Keine Steuersenkung!

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Die angestrebte Steuerreform sollte sich um eine Verbesserung der Verteilungswirkungen des Systems bemühen.

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Die angestrebte Steuerreform sollte sich um eine Verbesserung der Verteilungswirkungen des Systems bemühen.

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Die Diskussion zur Steuerreform, die am 1. Jänner 2000 in Kraft treten soll, hat sich in den letzten Wochen merklich verlagert. Stand zu Beginn der öffentlichen Debatte noch die Struktur des Steuersystems im Mittelpunkt der Überlegungen ("Entlastung des Faktors Arbeit"), so überbieten sich die aktuellen Vorschläge gegenseitig, was das Ausmaß der geforderten Steuersenkungen betrifft. Die Reformdiskussion hat damit eine neue - und aus ökonomischer Sicht gefährliche - Dimension angenommen.

In den vergangenen Jahren ist es gelungen, das österreichische Budget zu konsolidieren. Das Defizit der öffentlichen Haushalte ist von 5,1% des Bruttoinlandsprodukts (1995) auf 1,9% (1997) gesunken. Das war jedoch nur unter massiven Anstrengungen und mit merklichen Kosten möglich. Das Wirtschaftswachstum hat sich aufgrund des Nachfrageausfalls abgeschwächt, die Beschäftigungsentwicklung wurde entsprechend gedämpft. Wichtige Sozialtransfers wurden nicht erhöht bzw. merklich gekürzt (wie etwa die Geburtenbeihilfe). Die Steuerbelastung für unselbständig Beschäftigte dürfte sich bei einem durchschnittlichen Einkommen um 3.000 bis 4.000 Schilling pro Jahr erhöht haben.

Trotz dieses Konsolidierungserfolges fehlt heute für eine merkliche Steuersenkung in den öffentlichen Haushalten schlicht das Geld. Dies aus mehreren Gründen. Zum ersten hat auch Österreich den sogenannten "Stabilitätspakt" der EU unterzeichnet, der eine Obergrenze für die öffentliche Neuverschuldung von 3% des BIP vorsieht. Heuer wird - trotz guter Konjunktur (das Wirtschaftswachstum beträgt real 3%) - das Defizit merklich über 2% des BIP liegen. Sollten sich allerdings die Wachstumsaussichten in den nächsten Jahren abschwächen, so reagiert das Budget unmittelbar darauf: die Steuereinnahmen entwickeln sich schwach, Staatsausgaben - etwa für Arbeitslosengeld - steigen an. Eine Abschwächung des Wirtschaftswachstums erhöht das Defizit automatisch. Wer den Stabilitätspakt der EU erfüllen und keine Strafzahlungen riskieren will, muß für schlechtere Zeiten der Konjunktur rechtzeitig vorsorgen.

Zweitens ist klar, daß Rezessionen (das heißt starke Abschwächungen des Wirtschaftswachstums) die primäre Ursache für den Anstieg der Arbeitslosigkeit bilden. Eine antizyklische Budgetpolitik stellt das wirkungsvollste Instrument der Bekämpfung von Arbeitslosigkeit dar. Wer bei künftigen Konjunkturabschwächungen entsprechend gegensteuern will, der muß bei guter Konjunktur für die notwendigen Mittel sorgen.

Drittens stellen umfangreiche Steuersenkungen den Wohlfahrtsstaat in Frage. Internationale Erfahrungen zeigen, daß Steuersenkungen meist den Ausgangspunkt für Sozialausgabenkürzungen bildeten. Wer unseren Sozialstaat erhalten will - und dafür bestehen gute Gründe, denn er stellt eine der wesentlichsten Errungenschaften der letzten Jahrzehnte dar - der muß auch für seine Finanzierung sorgen.

Die bevorstehende Steuerreform sollte sich deshalb auf ihr angestrebtes Ziel der Verbesserung der Steuer- und Abgabenstruktur konzentrieren. Hier bestehen einige sinnvolle Ansatzpunkte: 1. In den westlichen Volkswirtschaften ist der Reichtum in den letzten Jahrzehnten massiv angestiegen, allerdings ist er sehr ungleich verteilt. In einer derartigen "Vermögensökonomie" sollte ein gerechtes Steuersystem deshalb der Erfassung von Vermögen, Erbschaften und Vermögenseinkommen größere Aufmerksamkeit widmen. Das österreichische Steuersystem hat sich in diesem Sinn in den letzten Jahren in die falsche Richtung entwickelt - die Vermögenssteuer wurde mit der Steuerreform 1994 abgeschafft, die großen Vermögen werden heute steuerschonend in Stiftungen geparkt. Hier ist dringend ein Kurswechsel notwendig. Im Sinne einer stärkeren Belastung der Vermögen bietet sich auch eine merkliche Erhöhung der im internationalen Vergleich recht niedrigen Grundsteuer an.

2. Der Anstieg der Arbeitslosigkeit wurde oft in Verbindung mit der gestiegenen Abgabenbelastung des Faktors Arbeit gebracht. Wiewohl die Zusammenhänge hier nicht wirklich eindeutig sind, wäre es möglich, im Rahmen der Steuerreform, eine Entlastung des Faktors Arbeit vorzunehmen. Hier wäre eine Umstellung der Finanzierung des Familienlastenausgleichsfonds von einer Belastung der Lohnsumme auf eine Wertschöpfungsabgabe denkbar. Auch eine maßvolle Erhöhung der Energiesteuer könnte Spielräume für eine Senkung von Sozialversicherungsbeiträgen eröffnen. Allerdings sollte diese Abgabensenkung nicht linear über alle Einkommensgruppen erfolgen - der Beschäftigungseffekt wäre vernachlässigbar gering - sondern die unteren Einkommensgruppen begünstigen.

3. Steuerpolitik kann auch Wachstumspolitik sein. Einmal, wenn Investitionen nicht mehr generell, sondern besonders für Forschung, Entwicklung und Ausbildung gefördert werden. Zum anderen, wenn das Steuersystem progressiver wird und die unteren Einkommensschichten deutlicher entlastet werden, bei gleichzeitiger Belastung der Besserverdienenden. Das untere Einkommensdrittel gibt fast 100% seiner verfügbaren Einkommen wieder aus und wirkt somit nachfragestimulierend, im oberen Einkommensdrittel steigt die Sparquote rasch an. Eine Lohnsteuerreform sollte deshalb in einer Erhöhung des allgemeinen Absetzbetrages und einem Ausbau der negativen Einkommenssteuer bestehen, nicht in einer Korrektur der Tarife, denn das käme vor allem den mittleren und oberen Einkommensschichten zugute. Wesentliche Spielräume zu einer Verbesserung der Verteilungswirkungen des Steuerssystems würde die Abschaffung der Steuerbegünstigung des 13./14. Monatsgehalts bieten, die heute vor allem den gut verdienenden Angestellten massive Steuervorteile bringt (der effektive Höchststeuersatz beträgt unter Einberechnung dieser Steuerbegünstigung nur knapp 44%). Die berechtigte Begünstigung der unselbständig Beschäftigten gegenüber den Selbständigen (Gestaltungsmöglichkeiten) könnte über einen hohen Arbeitnehmerabsetzbetrag beibehalten werden. Gleichzeitig könnte eine Einbeziehung der Sonderzahlungen in die normale Besteuerung vier Fünftel der unselbständig Beschäftigten entlasten. Obwohl wirtschafts- und verteilungspolitisch sinnvoll, will sich damit wohl kein Finanzminister politisch die Finger verbrennen.

Der Autor ist Wirtschaftsforscher in Wien.

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