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Digital In Arbeit

Um Freiheit und Frieden

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Seit nahezu 2 Jahrzehnten wird in der gesellschaftspolitischen Diskussion der Fragenkreis „Vermögensbildung“ behandelt. Wenn hiebei in zahlreichen Aufsätzen und Artikeln die einseitige Vermögensverteilung angeprangert wurde, so hat man eine ganz bestimmte Vermögensform und deren Verteilung zur Zielscheibe der Kritik gemacht: nämlich das Pro-duktiivvermögen. Wenn auch bedauerlicherweise keinerlei exakte Statistik das Ausmaß der Verteilungs-ungerechtigkeit widergilbt, so zeigen doch einige Indikatoren — so etwa die gewiß vorsichtig zu interpretierende Vermögenssteuerstatistik — — daß wir in Österreich mit dem Problem der Vermögenskonzentration durchaus konfrontiert sind.

Die Tatsache, daß das Eigentum am Produktiwermögen sich lediglich in den Händen weniger befindet, widerspricht nicht zuletzt der Forderung, durch breitgestreutes Eigentum die wirtschaftliche Position des Einzelmenschen zu verbessern. Hier muß sofort die Ergänzung gemacht werden, daß „in den Händen weniger“ bedeutet: in den Händen weniger privater, als vor allem öffentlicher (Staat, Länder, Gemeinden) Eigentümer. Die Machtakkumulation, auch durch Vermögensakkumulation im staatlichen Bereich ist in Österreich heute schon viel gewichtiger und gefährlicher, als im privaten Bereich. Freiheit und Chancengleichheit des Menschen wird durch diese Vermögenskonzentration, die zugleich eine Konzentration von Macht darstellt, eingeengt. Die wesentliche Aufgabe der Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand besteht darin, den Machtfaktor „Eigentum am Produktiwer-mögen“ möglichst jedem Menschen zuteil werden zu lassen.

Dabei wird bewußt die Tatsache ausgeklammert, daß sich die Verfügungsgewalt immer stärker vom Eigentum löst und in die Hände der Manager übergeht. Dieser Vorgang

hängt dann eng mit der Frage der Mitbestimmung zusammen.

Damit ist jedoch bereits eine weitere Entscheidung gefallen. Die Vermögensbildung muß in der Art vor sich gehen, daß im Zuge dieses Prozesses keine neuen Machtpositionen geschaffen werden. Eine Gefahr, die vor allem bei den Vorschlägen besteht, die darauf abzielen, das in Arbeitnehmerhand gebildete Vermögen durch einen zentralen Fonds zu verwalten. Entgegen solchen Vorstellungen — wie sie auch von seifen sozialistischer Gewerkschafter gehegt werden — erwartet sich der ÖAAB von einem Modell, welches einen Beteiligungslohn (Investivlohn) mit freier Wahl von überbetrieblichen Veranlagungsmöglichkeiten vorsieht, mehr individuelle Freiheit. Hier kann der einzelne über die Anlage seines zusätzlichen Lohnanteils im Rahmen verschiedener Investitionsmöglichkeiten selbst entscheiden. Die CDU/CSU hat diesbezügliche Gesetzesvorschläge bereits eingebracht. (

Der Grundgedanke des Investiv-lohnes ist folgender: Zusätzlich zur bestehenden Entlohnung wird mit dem Arbeitnehmer eine weitere Lohnerhöhung vereinbart, die jedoch nicht ausbezahlt, sondern „imvestiv“' angelegt wird. Ob bei dieser Gelegenheit ein geringer Teil des laufenden Lohnes gleichfalls gespart wird, ist eine Frage zusätzlicher Anreize. Der Investivlohn ist somit ein weiterer Lohnbestandteil, der nicht für Konsumzwecke ausgegeben werden darf, sondern den Charakter des Sparens trägt.

Für die ungestörte Weiterentwicklung der Wirtschaft ist zweierlei bedeutsam. Erstens darf die Investivlohn regelung nicht derart gestaltet werden, daß es zu einem Rückgang des Konsums kommt. Dies wäre etwa dann der Fall, wenn ein zu großer Teil des laufenden Lohnes nicht zur Auszahlung käme. Hier be-

stünde die Gefahr, daß das Güterangebot nicht abgesetzt werden könnte, was in weiterer Folge auf Produktion und Investition drosselnd wirken würde. Zweitens muß gewährleistet sein, daß der Investivlohn als Finanzierungsmittel den Investitionen zur Verfügung steht. Das heißt, der Arbeitnehmer muß dieses Geldvermögen ebensolange halten, wie dies ein Unternehmer mit dem in seinem Unternehmen eingesetzten Kapital tut. Hier zeigt sich bereits deutlich der Unterschied zum sonstigen Sparen. Dies ist nämlich in aller Regel ein Zwecksparen. Nach einer bestimmten Spardauer wird mit dem angesparten Betrag meist eine Konsumausgabe getätigt, wodurch der Charakter des Vermögens verlorengeht.

