"Im Wettbewerb der BEGABUNG"

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Christoph Leitl ist seit dem Jahr 2000 Präsident der Wirtschaftskammer Österreich. Im FURCHE-Interview zum Auftakt der Serie "Arbeitswelten der Zukunft" stellt er sich der Kritik an der Steuerreform, fordert weitere Maßnahmen, etwa eine automatische Ausgabenbremse und spricht über ein mögliches Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone.

DIE FURCHE: Trotz Steuerreform und Umverteilung kritisiert die OECD noch immer die viel zu hohe Belastung der österreichischen Wirtschaft durch den Faktor Arbeit. Haben da die Verhandler der Steuerreform versagt? Christoph Leitl: Das Ziel der Reform war eine Entlastung durch eine Progression der Steuerstufen. Natürlich, die Abgaben auf Arbeit sind wesentlich zu hoch und da müsste man sich überlegen, in welche Richtung man den Faktor Arbeit entlastet. Ein Prozent Lohnnebenkosten entspricht einer Milliarde Euro. Das heißt, wenn ich die Lohnnebenkosten um 10 Prozent senke, brauche ich ein Volumen von 10 Milliarden Euro. Aber wo nehme ich das her?

DIE FURCHE: Gibt es da keine Vorschläge?

Leitl: Über Wertschöpfungsabgabe und Maschinensteuer wird von Arbeitnehmerseite geredet, wir lehnen das ab. Wir brauchen vor allem eine Ausgabendämpfung, etwa durch Reformen in der Pensionsversicherung. Die Auswirkung einer wettbewerbsneutralen Ressourcensteuer könnte man prüfen.

DIE FURCHE: Generell mehrt sich der Unmut der Unternehmer, durch einzelne Teile der Steuerreform und nachgeordnete Maßnahmen die eigentlichen Opfer der Steuerreform zu sein. Hat man da von Seiten der Wirtschaftskammer vorschnell zugestimmt?

Leitl: Die Wirtschaftskammer hat vier konkrete Bedingungen aufgestellt für die Zustimmung. In drei der vier Punkte hat man substanzielle Fortschritte erzielt. Zum Beispiel bei der Betriebsübergabe und der Grunderwerbssteuer. Bei der Kontoöffnung haben wir eine gerichtliche Begutachtung verlangt. Noch offen ist die Frage Registrierkasse. Ich bin sehr für Betrugsbekämpfung, aber ich möchte die großen Fische fangen und nicht die kleinen Fische schuppen.

DIE FURCHE: Wie wollen Sie den Unternehmern den Unmut nehmen?

Leitl: Indem ich konkrete Verbesserungen mache, die andere Länder schon zusammengebracht haben: In Deutschland die flexible Arbeitszeit, in Schweden ein Pensionssystem mit Wahlfreiheit und echten Zu-und Abschlägen als Anreiz, in der Schweiz die automatische Ausgabenbremse, wenn die Einnahmen nicht stimmen.

DIE FURCHE: Österreichs Wirtschaft lebt vom Konsum und vom Export aber gerade die Investitionen der Unternehmen sind rückläufig, wie kann man da Maßnahmen setzen, um das wieder anzukurbeln?

Leitl: In erster Linie dadurch, dass man jetzt eine auf ein Jahr befristet Investitionszuwachsprämie gibt: Wer mehr investiert als im Durchschnitt der letzten drei Jahren, bekommt eine Prämie. Eine Prämie von zehn Prozent ist ein schöner Anreiz für Betriebe.

DIE FURCHE: Ein Großteil der Unternehmer sind Klein-und Mittelbetriebe, Einpersonenunternehmen klagen nach wie vor wegen der Sozialabgaben und der zum Teil sehr rigiden Eintreibung von Rückständen seitens der Sozialversicherung. Gibt es da eine Form der besseren Behandlung von Unternehmern oder behördlicher Nachsicht?

Leitl: Selbstverständlich, wir haben gerade in den letzten Jahren für die Einpersonenunternehmen und Kleinbetriebe so viel zustande gebracht wie in den 30 Jahren zuvor nicht und wir senken jetzt gerade im Zuge dieser Steuerreform die Mindestbeitragsgrundlage deutlich ab.

