Wirtschaftspolitik: top oder flop?

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Eine Wirtschaftspolitik, zwei Zugänge: Der Vorstandsvorsitzende des Ziegelherstellers Wienerberger, Wolfgang Reithofer, und der Budgetsprecher der Sozialdemokraten, Christoph Matznetter, sehen die vergangene Legislaturperiode von zwei völlig unterschiedlichen Standpunkten.

Einige großartige Dinge seien der österreichischen Wirtschaftspolitik zu verdanken, sagt Wienerberger-Chef wolfgang reithofer.

Die Furche: Blicken Sie zurück auf die ausklingende Legislaturperiode - was hat sie dem Wirtschaftsstandort Österreich gebracht?

Wolfgang Reithofer: Das wichtigste ist der Beginn einer Pensionsreform. Das zweite ist die Senkung der Körperschaftssteuer (KöSt, Anm.) auf 25 Prozent, die es für ausländische Unternehmen attraktiv macht, sich in Österreich anzusiedeln. Das sind sicher die Hauptpunkte. Auch die Gruppenbesteuerung (mit der Verluste ausländischer Tochterfirmen mit Gewinnen in Österreich gegenverrechnet werden können, Anm.).

Die Furche: Und welche Versäumnisse sehen Sie?

Reithofer: Bei der Verwaltungsreform ist nichts geschehen. Die hat, wie die Pensionsreform, zwar nicht direkt mit dem Wirtschaftsstandort zu tun,aber es geht darum, Einsparungen zu erzielen, um die Manövriermassse für andere Bereiche zu erhöhen und Projekte durchführen zu können.

Die Furche: Wie beurteilen Sie die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Österreich?

Reithofer: Als sehr hoch. Das macht die kulturelle, historische und geographische Nähe zu den Wettbewerbsländern aus, das ist eine absolute Stärke Österreichs.

Die Furche: Österreich ist also tatsächlich der ideale Standort für Wienerberger?

Reithofer: Das wurde nie in Zweifel gezogen ...

Die Furche: ... und wird sich auch künftig nicht ändern?

Reithofer: Wir haben es nicht vor.

Die Furche: Sie sehen im internationalen Standortwettbewerb keine Gefahr für die österreichische Wirtschaft?

Reithofer: Das Kapital wird ohnehin den Weg in andere Länder gehen. Mit oder ohne Blockade durch die Wirtschaftspolitik. Und natürlich steht auch der Standort im Wettbewerb. Wir dürfen nicht glauben, dass wir in einer heilen Welt leben und Dinge auf ewig einzementiert sind. Es ist permanent notwendig, sich um eine Verbesserung zu bemühen. Zu sagen, in irgendwelchen Wertungen seien wir ganz toll, ist im Prinzip ja nur der Blick auf die Vergangenheit.

Die Furche: Welche Faktoren sind dabei ausschlaggebend?

Reithofer: Die Steuerhöhe ist sicher ein wichtiger Aspekt, aber nicht der einzige. Dazu zählen die Lebensbedingungen, die Qualifizierung der Menschen, der Umgang miteinander, Infrastruktur, Verwaltung.

Die Furche: Auch wenn Sie selbst nicht davon betroffen sind: Tut die Politik für Klein-und Mittelbetriebe genug? KöSt und Gruppenbesteuerung kommt ja vor allem Konzernen zugute.

Reithofer: Sie werden in Summe von der Politik nicht vernachlässigt. Aber kmus sind das Rückgrat einer Volkswirtschaft, sie müssen also entsprechend gefördert werden. Nicht nach dem Gießkannenprinzip. Aber man muss konzentriert die Möglichkeiten von kmu verbessern. Da geht es um eine bessere Eigenkapitalausstattung und steuerliche Anreize. Aber auch um sehr viel Aufklärungsarbeit - den kmus zu erklären, welche Chancen sie haben, im Ausland tätig zu sein.

Die Furche: Im Vorjahr gab es aber gerade unter den kmu eine Rekordzahl an Firmenpleiten, die Arbeitslosigkeit ist ebenfalls sehr hoch. Hat da nicht die Wirtschaftspolitik doch versagt?

