"Ein Kampf"um die Herzen der Menschen"

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Der neue Entwurf zum SPÖ-Wirtschaftsprogramm "ist ein Kampf um die Herzen der Menschen", meinte Budgetsprecher Christoph Matznetter. Und solle "von allem für alle mehr" bringen. Ein ehrgeiziges Ziel.

Viel mehr als Schlagworte und eine Richtung sind dem Entwurf allerdings noch nicht zu entnehmen. Eine "sozial-innovative Wettbewerbswirtschaft" wollen die Sozialdemokraten, um "Österreich unter die Top-Fünf der Industrienationen zu bringen". Dazu seien "faire Spielregeln für den Wettbewerb, eine funktionierende Infrastruktur, Investitionen in die Ressource Mensch und der Ausbau des Sozial- und Wohlfahrtsstaates" notwendig.

Aber sogar diese ungenauen Angaben waren offenbar schon zu viel, denn parteiin- und -extern war der Aufruhr groß. So groß, dass die SPÖ es vorgezogen hat, die Informationen zum Entwurf nicht mehr auf ihrer Homepage zur Verfügung zu stellen. Und weder Parteichef Alfred Gusenbauer noch Budgetsprecher Christoph Matznetter waren für die Furche erreichbar.

Mehr Vermögenssteuer

Kernstück des Programmes ist jedenfalls eine Veränderung des Steuersystems: Während die Steuerreform der Regierung vor allem für die Unternehmen eine geringere Besteuerung vorsieht, um den Wirtschaftsstandort zu sichern und attraktiver zu machen, wollen die Sozialdemokraten eine Abkehr vom "Steuerdumping" und den "Steuergeschenken an die Unternehmer" und dafür den Faktor Arbeit im Zuge von Lohn- und Einkommenssteuersenkungen entlasten, um Arbeitsplätze zu schaffen, den Konsum anzukurbeln und den Standort Österreich attraktiv zu machen. Im Gegenzug sollen die Steuern auf Vermögen erhöht werden. Die SPÖ führt ins Treffen, dass in der EU Steuerbelastung von Arbeitseinkommen deutlich niedriger, die Vermögensbesteuerung dagegen deutlich höher sei. Tatsächlich betrugen die Einnahmen aus Vermögenssteuern im Jahr 2001 laut OECD-Berechnungen nur 1,3 Prozent der gesamten Steuereinnahmen, im EU-Durchschnitt aber 4,9 Prozent. Um wieviel die Vermögenssteuer erhöht werden soll, steht aber ebensowenig fest wie der Prozentsatz, um den die Belastung der Arbeitnehmer gesenkt werden soll. Nur soviel: Während laut SPÖ durch die aktuelle Steuerreform der Regierung vor allem die Unternehmer durch die Senkung der Körperschaftssteuer auf 25 Prozent und durch die Gruppenbesteuerung profitieren, sollen laut neuem Programm, das voraussichtlich auf dem Parteitag Ende November endgültig beschlossen wird, die Arbeitnehmer die Profiteure sein. Denn Unternehmen mit viel Gewinn, aber wenig Arbeitsplätzen, sollen mehr Steuern zahlen als solche mit weniger Gewinnen, dafür aber mehr Mitarbeitern. Arbeitsplatzbeschaffung also. Nach Bekanntwerden des Papiers beeilte sich jedoch Gusenbauer zu beteuern, eine Steuererhöhung werde es insgesamt nicht geben. Ebensowenig wie eine neue Schuldenpolitik.

Trotzdem soll der Sozialstaat ausgebaut und verstärkt über das Budget finanziert werden. Zum Ausgleich kann sich Matznetter eine Erhöhung der Höchstbemessungsgrundlage der Sozialversicherungsbeiträge vorstellen, auch ein völliger Wegfall der Begrenzung wurde SPÖ-intern schon angedacht. Auch Einkünfte aus Vermögen, etwa Verpachtung und Vermietung, sollen in die Bemessungsgrundlage einfließen.

Privatisierungsstopp

Wichtig ist der SPÖ auch, dass der Staat in Schlüsselindustrien, Infrastruktur und Daseinsvorsorge Kernaktionär bleibt. Derzeit tritt die Partei vehement dafür ein, einen Verkauf der VA Tech zu verhindern und ortet in der Einigkeit mit der ÖVP schon einen Wechsel des derzeitigen Privatisierungskurses. Diese erteilen einer angeblichen Annäherung jedoch eine deutliche Abfuhr: ÖVP-Klubchef Wilhelm Molterer (Interview siehe Seite 3) will eine solche nämlich gar nicht sehen: Vielmehr handle es sich um unterschiedliche Ziele, die derzeit eben kurzfristig durch die selbe Forderung erreichbar seien. Denn wenn die drei Ziele der Regierung, nämlich die Verhinderung der Unternehmenszerschlagung, die Beibehaltung eines österreichischen Kernaktionärs und die Sicherung des Standortes, erreicht seien, trete die ÖVP nach wie vor dafür ein, dass sich die ÖIAG aus der Eigentümerstruktur des Unternehmens zurückziehen solle.

Abgesehen von den ÖIAG-Beteiligungen will sich die SPÖ künftig auch um die Klein- und Mittelbetriebe kümmern, kündigte Matznetter an. Er räumte ein, dass die SPÖ in der Vergangenheit den Kleinunternehmer oft als "letzten Kapitalisten" gesehen habe. Heute müsse man sehen, dass vor allem Klein- und Mittelunternehmer Schutz benötigen, "in Zeiten, wo Einkäufer darüber entscheiden, ob jemand liefern und damit überhaupt existieren darf". Ganz ernst genommen wird dieses Ansinnen jedoch beispielsweise von Wilhelm Molterer nicht. "Dazu muss man wissen, dass kommendes Jahr Wirtschaftskammer-Wahlen sind, dann ist klar, warum sich die SPÖ plötzlich um die KMU kümmern will", meinte er gegenüber der Furche.

Viele Lorbeeren konnte sich Matznetter mit dem Entwurf bisher ohnehin nicht verdienen. ÖVP-Generalsekretär Reinhold Lopatka beschied der Oppositionspartei "vehemente Realitätsverweigerung, mit der die SPÖ immer wieder in Wirtschaftsfragen vorgeht". Und via Aussendung äzte er sogar: "Die Fundis (...) werden ihre marxistischen Geister, die sie gerufen haben, nicht mehr los." Wirtschaftsbund-Generalsekretär Karl-Heinz Kopf sprach dagegen - nicht ganz so polemisch - von einer "Kampfansage an die mittelständische Wirtschaft und den Standort Österreich". Aber auch innerhalb der SPÖ hagelte es Kritik am Entwurf. Parteichef Alfred Gusenbauer selbst relativierte, es handle sich ja nur um einen "ersten Entwurf", eine Diskussionsgrundlage, die noch gar nichts zu sagen habe. Hannes Androsch, Ex-Finanzminister und -Vizekanzler, sieht "nur Überschriften", in die er nicht hineininterpretieren könne, "was die vielleicht meinen". Und Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller (SPÖ) favorisiert zwar auch "mehr Steuergerechtigkeit", hätte sich aber doch "eine Koordination" im Vorfeld gewünscht und hofft, dass man das "wieder reparieren kann".

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