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Digital In Arbeit

Der Unsinn der Maschinensteuer

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Immer wieder wird der Plan einer Wertschöpfungsabgabe präsentiert. Das macht ihn nicht besser. Eine „aufkommensneutrale“ Lösung bringt nichts - alles andere Nachteile.

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Immer wieder wird der Plan einer Wertschöpfungsabgabe präsentiert. Das macht ihn nicht besser. Eine „aufkommensneutrale“ Lösung bringt nichts - alles andere Nachteile.

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Zu dem nun wieder präsentierten Plan, in Österreich eine sogenannte Wertschöpfungsabgabe (auch Maschinensteuer genannt) einzuführen, meinte neulich der Generalsekretär der Bundeswirtschaftskammer Karl Kehrer, damit würden die Unternehmer einseitig belastet. Damit irrt er und fast möchte man hinzufügen: leider. Bei konsequentem Durchdenken kommt man zu ganz anderen Ergebnissen.

Betrachten wir zunächst das geltende System der Finanzierung unserer Sozialversicherung. Heute werden Beiträge der Dienstnehmer im Lohnabzug und solche der Dienstgeber entrichtet. Über den wahren Charakter der zweitgenannten ließe sich lange philosophieren. Fest steht, daß sie unter Arbeitskosten zu kalkulieren sind. Man könnte diese Dienstgeberbeiträge auch als „unbaren Lohn“ ansehen, denn es handelt sich um betrieblichen Aufwand für menschliche Arbeit, der aber nicht auf dem Gehaltskonto landet, sondern von vornherein umverteilt wird.

Die bisherige Sozialpolitik hat eine ausgesprochene Vorliebe für diese Form der Mittelaufbringung entwickelt. Sie wurde als ergiebig und noch dazu als für den Arbeitnehmer quasi unsichtbar sehr geschätzt.

Der Plan, anstelle dieser Dienstgeberbeiträge eine Abgabe einzuführen, die sich nach dem betrieblichen Erfolg richtet, hat zunächst eine nicht unplausible Begründung. Ist es doch heute so, daß gewaltige Beträge gerade dort eingehoben werden, wo eben Entgelt gezahlt und damit auch Arbeit geschaffen wird. Wo hingegen rationalisiert und Personal eingespart wird, überhaupt wo „Kapital arbeitet“, fallen die Sozialabgaben weg.

Will man nun den Nutzen einer neuen Form der Mittelaufbringung beurteilen, die nicht mehr bei der Entgeltzahlung ansetzt, wird freilich einzukalkulieren sein, daß ja damit - zumindest längerfristig -zusätzliches Geld erschlossen werden soll.

Nämlich jenes, das uns zur Sicherung der Pensionen in absehbarer Zeit fehlen wird. Sozialminister Walter Geppert sprach zwar jüngst von einer sogenannten „aufkommensneutralen“ Lösung, doch tat er dieses anläßlich einer Betrachtung der bekannten auf uns zukommenden Probleme. Es ist eindeutig, daß er auf diese Weise zukünftige Pensionen sichern will, ohne die Beiträge der Versicherten erhöhen zu müssen. Kehrers eingangs zitierter Aufschrei ist insofern verständlich, denn offenbar will man statt dessen der Wirtschaft an den Kragen.

Nun soll man sich aber über diese Wirtschaft und ihre Gesetzmäßigkeiten im klaren sein. Sie investiert und geht unternehmerisches Risiko nur dann ein, wenn sie mit entsprechendem Ertrag rechnen kann. Vernünftigerweise, wie hinzuzufügen ist.

Daß man mit maroden Betrieben keinen Staat - auch keinen Sozialstaat - machen kann, wurde uns hinlänglich vor Augen geführt. Wollte man also tatsächlich versuchen, mit einer Wertschöpfungsabgabe den Ertrag eingesetzten Kapitals zu reduzieren, wäre die unausweichliche Folge, daß dementsprechend unternehmerisches Engagement wegfallen würde. Da es bekanntlich schon heute und umso-mehr in Zukunft einen internationalen Kapitalmarkt gibt, wo lebhafter Wettbewerb herrscht, würde jedermann versuchen, sein Geld nicht bei uns, sondern in Ländern zu investieren, wo es eine solche Maschinensteuer nicht gibt. Aber auch dort, wo ein solches Ausweichen nicht möglich wäre, könnte es wohl kaum gelingen, sich von Kapitalertrag und Unternehmereinkommen jene Beträge zu holen, die uns für die soziale Sicherheit fehlen.

