Schmaler Grat Gerechtigkeit

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Während die Regierung sich noch freut, dass ihr mit den Steuersenkungen 2004 und 2005 der "große Wurf" gelungen sei, werden von anderer Seite Forderungen nach neuen und mehr Steuern für Reiche laut.

Über den Bronzenen Stier hat sich Wolfgang Schüssel dem Vernehmen nach noch gefreut, über das Silberne Schlachtmesser für Staatskahlschlag vermutlich weniger. Beide Auszeichnungen wurden für die österreichische Steuerpolitik verliehen. Während aber die Europäische Vereinigung der Steuerzahler den Regierungschef mit dem Europäischen Steuerzahlerpreis für die Steuer- und Pensionsreform ehrte, zielte Attac auf das Gegenteil ab und prangerte die "europaweit einmalige steuerliche Bevorzugung von Großunternehmen und Vermögenden bei gleichzeitigen Einschnitten ins Sozialsystem" an.

Mit der Aktion begann nach "Stopp Gats" die zweite große Kampagne von Attac Österreich, die unter dem Motto "Fair Steuern - Der Sozialstaat ist finanzierbar" steht. Während Regierung und Unternehmerschaft über die Sicherung des Wirtschaftsstandortes durch die Senkung der Körperschaftssteuer, die Möglichkeit der Gegenverrechnung ausländischer Verluste in Konzernen durch die Gruppenbesteuerung und die gesenkten Abgaben auf nicht entnommene Unternehmensgewinne jubeln, fordert Attac eine Angleichung der steuerlichen Belastung von Kapitaleinkünften, Unternehmensgewinnen und Vermögen einerseits und von Arbeitseinkünften andererseits. So machten beispielsweise in Österreich im Jahr 2002 Steuern auf Gewinne nur 5,1 Prozent der gesamten Abgabenaufkommens aus, in den EU-15 dagegen seien es 8,9 Prozent. Dank vielfältiger Möglichkeiten der "Steueroptimierung" zahlten viele Unternehmen mit saftigen Gewinnen überhaupt keine oder nur sehr wenig Steuern.

Reichtum trägt weniger bei

Auch dass die vermögensbezogenen Steuern sinken, macht Attac Sorgen. So zeigt ein Vergleich der oecd, dass in Österreich seit 1970 der Anteil der Einkommenssteuer und der Sozialversicherungsbeiträge am gesamten Steuer- und Abgabenaufkommen steigen, die vermögensbezogenen Steuern dagegen immer weniger zum Steueraufkommen beitragen. Was letztere angeht, ist Österreich sogar Schlusslicht in der eu: Trugen sie im Jahr 2002 im Durchschnitt der EU-15 4,9 Prozent bei, waren es in Österreich nur bescheidene 1,3 Prozent. Mit ein Grund für das Sinken dieser Steuereinnahmen war die Abschaffung der Vermögenssteuer im Jahr 1994. Bis dahin war Vermögen von mehr als umgerechnet 10.900 Euro mit einem Prozent zu versteuern, zusätzlich gab es jeweils einen Freibetrag in derselben Höhe für jedes minderjährige Kind und den Ehepartner. Seit Abschaffung dieser Steuer gibt es nur noch drei Steuern, die Vermögen direkt belasten: Grund-, Erbschafts- und Schenkungssteuer.

Allein eine Anhebung der Vermögens- und Gewinnbesteuerung auf eu-Niveau würde sieben Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen bringen (siehe Kasten). Zudem sollte eine progressive Vermögenssteuer eingeführt werden. Ein großzügiger Freibetrag von beispielsweise 300.000 Euro könnte dafür sorgen, dass nicht "einfache Häuslbauer und Landwirte" darunter zu leiden hätten. Zudem sollten Steuerprivilegien für eigennützige Privatstiftungen abgeschafft werden und die Besteuerung von Immobilien und Grundstücken nach ihrem tatsächlichen Wert erfolgen. Eine weitere Forderung: Einkünfte aus Kapital, also etwa Aktiengewinne und Zinsen, sollten künftig zum Arbeitseinkommen hinzugerechnet und gemeinsam mit ihm nach dem Einkommenssteuergesetz versteuert werden.

