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Wenig „öko", kaum „sozial"

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Gemessen an den Erwartungen muß die zweite Etappe der Steuerreform, die 1992 in Kraft treten soll, eigentlich ein Flop wer­den. Alle Gruppierungen möchten von der nächsten Reform profitie­ren, alle Ziele (sofern diese über­haupt klar sind) sollen erreicht werden, und kosten soll es selbst­verständlich auch nichts. Das Bud­getdefizit darf auch nicht größer, die geplante Budgetkonsolidierung muß fortgesetzt werden.

Das Problem ist, wie auch der Experte des Wirtschaftsforschungs­institutes (WIFO) kürzlich bei ei­nem Symposium festgestellt hat, daß eine klare Zielsetzung und vor allem -abgrenzung noch fehlt. Das Schwergewicht der ersten Etappe lag auf Vereinfachung, Senkung der Tarife, Progressions­milderung und angebotsseitigen Akzenten und darf als erfolgreich bezeichnet werden. Und jetzt?

Für die jetzt bevorstehende Pha­se wurden zwar einige pauschale und durchaus vernünftige Ziele ge­nannt, nämlich Fortsetzung der Vereinfachung, ökologische Ak­zentsetzungen und Heranführen an EG-Regelungen. Das hindert jedoch verschiedene Interessensgruppen und Lobbies keinesfalls, jede Men­ge oft ganz anders gelagerter Wün­sche zu äußern. Was nicht von vorn­herein heißen soll, daß sie unbe­rechtigt wären. Es seien hier nur erwähnt: Maßnahmen zur Stärkung der Eigenkapitalbasis der Unter­nehmen, halbe Steuersätze für nicht entnommene Gewinne, Halbierung der Vermögenssteuer, Erleichterun gen für die Eigenkapitalzufuhr von außen, Getränkesteuerreform, fa­milienpolitische Maßnahmen (steu­erfreie Existenzminima je nach Kin­derzahl, Verminderung der Be­steuerung vom 13. und 14. Monats­gehalt gleichfalls nach Kinderzahl), Familiensplitting (Aufteilung des Familieneinkommens auf die Zahl ihrer Mitglieder und Besteuerung dieser Teilbeträge, was zu wesent­lich niedrigeren Abzügen führt), Neuregelung des Pendlerpauscha­les, Zusammenlegung und Verein­fachung der Dienstgeberabgaben (Lohnsummensteuer, Sozialversi­cherungsbeiträge, Dienstgeberbei­träge zum Familienfonds, die alle nach unterschiedlichen Bemes­sungsgrundlagen berechnet werden müssen), Abschaffung der Gewer­besteuer und so weiter. Was davon kann als einigerma­ßen gesichertes Vorhaben für 1992 festgehalten werden, und welche Bereiche müssen noch besonders diskutiert werden? Freuen darf man sich auf eine Senkung der Mehrwertsteuer um zwei Prozentpunkte auf 18 bezie­hungsweise acht Prozent sowie mit großer Wahrscheinlichkeit auch auf den Wegfall der sogenannten Lu­xus-Mehrwertsteuer. Güter, die der letzteren unterlagen (faktisch nur noch Autos), werden dann mit 18 statt bisher 32 Prozent besteuert. Damit soll ein erster Schritt einer Annäherung an die meist weit niedrigeren Sätze in der EG erreicht werden (14 Prozent beispielsweise in der Bundesrepublik). Es wird somit eine Vorleistung auf die Steu­erharmonisierung in der Gemein-schaft gebracht.