Schon allein die gegebenen Dimensionen schließen dies aus. Noch viel entscheidender ist aber, daß jedes Unternehmen, das sich einem solchen Zugriff ausgesetzt sähe, auf alle Fälle danach trachten würde, das zu tun, was man steuertechnisch „überwälzen“ nennt, nämlich in Form einer Weitergabe an die Preise.

Der Effekt einer Beitragsentlastung der Lohnkosten wäre damit nichts anderes als eigentlich eine prächtige neue Konsumbesteuerung. Sie wurde die Ausgaben ausgerechnet für jene Waren hinauftreiben, die heute dank Massenproduktion und Rationalisierung sehr billig sind und derart den Lebensstandard in den Industriestaaten beträchtlich erhöht haben.

Nun ist zuzugeben, daß eine Wertschöpfungsabgabe die arbeitsintensiv produzierten Güter und vor allem Dienstleistungen entsprechend verbilligen könnte. Damit wäre in der Summe eine Mehrbelastung der Konsumenten zu vermeiden. Dies würde aber nur im Fall eines wirklich kostenneutralen Vorgehens gelten Damit wäre aber für die Finanzierung der sozialen Sicherheit nichts gewonnen.

Aber auch in diesem Zusammenhang darf man auf keinen Fall nur in innerstaatlichen Kategorien denken. Unsere Wirtschaft, die versuchen würde, zur Ertragssicherung eine neue Abgabenbelastung auf die Preise abzuwälzen, ist ja auch Anbieter auf den intemationalenMärk-ten.

Nun wird wohl niemand so naiv sein, zu glauben, daß man im Ausland bereit wäre, uns via einkalkulierter Wertschöpfungsabgabe die Altenlast abzunehmen. Die exportierenden Betriebe müßten daher, um konkurrenzfähig bleiben zu können, die eigenen Kosten umso-mehr senken. Zu diesem Zweck würde man noch mehr rationalisieren, also Arbeit wegrationalisieren und auf die Löhne drücken. Womit sich die Katze in den Schwanz beißt: Die Arbeitnehmer würden die Zeche zahlen.

Bleiben wir auf dem Boden der Wirklichkeit. Wenn man Massen von Pensionisten erhalten will, muß man von den Masseneinkommen abschöpfen. Bleibt man beim bisherigen Finanzierungsmodell, wird man Beiträge oder Steuern erhöhen müssen. Beides bedeutet spürbaren, ja schmerzlichen Einkommensverzicht.

Greift man hingegen zur Wertschöpfungsabgabe, erzielt man denselben Effekt, allerdings auf Umwegen mit dem Ergebnis höherer Preise für Güter, die unter Einsatz von Kapital erzeugt werden. Dazu kämen die geschilderten Gefahren für den Export und für die Attraktivität Österreichs als Platz von Investitionen.

Je länger man darüber nachdenkt, umsomehr wird klar, daß die Wertschöpfungsabgabe politisch, aber nicht sachlich motiviert ist Hat man doch jahrzehntelang der Bevölkerung einzureden versucht, der Staat könne Leistungen erbringen, ohne sich die Kosten dafür auf Heller und Pfennig wieder zu holen. Zumindest versuchte man immer wieder, den Eindruck zu erwecken, es würden ohnedies nur „die anderen“ belastet. Offenbar bleibt man bei dieser Methode.

Wir stehen vor einer Explosion der Ausgaben für Gesundheit und soziale Sicherheit. Man wird zur Kenntnis nehmen müssen, daß wir alle davon betroffen sein werden. Die Arbeitseinkommen überalteter Völker werden relativ sinken. Die sensiblen Mechanismen der Marktwirtschaft lassen keine Einseitigkeit der Belastung zu, ohne das Gleichgewicht erheblich zu stören. Auch eine „Maschinensteuer“ würden im Endeffekt alle spüren.

Unsere einzige Hoffnung ist, daß wir durch Wirtschaftswachstum Spielraum für mehr Sozialausgaben ohne Wohlstandseinbußen gewinnen. Ob es angesichts dessen klug wäre, ausgerechnet dort abzuschöpfen, wo neue Werte geschaffen und neue Märkte erobert werden sollen, erscheint wohl sehr zweifelhaft.

Oer Autor ut VoUoanwaJt

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