Den Vorschlag von Attac, eine Vermögenssteuer (wieder) einzuführen, hält die Steuerexpertin des Wirtschaftsforschungsinstitutes (wifo), Margit Schratzenstaller, für durchaus begrüßenswert. "Die Erhöhung der steuerlichen Leistungsfähigkeit ist ein guter Grund, Vermögen zu besteuern. Hier gibt es sicher einen gewissen Spielraum." Auch sie schlägt vor, unter anderem bei der Grundsteuer anzusetzen. Derzeit beruht diese auf Einheitssätzen, die seit 1973 erst einmal angepasst wurden, den regional sehr unterschiedlichen Entwicklungen der Grundstückspreise jedoch in keiner Weise gerecht werden. "Man sollte die Bewertungsvorschriften so anpassen, dass die tatsächlichen Marktwerte von Immobilien erfasst werden", meint die Wissenschafterin.

Steuerwettlauf nach unten

Nicht teilen kann die Steuerexpertin dagegen die Attac-Ansicht, die Senkung der Körperschaftssteuer von 34 auf 25 Prozent im Zuge der Steuerreform sei ein Fehler gewesen, da Österreich dadurch den ruinösen internationalen Steuerwettlauf angetrieben habe. "Wir sind nun einmal in unmittelbarer Nähe zu den neuen eu-Ländern mit deutlich geringerer köst, als wir sie vor der Reform hatten, dadurch waren wir unter Druck." Mit der derzeitigen Regelung "liegt Österreich ganz gut im Rennen". Wie Attac wünscht auch sie sich jedoch eine eu-weit einheitliche Bemessungsgrundlage. Eine einheitliche Besteuerung von Unternehmensgewinnen auf hohem Niveau, die Attac fordert, sähe sie dagegen nicht so gerne: "Die neuen Mitglieder machen mit ihrer niedrigen Unternehmensbesteuerung Standortnachteile wett, etwa bei der öffentlichen Infrastruktur. Ihnen das zu verbieten, wäre ungerecht."Abgesehen davon, dass eine verpflichtende hohe Besteuerung ohnehin keine Chance hätte. "Steuerrechtliche Richtlinien müssen einstimmig beschlossen werden, und die Beitrittsländer würden einer höheren Steuer, als sie sie derzeit haben, niemals zustimmen." Allerdings müsse irgendwann auch nicht nur um der alten EU-15 Willen Schluss sein mit dem Wettbewerb nach unten. "Es gibt ja noch andere Standortfaktoren, eben zum Beispiel die Infrastruktur. Und um die zu verbessern, brauchen die neuen Länder Steuereinnahmen, die ihnen fehlen werden, wenn die Senkungen weitergehen."

Den Gürtel enger schnallen

Attac dagegen rechnet vor, was mit 1,1 Milliarden Euro Steuereinnahmen gemacht werden hätte können, die hierzulande durch die köst-Senkung wegfallen. "Emmerich Tálos hat berechnet, dass eine bedarfsorientierte Grundsicherung in Österreich 900 Millionen Euro kosten würde." Statt dessen werde der Bevölkerung weisgemacht, dass sie den Gürtel enger schnallen müsse. Und während vielerorts hingenommen wird, dass der Sozialstaat in seiner bisherigen Ausprägung nicht mehr finanzierbar sei, rechnet Christian Felber von Attac anders: "Österreich wird jährlich um zwei Prozent reicher. Das heißt, wir können uns jedes Jahr um zwei Prozent mehr Bahnlinien, Postämter, Kindergärten, Gesundheitsdienstleistungen, Pensionen und soziale Sicherheit leisten." Nur müsse dazu eben der vorhanden Reichtum durch eine gerechte Steuerbelastung beitragen.

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