Reithofer: Natürlich neigt man dazu, diese Tatsachen schnell der Wirtschaftspolitik in die Schuhe zu schieben. Tatsache ist aber, dass das Beschäftigungsproblem ein europaweites ist. Es fängt damit an, dass jeder Kunde ja letztlich die Unternehmen zu wirtschaftlichem Denken zwingt. Jeder greift im Supermarkt zu den billigsten Produkten. Das führt natürlich dazu, dass die Unternehmen bestrebt sind, möglichst wirtschaftlich zu agieren. Und das heißt eben, alle Chancen, günstiger zu werden, zu nutzen. Und heißt damit automatisch Druck auf Arbeitsplätze.

Die Furche: Teilen Sie die Forderung nach einer Arbeitszeitverlängerung, die der Präsidenten der Industriellenvereinigung, Veit Sorger, verlangt?

Reithofer: Das Thema war nicht Arbeitszeitverlängerung. So ist es rübergekommen, aber im Prinzip geht es um stärkere Flexibilisierung der Arbeitszeit. Es kann schon sinnvoll sein, in manchen Branchen vorübergehend länger zu arbeiten. Aber auf Dauer ist es sicher keine Lösung des Beschäftigungsproblems.

Die Furche: Wie stehen Sie zu den Lohnnebenkosten? Wäre deren Senkung, wie häufig gefordert, eher eine Lösung?

Reithofer: Die paar Prozent machen es nicht aus. Natürlich sind die Lohnkosten hoch. Wir befinden uns nun einmal in einem sehr starken wirtschaftlichen Umfeld. Damit müssen wir leben. Ich sehe das nicht als Problem. Es gibt daher wichtigere Themen als eine Senkung, auch auf die Gefahr hin, dass ich mir mit dieser Aussage nicht unbedingt Freunde mache.

Die Furche: Im Herbst wird gewählt. Welchen Wahlausgang wünschen Sie sich für einen starken Wirtschaftsstandort?

Reithofer: Die Frage ist unfair. Aber lassen Sie es mich so sagen: Wir haben außer der övp keine große Partei, die in der Lage ist, die Probleme zu bewältigen. Aber Österreich braucht starke Parteien, und es ist immer schlecht, wenn einer allein bestimmt. In einer demokratischen, pluralistischen Gesellschaft sollte die Zusammenarbeit im Mittelpunkt stehen. Das erscheint mir bei der derzeitigen Parteienlandschaft nicht ganz einfach.

Das Gespräch führte Claudia Feiertag

Propaganda, nichts als Propaganda ortet spö-Budgetsprecher christoph matznetter in der Wirtschaftspolitik der Regierung.

Die Furche: Blicken Sie zurück auf die ausklingende Legislaturperiode - was hat sie dem Wirtschaftsstandort Österreich gebracht?

Christoph Matznetter: Rekord-Arbeitslosigkeit und Jugendarbeitslosigkeit. Wir haben einen dramatischen Anstieg bei der Arbeitslosigkeit. Im Unterschied zu den meisten anderen eu-Staaten, wo die Arbeitslosigkeit gesunken ist. Besonders schlimm dabei ist die Jugendarbeitslosigkeit - ein Problem, das wir in Österreich über 30 Jahre nicht kannten. Auch beim Wirtschaftswachstum war Österreich im langjährigen Schnitt bis Ende der 90er Jahre immer unter den Top-Performern der westlichen Industriestaaten. Hier sind wir in die Mittelmäßigkeit verfallen.

Die Furche: Wie kommts?

Matznetter: Die inländische Massenkaufkraft hat trotz des - zwar geringen, aber immerhin vorhandenen - Wirtschaftswachstums stagniert. Bei den inländischen Investitionen der Privatwirtschaft liegen wir im unteren Drittel innerhalb der eu-15. Kein Wunder, denn die Regierung Schüssel hat alle steuerlichen Investitionsbegünstigungen für Unternehmen beseitigt. Und bei den öffentlichen Investitionen ist Österreich seit dem Amtsantritt Schüssels überhaupt Schlusslicht der eu. Dabei könnte die öffentliche Hand bei einer Staatsquote von bis zu 50 Prozent relevante Nachfrage erzeugen.

Die Furche: Sehen Sie irgendetwas Positives?