Auch von einer normalen Lohnerhöhung unterscheidet sich der Investivlohn wesentlich. Hier gilt es, kurz jenem Phänomen, welches als „Überwälzungsprozeß“ bezeichnet wird, das Augenmerk zu schenken. Bei einer entsprechenden Alimentie-rung durch eine inflationistische Geldpolitik wird es den Unternehmen leichter fallen, Kostensteigerungen, die aus Lohnerhöhungen resultieren, in die Preise fortzugeben. Dieser Vorgang ist auch die wahrscheinliche Erklärung dafür, daß es trotz hoher nomineller Lohnsteigerungen zu keiner nennenswerten Umschichtung des Vermögens, beziehungsweise des Volkseinkommens gekommen ist. Anders geartet ist jedoch die Situation bei Vereinbarung eines Investivlohnes. Dieser Lohnanteil kommt, wie gesagt, nicht zur Auszahlung. Den Arbeitnehmern steht dadurch kein „Möhr“ für Konsumausgaben zur Verfügung. Die Unternehmen hingegen müssen den Investivlohn auszahlen, bekommen diesen jedoch nicht durch vermehrte Konsumkäufe zurück. Die für das Gelingen des Überwälzungs-vorganges nötige Ausgabensteige-

rung fehlt. Hier gilt es jedoch einzuschränken, daß diese Annahme nur in Anbetracht der Volkswirtschaft als ein Ganzes richtig ist, jedoch branchenweise Unterschiede auftreten können. Einem marktbeherrschenden Unternehmen wird es eher gelingen, seine Kosten zu überwälzen, so daß der Uberwälzungsakt letztlich zu einer Umverteilung der Gewinne zwischen den Unternehmungen führt. Um diesen unliebsamen Nebeneffekt, auszuschalten, ist es notwendig, die Vermögenspolitik durch Wettbewerbspolitik wirksam zu ergänzen.

Alles in allem zeigt sich, daß der Investivlohn einen ganz wesentlichen Effekt hat. Er frißt die Investitionsfähigkeit und verhindert einen einseitigen Eigentumszuwachs der Investitionen.

Dieser einseitige Eigentumszuwachs wurde bis jetzt gleichsam als Preis für das Wachstum angesehen. Man geht zwar richtigerweise von der Annahme aus, daß die privaten Investitionen der Hauptmotor des Wirtschaftswachstums sind, hat aber die Frage nach der Eigentumsverteilung dieser Investitionen kaum jemals ernstlich gestellt. Nur so kann es passieren, daß es in großzügigem Ausmaß steuerliche Investitionsför-derung gibt, diese aber ihrerseits wieder die Vornahme der Investitionen aus den Gewinnen begünstigt, was bedeutet, daß der Arbeitnehmer mit seinen Ersparnissen immer nur eine Gläubigerstellung erhält und nie zum Erwerb des Eigentums am Produktiwermögen gelangt.

So bietet der Investivlohn die Möglichkeit, einen Beitrag »um Wirtschaftswachstum durch Sicherung der Investitionen bei wachsender Eigentumsstreuung zu leisten. Aber auch aus einer anderen Betrachtungsweise heraus wird der Nutzen des Investivlohns für das Wirtschaftswachstum offenbar. Gerade in den letzten Jahren der Hochkonjunktur wäre es von dringender Notwendigkeit gewesen, eine Zügelung des Konsums herbeizuführen. Umso unverständlicher ist es in diesem Zusammenhang, daß sich die sozialistischen Gewerkschafter im ÖGB wiederholt gegen Vorschläge zur Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand ausgesprochen haben. Die-

se wohl auf ideologische Gründe zurückgehende Ablehnung — schließlich bedeutet ein „ja“ zur Venmö-gensbildung auch ein „ja“ zum Eigentum — ist auch dafür mitverantwortlich, daß es zu solch hohen Preissteigerungen gekommen ist In der irrigen Annahme, man könne durch kräftige Lohnsteigerungen den Anteil der Jjöhne und Gehälter am Volkseinkommen erhöhen, wurde jener Prozeß ausgelöst, der in der Literatur als Verteilungskampf bezeichnet wird. Symptomatisch ist auch, daß die überwiegende Anzahl der Wirtschafitstheoretiker jenen Verteilungskampf als die Ursache der Inflation ansehen. Kennzeichnend ist weiter, daß die Behauptung, die Inflation begünstige das Wirtschaftswachstum, vor den tatsächlichen Gegebenheiten nicht standhält Im Gegenteil. Hatten wir noch 1972 bei einer Inflationsrate von 6,4 Prozent ein Wirtschaftswachstum von 7,1 Prozent, so stehen wir heute vor der Tatsache, daß wir mit 9 Prozent Geldentwertung rechnen müssen, dafür aber nach letzten Schätzungen ein klägliches Wachstum von 0,5 Prozent zu verzeichnen haben. Durch rechtzeitige Einführung des Investiv-lohns wäre eine derartige Konsumausweitung verhindert worden und der Preisauftrieb hätte nicht jenes Ausmaß erreicht, das heute bereits eine ernste Gefahr für das Wirtschaftswachstum darstellt.

Noch ein anderer Aspekt, der sich allerdings nicht leicht quantifizieren läßt, ist zu beachten. Nämlich der soziale Frieden. Gerade zur Sicherung des sozialen Friedens könnte eine breite Streuung des Eigentums am Prookiktivvermögen einen wesentlichen Beitrag leisten. Daß in Zeiten, in denen soziale Spannungen ein Land erschüttern, auch das wirtschaftliche Wachstum keinen ungestörten Verlauf nehmen kann, zeigen die Beispiele Italien und England.

Eine wirksame Form der Vermögensbildung in Arbeitnehmarhand dient somit nicht nur der Sicherung der individuellen Freiheit, sondern auch der Sicherung des wirtschaftlichen Wachstums und damit des allgemeinen sozialen Friedens.

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