geht hier nicht um eine ideologische Diskussion, sondern darum, was noch gut für den Staat ist und was nicht. Viele Staaten haben die Erbschaftssteuer abgeschafft und in Österreich denkt man darüber nach, sie wieder einzusetzen. Das ist doch anachronistisch. Der Verfassungsgerichtshof hat die Erbschaftssteuer abgeschafft, weil sie Unternehmen je nach Rechtsform unterschiedlich behandelt hat. Das war ungerecht.

Die Furche: Man hätte die Steuer aber auch reparieren können …

Kronberger: Das wäre aufwändig gewesen und politisch problematisch. Diese Steuer mit einem Aufkommen von 140 Millionen Euro ist ohnehin zu vernachlässigen, dass man dieser Steuer nachweint, ist mir unerklärlich. Steuern senken und nicht neue Steuern erfinden ist die Devise.

Kogler: Noch eines zu den Staatsausgaben: Es stimmt nicht grundsätzlich, dass eine hohe Abgabenquote zu einem verminderten Wirtschaftswachstum führt. Die skandinavischen Staaten haben eine hohe Abgabenquote und sind beim Wirtschaftswachstum nicht abgeschlagen, sondern im internationalen Vergleich vorne dran, und die sind darüber hinaus auch nicht mittelstandsfeindlich. Zur Erbschafts- und Schenkungssteuer: Diese Steuern sind gleichheitswidrig, das stimmt. Nun hat man die Möglichkeit umzufallen wie der Herr Gusenbauer - übrigens eine seiner Spezialkompetenzen - oder man kreiert sie so, meinetwegen auch neu, dass sie auch einen Ertrag bringt. Im Gegenzug könnte man andere Bereiche entlasten. Die großen Vermögen im Immobilien- und Finanzbereich gehören besteuert. In den USA und Großbritannien sind die Vermögenssteuern jene, die sehr viel zum Staatshaushalt beitragen, und bei uns gehen sie gegen Null.

Die Furche: Kritiker kontern hier aber sofort mit den Problemen, die diese Steuer bei Betriebsübergaben macht.

Kogler: Ich bin dafür, dass man da ganz große Freibeträge einräumt, heute haben wir ja auch schon einen mit 360.000 Euro. Das kann ja nicht der Sinn sein, dass Betriebsübergaben erschwert werden. Aber das Vermögen, das einem privat zufällt, weil man per Zufall in eine vermögende Familie hineingeboren wurde, das führt schon zu weiß Gott wie vielen Vorteilen, denn sonst kommt man ja nicht in die Lage, dass man ein großes Vermögen erbt. Wenn jemand über Nacht 5-10 Millionen Euro erbt und keine Steuern zahlen muss - dann ist das ungerecht! Wir haben in Österreich ein völlig pervertiertes Steuer- und Abgabensystem, und niemand traut sich die Frage zu stellen, wo es sinnvoll ist, mit Steuern raufzugehen, und wo man die Steuerlast senken kann. Dieses falsche Steuersystem belastet den Mittelstand, denn Vermögenszuwachs wird wenig bis gar nicht besteuert - und von den Stiftungen spreche ich noch gar nicht -, aber Arbeit und Leistung werden sehr hoch besteuert.

Die Furche: Vielen Österreichern macht nicht die Erbschaftssteuer Sorgen, sondern sie haben alltägliche finanzielle Probleme …

Kronberger: Es stimmt, dass die unteren Einkommen mit einem hohen Abgabenkeil belastet sind, wenngleich sie weniger Steuern zahlen. Aber wenn wir von den Sozialversicherungsbeiträgen sprechen, dann muss auch das Äquivalenzprinzip bedacht werden. Im Sozialversicherungssystem wird schon stark umverteilt - wie dies WIFO-Ökonom Markus Marterbauer bestätigt. Wenn immer mehr umverteilt wird, muss man aufpassen, dass man nicht die falschen Anreize gibt. Wenn ich Leistungen aus einem ausgezeichneten Sozialversicherungssystem beziehe, dann sollte ich zumindest einen kleinen Beitrag dazu leisten.

Kogler: Die unteren Einkommen stagnieren seit zehn Jahren, und die oberen nehmen jährlich im zweistelligen Prozentbereich zu; ganz zu schweigen von der Diskrepanz in der Besteuerung von Arbeits- und Kapitaleinkommen. Sollen die Niedrigverdiener überhaupt nichts von den viel gelobten Zuwächsen in der Wirtschaft haben?

Die Furche: Brächte die Vermögenszuwachssteuer à la Molterer mehr Gerechtigkeit?

Kronberger: Es hat ja bereits 2000 einen Anlauf zu einer solchen Steuer gegeben. Damals entschied sich der Verfassungsgerichtshof gegen die Steuer, weil die Einhebung durch die Banken zu aufwändig und damit unzumutbar war. Zudem bräuchte man viele Ausnahmen für das Eigenheim oder die Vorsorge, das heißt, das Aufkommen wäre dementsprechend gering. Ich finde es befremdlich, wenn man bei einer Steuerentlastungsreform zuerst mit der Diskussion um die Einführung einer neuen Steuer beginnt.

Kogler: Nur weil etwas nicht so einfach administrierbar ist, muss man sich ja nicht sofort davon verabschieden. Das Finanzministerium geht von 300 bis maximal 800 Millionen Euro an Einkünften aus, das ist doch nicht Nichts. Bei den unselbstständigen Einkünften funktioniert das Einheben von Abgaben ja auch problemlos, da werden sofort Daten an das Finanzamt übermittelt und der Arbeitgeber behält Teile des Lohnes ein. Aber, wenn es um die Banken geht, dann heißt es sofort, man stöbert im monetären Schlafzimmer, nur weil man Gerechtigkeit ins Steuersystem bringen will.

Das Gespräch moderierte Thomas Meickl.

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