Keine Steuerferien für Gewinne

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Fast alle Länder beteiligen sich am Steuerwettlauf. Mit immer niedrigeren Gewinnsteuern sollen Investitionen angelockt werden. Im Rennen um Steuerentlastung liegt Österreich recht weit vorne.

Kurz vor den EU-Wahlen wagten Deutschland und Frankreich einen überraschenden Vorstoß: Um den Wettlauf der Staaten im Unterbieten bei der Besteuerung von Unternehmensgewinnen in der EU zu beenden, sollten ein Mindest- und ein Höchststeuersatz definiert werden.

Prompt erhielten sie von der Kommission eine Abfuhr: Mit ihrer Initiative seien die beiden EU-Schwergewichte "auf dem Holzweg", hieß es aus dem Haus von Binnenmarktkommissar Frits Bolkestein. Neoliberale Hardcore-Ökonomen sehen Steuerwettlauf positiv, weil er Staaten zwinge, mit Steuereinnahmen "effizient" hauszuhalten. Es gibt aber auch eine andere Sichtweise: Steuerwettlauf erodiert die Finanzierungsbasis von Staaten. Budgets werden defizitär und öffentliche Leistungen unleistbar, selbst wenn die Wirtschaft wächst.

8 Billionen $ in Steueroasen

Wie kam es aber zum Steuerwettlauf? In den achtziger Jahren begannen die meisten Regierungen den grenzüberschreitenden Kapitalverkehr zu liberalisieren. Dadurch würde sich das Anlagekapital zu jenen Orten des Globus bewegen, an dem es die höchste Rendite bekommt, so die Begründung. Die Nebeneffekte dieser Reisefreiheit für das Kapital wurden jedoch nicht beachtet.

Einer davon ist die Entstehung von Steueroasen. Staaten in der Karibik (Bahamas, Cayman-Islands), im Ärmelkanal (Jersey) oder am europäischen Festland (Schweiz, Monaco) konnten Kapital anlocken, es von jeder Besteuerung befreien und mittels Bankgeheimnis dem Zugriff der zuständigen Finanzämter entziehen. Der Währungsfonds schätzt, dass acht Billionen US-Dollar in Steueroasen bunkern - vermögens- und kapitalertragsteuerfrei.

Steuerbefreiung ist ansteckend. Um den Abzug von Vermögen und die Verschiebung von Gewinnen in Steueroasen zu verhindern, machen fast alle Länder beim globalen Steuerwettlauf mit. In den Industrieländern sank in den letzten 20 Jahren die durchschnittliche Besteuerung von Unternehmensgewinnen von 51 auf 33 Prozent, die von Zinserträgen von 47 auf 33, und die Spitzensätze der Einkommenssteuer von 52 auf 42 Prozent. Die Absenkung der Körperschaftssteuer in Österreich von 34 auf 25 Prozent mit Jahresbeginn 2005 ist nur eine Etappe im Rennen von 50 auf 0.

Zwar befürworten selbst Anhänger des Wettbewerbs einen Mindestsatz in der EU, doch liegt dieser im Bagatellbereich: Österreichs Finanzminister Karl Heinz Grasser peilt einen Körperschaftsteuersatz von 15 Prozent an, wie er am 2. Februar 2004 der Financial Times eröffnete.

Noch dramatischer ist die Entwicklung bei den Vermögenssteuern. Trugen sie in Österreich vor 30 Jahren noch 3,7 Prozent zum gesamten Steuer- und Abgabenaufkommen bei, so sind es heute gerade noch 1,3 Prozent, obwohl die Vermögen seither exponentiell gestiegen sind. Begründet wird diese Entsteuerung mit dem Steuer- und Standortwettbewerb.

Hätte Österreich 1993 nicht die Vermögenssteuer abgeschafft und das Privatstiftungsrecht eingeführt, wären die Großkapitalien nach Liechtenstein und in die Schweiz geflüchtet, heißt es unisono aus Sozialdemokratie und Volkspartei. Die jüngste KÖSt-Senkung wird mit dem noch niedrigeren Satz in der Slowakei begründet. Kapitalsteuern senken ist also eine hilflose Reaktion auf Globalisierungssachzwänge und Standortrealitäten.