Matznetter: Die Exportwirtschaft läuft aufgrund der hervorragenden Qualität der Betriebe und der Qualifikationen der Beschäftigten hervorragend. Die Exporterfolge tragen auch trotz der genannten Schwächen unser Wirtschaftswachstum. Ich sehe allerdings düstere Wolken aufziehen. Denn der Schlüssel für hervorragende Qualität ist die Bildung. Wegen der hohen Qualifikation der Beschäftigten und trotz hoher Lohnkosten gelingt es den Betrieben, wettbewerbsfähig zu bleiben. Die aktuelle Bildungsmisere wird uns aber eines Tages auf den Kopf fallen. Im Bereich Forschung und Entwicklung ist mit steuerlichen Begünstigungen Positives gelungen. Aber auch dort ist eine düstere Wolke zu befürchten: Für einen langfristigen Erfolg ist Grundlagenforschung wichtig. Dazu müssen Universitäten florieren. Das tun sie aber leider nicht.

Die Furche: Wie beurteilen Sie die Konkurrenzfähigkeit des Wirtschaftsstandortes?

Matznetter: Wir haben eine hervorragende Ausgangslage durch jahrzehntelange, kontinuierliche Investitionen in Bildung, Infrastruktur, Forschung und Entwicklung. Heute zehren wir von diesem Erbe. Die Regierung Schüssel hat aber nicht einmal ein Mindestmaß an notwendigen Investitionen getätigt und verbraucht so das Erbe, das sie im Jahr 2000 übernommen hat. Österreich wird nie als Billiglohnland konkurrenzfähig sein. Was wir bieten können, ist hervorragende Qualität. Aber in diese muss man investieren. Wenn alles verscherbelt wird, was nicht niet-und nagelfest ist, wird das nicht gehen.

Die Furche: Wie sehen Sie Körperschaftssteuer-Senkung und Gruppenbesteuerung?

Matznetter: Die Senkung der KöSt ist eine Förderung für Konzerne und allen voran für die internationalen Investmentgesellschaften und Finanzmärkte. Und mit der Gruppenbesteuerung werden zusätzlich noch Verlustbetriebe im Ausland mit österreichischem Steuergeld subventioniert, während steuerliche Begünstigungen für Investitionen in Österreich gestrichen wurden. Gleichzeitig hat die Steuerbelastung für Klein-und Mittelbetriebe sowie auf Löhne und Gehälter im Verhältnis zum Anteil am bip weiter zugenommen.Die, die Milliardengewinne einstecken, wurden also begünstigt, während die arbeitenden Menschen und die Kleinbetriebe nur belastet wurden. Die unselbständig Beschäftigen haben heute viel weniger in der Brieftasche. Jetzt muss Schluss sein: Es ist Zeit zu teilen. Die internationalen Finanzinvestoren werden ihre Gewinne nicht mehr fast steuerfrei haben können, sondern werden ihren Anteil zahlen müssen, damit die Lebenssituation der Menschen und der Klein-und Mittelbetriebe, die Arbeitsplätze schaffen, besser wird. Der Faktor Arbeit muss endlich entlastet werden. Wir sind Weltrekordhalter bei der Belastung der Arbeit. Das ist eine Bestrafung derer, die die Volkswirtschaft am Leben erhalten.

Die Furche: Sie sagen, Sie wollen die Klein-und Mittelbetriebe fördern. Jetzt hat die Regierung ja ein kmu-Paket beschlossen, um genau das zu tun.

Matznetter: Dieses Mini-Paket ist nichts anderes als ein Wahlzuckerl. Schüssel und Grasser haben den Betrieben die Investitionszuwachsprämie gestrichen, sodass die letzte angeblich größte Steuerreform nichts als eine Steuererhöhung wurde für die Klein-und Mittelbetriebe. Und jetzt werden von den Regierungsparteien Maßnahmen für die Klein-und Mittebetriebe beschlossen, die nicht einmal eine allgemeine Investitionsbegünstigung beinhalten. Das ist ein Witz. Statt dessen wird eine Steuerbegünstigung für Einnahmen-Ausgaben-Rechner auf nicht entnommene Gewinne eingeführt. Die Begünstigung wird aber ohnehin nur bei hohen Gewinnen schlagend, weil die Betriebe im Normalfall von ihrem Gewinn leben müssen. Letztlich fördert diese Maßnahme einige gut verdienende Freiberufler und ein paar super verdienende Einzelne. Das ist inakzeptabel.

Das Gespräch führte Claudia Feiertag

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