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Wirtschaftswachstum

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Die Erzielung eines langfristigen Wirtschaftswachstums stellt seit dem Ende des zweiten Weltkrieges zweifellos eines der Hauptziele der Wirtschaftspolitik dar. Unter Wirtschaftswachstum versteht man dabei das Wachstum der Produktion pro Kopf der Bevölkerung. Optimales wirtschaftliches Wachstum kann aber nur dann erreicht werden, wenn ein sinnvoller und rationeller Einsatz der Ressourcen zur Schaffung von Gütern und Dienstleistungen sowie zur Verstärkung der Kapitalbildung führt.

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Die Erzielung eines langfristigen Wirtschaftswachstums stellt seit dem Ende des zweiten Weltkrieges zweifellos eines der Hauptziele der Wirtschaftspolitik dar. Unter Wirtschaftswachstum versteht man dabei das Wachstum der Produktion pro Kopf der Bevölkerung. Optimales wirtschaftliches Wachstum kann aber nur dann erreicht werden, wenn ein sinnvoller und rationeller Einsatz der Ressourcen zur Schaffung von Gütern und Dienstleistungen sowie zur Verstärkung der Kapitalbildung führt.

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Die Zunahme der arbeitenden Bevölkerung ist ebenso wie der technische Fortschritt Ursache des wirtschaftlichen Wachstumsprozesses. Beide Faktoren haben die stetig steigende Kapitalausstattung einer gesamten Volkswirtschaft zur Voraussetzung. Der Einsatz von Kapital ist es nämlich, der erst die Anwendung technischer Neuerungen und die Verwendung zusätzlicher Arbeitskräfte im Produktionsprozeß ermöglicht. Die Ersparnisbildung, definiert als jener Teil der volkswirtschaftlichen Produktivkraft, der nicht unmittelbar dem Verbrauch dient, sondern den Kapitalgüterbestand der Volkswirtschaft erhöht, garantiert und bestimmt damit das Tempo des wirtschaftlichen Wachstums. Je größer der Kapitalstock eines Landes, desto rascher geht der Wachstumsprozeß vor sich und desto größer ist die gesamtwirtschaftliche Produktivität. Das Wachstum der Industrieländer ist unbestritten das Ergebnis einer intensiven Kapitalakkumulation und der hohen Investitionsraten. Wenn man nun etwa die durchschnittlichen Investitionen je Erwerbstätigen in Österreich (rund 23.400 Schilling) und in der BRD (rund 36.200 Schilling) für das vergangene Jahr vergleicht, so muß man feststellen, daß. alle Anstrengungen erforderlich sind, um eine weitere Ausweitung der Diekre-panz im Produktionsniveau und damit letztlich auch im Lebensstandard gegenüber anderen Ländern zu verhindern. Nach herrschender Wirtschaftsauffassung beruht der Zweck jedes Wirtschaften letztlich darin, menschliche Bedürfnisse zu befriedigen. Ein breit aufgefächerter Frodukhionsapparat, angefangen von der Infrastruktur bis zur In-vestitions- und Konsumgüterindustrie, ist dazu erforderlich. Allerdings darf die Verzweigung nicht ins Extrem getrieben und die Konsumgüterindustrie dadurch vernachlässigt werden. Unter „optimalen Wachstum“ ist daher ein gleichschrittiges Wachstum, eine Pro-duktiomsstelgerung unter Einhaltung von Nebenbedingungen (Geldwertstabilität, gerechte Einkommensverteilung usw.) zu verstehen. Im Modell einer vollbeschäftigten Wirtschaft muß jener Teil der Investitionen, der die freiwilligen Ersparnisse übersteigt, durch Zwangssparprozesse finanziert werden, so daß ex post das erforderliche Gleichgewicht von

Sparen und Investieren wieder gegeben ist. Dergestalt sieht die moderne Wachstums-theorie die Ersparnisbildung als den über das Ausmaß an Inflation letztlich entscheidenden Faktor an. Die freiwilligen Ersparnisse nehmen darüber hinaus aber gleichzeitig Einfluß auf die Einkommensverteilung, da die Nicht-unternehmer nach wie vor überwiegend in Nominalwerten, die der Geldwertverdünnung unterliegen, sparen.