Österreich sehr großzügig

Obwohl dieser Stehsatz generell richtig ist, stimmt er im Fall Österreich nicht. Als viertreichstes Land der EU und als attraktiver Standort - qualifizierte Arbeitskräfte, hohe Produktivität, (bisher) stabiler sozialer Friede und kaufkräftige Bürger - könnte sich das Alpenland Vermögens- und Gewinnsteuern zumindest im EU-Schnitt leisten. Hätten diese Steuern hierzulande einen gleich hohen Anteil am Steuerkuchen wie im EU-Schnitt, hätte die Staatskasse 2003 Mehreinnahmen von sieben Milliarden Euro verbucht. Statt einem Budgetdefizit von 1,3 gäbe es einen Überschuss von 1,8 Prozent (obere Grafik). Die Sparpolitik könnte abgeblasen, das soziale Netz ausgebaut werden, nicht durchlöchert.

Die Forderung von Städte- und Gemeindebund nach 500 zusätzlichen Euro-Millionen im Rahmen der aktuellen Finanzausgleichverhandlungen nehmen sich gegenüber sieben Milliarden Euro wie eine Bescheidenheitsgeste aus.

Abgesehen vom nationalen Handlungsspielraum Österreichs besteht international dringend Koordinierungsbedarf. "Attac" hat Maßnahmen ausgearbeitet, wie der globale Steuerwettlauf beendet werden kann:

* Harmonisierung der Gewinnbesteuerung in der EU. Wer eine Zollunion schafft, einen Binnenmarkt, eine Währungsunion, wird wohl auch eine kleine Sperre gegen Steuerdumping zustande bringen. Davon profitieren alle: Die Budgets sprudeln wieder und der Widerspruch, dass in Zeiten des Wirtschaftswachstums alle um die Wette sparen, könnte endlich aufgelöst werden.

* Sollten EU-Unternehmen mit der Produktionsverlagerung drohen, gibt es effiziente Gegenmaßnahmen, etwa die Anwendung des Wohnsitzstaatsprinzips: Errichtet ein EU-Konzern eine Tochterfirma in einer Steueroase und verschiebt er seine Gewinne dorthin, wird die die Steuerersparnis in der EU nachverrechnet. Droht der Konzern dann, auch seine Zentrale zu verlegen - was erfahrungsgemäß nicht so schnell passiert - lässt sich mit der "Unitary Tax" der gerechte Steueranteil (gemessen an Umsatz, Kapital und Beschäftigten) abschöpfen, auch wenn die Zentrale auf den Bahamas domiziliert.

* Wenn die EU wirklich will, kann sie Steueroasen von heute auf morgen zusperren, etwa die Schweiz, die durch ihr strenges Bankgeheimnis in der EU Steuerausfälle in Milliardenhöhe verursacht. Oskar Lafontaine hat es auf den Punkt gebracht: "Ein Kleinstaat wie die Schweiz kann einem Riesen wie der EU etwas weh tun. Doch der Riese kann dem Zwerg noch viel mehr weh tun." Die EU könnte Exporte der Schweiz in die EU mit Zöllen belegen oder den Kapitalverkehr einschränken. Die Schweiz würde das Bankgeheimnis sofort freiwillig aufgeben.

Schluss mit Locksteuern

* Schließlich sollte die EU auf eine weltweit einheitliche Konzernbesteuerung drängen. Eine globale Wirtschaft braucht globale Regeln. Einheitliche Gewinnbesteuerung würde sogar ins Konzept der Wettbewerbsgleichheit passen und Standortentscheidungen nicht länger durch Locksteuersätze, "Steuerferien" oder Subventionen verzerren. Allein die Entwicklungsländer würden in den Genuss von Mehreinnahmen von 50 Milliarden Dollar kommen.

Der Autor ist

Sprecher von "attac" Österreich. Weitere Infos: Steuergerechtigkeit @attac-austria.org

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