Dieser Punkt allein wird erstens 20 Milliarden Schilling kosten und könnte zweitens - was die Besteue­rung der Kfz-Anschaffung betrifft - als Widerspruch zu den geplanten ökologischen Zielen dieses Reform­abschnitts gesehen werden. Um beidem abzuhelfen, werden ver­schiedene Verbrauchssteuern (gleichfalls als Näherung an EG-Bestimmungen) und insbesondere die Kfz-Steuer (vor allem auch für LKWs) nach ökologischen Gesichts­punkten gestaffelt angehoben. Fer­ner sollen die Düngemittelabgabe erhöht und Reduktionen bei diver­sen Subventionen vorgenommen werden. Damit daraus per saldo keine Mehrbelastung für die Bevöl­kerung entsteht, muß darauf ge­achtet werden, daß die Senkungen der Mehrwertsteuer auch wirklich an die Konsumenten weitergege­ben werden.

Erfahrungen der Vergangenheit haben gezeigt, daß bei derlei Anläs­sen partout immer die Kosten ganz besonders steigen, sodaß die Betriebe zu ihrem größten Bedauern die Preise mit Mühe gerade unver­ändert lassen können, aber beileibe bei sonstigem sofortigen Ruin die Steuersenkung nicht weitergeben können. Um solche „'Spielchen" zu vermeiden, sind kurzfristige Regu­lierungsmaßnahmen geplant. Man darf gespannt sein, ob der Finanz­minister, sich durchsetzen kann.

Ziemlich mager und wenig kon­kret sind die ökologischen Ak­zentsetzungen. Außer der erwähn­ten höheren Kfz-Steuer (die aller­dings im umweltpolitischen Sinn, außer vielleicht bei LKWs, kaum etwas bringen wird) gibt es bisher nur die Vorstellung einer Abwas­serabgabe, und die soll erst 1995 in Kraft treten. Das ist zwar besser als nichts, aber es kann doch nicht al­les gewesen sein! An den umfassen­den Komplex einer Besteuerung des Energieverbrauchs zwecks relati­ver Verteuerung desselben zugun­sten einer Verbilligung des Arbeits­kräfteeinsatzes scheint man sich vorläufig nicht heranzuwagen.

Also wenig „öko". Und wie sieht es mit „sozial" aus? Eher noch trau­riger. Die erste Etappe der Steuer­reform hat ja die Bisparitäten der Einkommensverteilung in Öster­reich nicht gerade vermindert (was zugegebenermaßen auch nicht ihr Ziel war). Ein ziemlich umfangrei­cher Forderungskatalog an die zweite Etappe befaßt sich abermals mit Senkung oder Abschaffung von Vermögenssteuer, Gewerbesteuer, Gesellschaftssteuern, Börsenum­satzsteuer - all das wird ins Treffen geführt unter dem Schlagwort einer „Internationalisierung" der österreichischen Wirtschaft. Von den Familien werden wohl nur sol­che von derlei Maßnahmen profi­tieren können, für die Vermögens­und Börsenumsatzsteuer Proble­me darstellen. Das dürften erstens eine Minderheit und zweitens nicht gerade diejenigen sein, um die man sich besonders kümmern müßte. Für die Mehrheit der Familien gibt es zwar wie erwähnt Vorschläge - was davon übrig bleiben wird, kann noch nicht abgeschätzt werden.

Auf einige heikle und konflikt­trächtige Punkte wies auch Ewald Nowotny hin: Ein Steuersystem überhaupt und jede Änderung dar­an habe bekanntlich auch eminen­te verteilungspolitische Konse­quenzen. Gerade die Vermögens­verteilung sei in Österreich noch ungleicher als die Einkommensver­teilung und im internationalen Vergleich sei das Vermögen in Österreich sehr niedrig besteuert. Auch die Einführung ökologisch konzipierter Steuern und Abgaben belaste unter Umständen die unte­ren Einkommensschichten stärker.

Diese zweite Etappe, wie sie jetzt präsentiert wurde, ist noch stark verbesserungsfähig. Nach den Wahlen jedoch drängt die Zeit. Nach einer möglicherweise länge­ren Phase der Regierungsbildung bleiben nur wenige Monate, um ein brauchbares und endgültiges Kon­zept auszuarbeiten.

Der Autor ist volkswirtschaftlicher Experte in der Nationalbank.

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