DIE FURCHE: Von Österreich ausgehend entstehen immer mehr Unternehmen, die nach dem Prinzip der Gemeinwohlökonomie handeln. Die Wirtschaftskammer sieht darin eine Begrenzung der Freiheit des Einzelnen. Sind steuerliche Begünstigungen für solche Unternehmen ausgeschlossen?

Leitl: Jedes Unternehmen hat eine soziale Funktion, nämlich die der Ausbildung, der Weiterbildung, der Beschäftigung und des Steuerzahlens. Damit ist jedes Unternehmen auch dem Gemeinwohl verpflichtet. Daher sehe ich keinen Grund, irgendwelche spezifischen Förderungen zu machen.

DIE FURCHE: Also auch nicht, wenn Betriebskindergärten vorhanden sind und Reinvestitionen in die Wirtschaft getätigt werden?

Leitl: Bei den Investitionen bin ich für die zeitliche Investitionsprämie. Wenn Unternehmen Kindergärten betreiben, machen sie das um ein attraktiver Arbeitgeber zu sein, also durchaus im eigenen Interesse.

DIE FURCHE: Wie sehr beeinträchtigt denn die Ukrainekrise noch die österreichische Exportwirtschaft?

Leitl: In absoluten Zahlen nicht sehr, weil das Volumen vergleichsweise gering ist. Aber es ergibt sich insgesamt eine Verunsicherung und man darf auch die Tatsache nicht übersehen, dass Russland seine Tore, wenn sie nach Europa zugeschlagen werden, nach China öffnet. Das kann langfristig nie und nimmer in unserem Interesse sein.

DIE FURCHE: Der zweite Krisenherd ist Griechenland. Was wäre ihre Vorgangsweise?

Leitl: Solidarität mit Griechenland, aber Solidarität bedingt auch, dass sich alle an gemeinsame Spielregeln halten. Solidarität einzufordern, aber die Einhaltung der Spielregeln abzulehnen, kann auf die Dauer nicht gut gehen.

DIE FURCHE: Sollte es zum Grexit kommen, welche Folgen erwarten Sie für die Wirtschaft generell und welche für Österreich?

Leitl: Ich wünsche mir den Grexit nicht, weil es zu einer hohen Verunsicherung kommen könnte. Aber ich schließe ihn auch nicht völlig aus. Die Unternehmen, die in Griechenland tätig sind, wissen, dass eine solche Gefahr besteht und werden sich rechtzeitig durch geeignete Maßnahmen dagegen absichern.

DIE FURCHE: Vergangenes Jahr freuten Sie sich über die europaweite Anerkennung des dualen Ausbildungssystems. Gibt es Länder, die das System tatsächlich kopiert haben?

Leitl: Ich wünsch mir gar nicht, dass ein System kopiert wird. Man sollte den wesentlichen Kern des österreichischen Erfolgs erfassen. Der besteht darin, dass ich schulische und berufliche Ausbildung miteinander verbinde und die Menschen so in die Betriebe hineinwachsen. Dort wo die duale Ausbildung funktioniert, gibt es eine deutlich geringere Jugendarbeitslosigkeit. Länder wie Spanien und Frankreich zeigen großes Interesse an diesem System und dort gibt es auch schon Ansätze der Umsetzung.

DIE FURCHE: Die Arbeitswelt entwickelt sich sprunghaft Richtung Digitalisierung und Globalisierung. Wie können sich vor allem KMUs am besten darauf einstellen?

Leitl: Indem sie die Chancen sehen, die in dieser Entwicklung liegen. Österreich und Europa können keinen Kostenwettbewerb gewinnen. Die Asiaten haben Lohnkosten von einem Prozent des österreichischen Niveaus, die Amerikaner haben Energiekosten von einem Drittel des europäischen Niveaus. Daher müssen wir einen Innovations-,einen Begabungswettbewerb gewinnen -da hilft die Digitalisierung. Mit der Telefit-Roadshow beispielsweise informieren wir als Wirtschaftskammer unsere Mitgliedsbetriebe über alle möglichen Aspekte der digitalen Wirtschaft. Denn wer in diesem Wettbewerb schneller ist, der ist deutlich im Vorteil.

Diese Seite entstand in Kooperation mit der Wirtschaftskammer Österreich.

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