Solange die Masse der Bevölkerung nicht in der Lage war, Geldvermögen zu bilden, machte eine kleine Schicht von Unternehmern den Spar- und Investitionsprozeß gewissermaßen unter sich aus. In dem Maße aber, in dem auf Grund des steigenden Volkseinkommens immer breiteren Bevölkerungskreisen die Bildung von Geldvermögen möglich wurde, stieg auch die Bedeutung dieser Mittel als Finanzierungsgrundlage für Investitionen. In der heutigen Zeit ist die Geldkapitalbildung der privaten Haushalte, die damit einen ganz wesentlichen Beitrag zur Erzielung eines Zuwachses an Produktivvermögen leisten, im Rahmen der gesamten Kapitalaufbringung nicht mehr wegzudenken. Gleichlaufend mit dieser Entwicklung wurden die Kreditinstitute immer mehr in den Investitionsprozeß eingeschaltet, ihre Funktion als Kapitalsammelstelle und als Financier der betrieblichen Investition nahm stetig zu. Im besonderen die Sparkassen sind damit ein beredter Ausdruck der Entwicklung der Einkommensverhältnisse, ja der sozialen Entwicklung der letzten 100 Jahre überhaupt.

Unsere Thesen über Ersparnisbildung und Wirtschaftswachstum dürfen sich nicht darauf beschränken — bei voller Wahrung des Prinzips der freien Konsumentscheddung der Einkommensempfänger —, ausschließlich auf einen mengenmäßigen Zuwachs des privaten Konsums ausgerichtet zu sein, sondern darüber hinaus ist auch das Wie und das Wann der Bedürfnisbefriedigung ins Auge zu fassen. Mit anderen Worten, eine ausschließlich quantitative Sicht der Konsumationskapazität reicht nicht aus, es muß auch auf die qualitative Zusammensetzung des Güter- und Leistungsangebotes Rücksicht genommen werden, weil steigender Lebensstandard nicht allein am Umsatz, sondern — je höher das Niveau steigt um so mehr — auch an der über den Sofortverbrauch hinaus verbleibenden Substanz, mit anderen Worten: am Nettovermögen der privaten Haushalte zu messen ist. In diesem Zusammenhang stellt die Erspar-nistoildiung eine bedeutsame positive Komponente dar, da sie zu einer Umschichtung zugunsten höherwertiger Güter der Bedürfnisskala und damit letzten Endes zu einer Vermehrung des Volksvermögens führt. Der Sparer wird schon aus psychologischen Gründen dazu verleitet sein, seine Ersparnisse sinnvoll zu verwerten statt sie zu „verkitschen“. Welch bedeutenden Einfluß die qualitative Zusammensetzung des Güter- und Leistungsvolumens auf das Wirtschaftswachstum und den Lebensstandard ausübt, geht überaus eindrucksvoll aus dem drastischen Beispiel der Kriegswirtschaft hervor. Es handelt sich dabei in der Regel um eine auf Hochtouren arbeitende Wirtschaft, nur dient die Produktion nicht der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse, sondern wird dm wahrsten Sinne des Wortes „verpulvert“; im Grunde genommen liegt also, von der wirtschaftlichen Warte aus betrachtet, eine gigantische Fehlinvestition vor.

In Einklang mit den realen Gegebenheiten und mit den herrschenden Theorien gelangt man nach all dem zum Ergebnis, daß die Er-sparmdsbildung die wichtigste Voraussetzung eines gleidigewichtigen, störungsfreien Wirtschaftswachstums darstellt. Der Spartätigkeit der privaten Haushalte kommt dabei besondere Bedeutung zu, da im Zuge des ständig steigenden Einkommensniveaus immer breitere Bevölkerungskreise in die sparfähigen Schichten hineinwachsen. Eine rein quantitative Betrachtung wäre in diesem Zusammenhang unzureichend, da die qualitative Strukturiierung des Güter- und Leistungsvolumens letzten Endes über den Lebensstandard entscheidet.

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