Unternehmer in 15 Minuten

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Eine Umfrage zeigt: Die Österreicher haben keine große Lust, sich selbstständig zu machen. Dabei scheinen aber die bürokratischen Hürden, von denen immer die Rede ist, der Vergangenheit anzugehören.

Überzogene Sozialniveaus reizen in einem Land wie Österreich, in dem ein Viertel der unselbstständig Erwerbstätigen im sicheren Hafen pragmatisierter Dienstverhältnisse dahindümpelt, kaum, unternehmerisch zu handeln", unkte jüngst der Österreichische Gewerbeverein in einer Aussendung. Anlass für die harten Worte war eine Eurostat-Umfrage, die den Österreichern hohes Desinteresse an beruflicher Selbstständigkeit attestiert. Denn nur 37 Prozent der befragten Österreicher wären lieber ihre eigenen Chefs. In ganz Europa sind es 45, in den usa sogar 61 Prozent. Für Europäer ist dabei das fixe Einkommen doppelt so häufig der Grund, den Schritt ins Unternehmertum abzulehnen wie für Amerikaner. 62 Prozent der Österreicher lassen sich von den Risiken der Selbstständigkeit abhalten, aber nur 33 Prozent der Amerikaner. Als weitere Hemmnisse werden hierzulande finanzielle und administrative Hürden angegeben.

Rund acht Prozent der österreichischen Beschäftigten sind selbstständig. Dass eine höhere Quote wünschenswert wäre, macht eine Studie der Universität Klagenfurt deutlich, in der die Beschäftigungseffekte von Unternehmensgründungen untersucht wurden. Demnach schafft eine neu gegründete Firma im Durchschnitt drei Arbeitsplätze. Dazu kommen noch weitere 3,8 Arbeitsplätze im vorgelagerten Bereich (also beispielsweise, weil für ein neu einzurichtendes Büro Computer, Möbel, Stromanschlüsse und ähnliches nötig sind) und durch die Erhöhung der Kaufkraft. Überhaupt leistet der Mittelstand den größten Teil der Arbeitsplatzsicherung: 65 Prozent der unselbstständig Beschäftigten in Österreich arbeiten in einem Klein- oder Mittelbetrieb.

Was aber hemmt die Unternehmungslust der Österreicher? Der in der eu-Kommission für Unternehmen zuständige stellvertretende Generaldirektor, Heinz Zourek, gibt den fehlenden Finanzierungsmöglichkeiten, aber auch dem ausgeprägten Wohlfahrtsstaat die Schuld. Je höher die Ansprüche der Angestellten seien, desto weniger attraktiv sei die berufliche Selbstständigkeit. Ein Zusammenhang, den Michael Peneder vom Wirtschaftsforschungsinstitut nicht unbedingt sieht. "Das ist zu einfach. Nur weil zwei Faktoren - die soziale Sicherheit und die geringe Gründungsneigung - nebeneinander bestehen, ist nicht gesagt, dass es auch einen Kausalzusammenhang gibt." Allerdings sei in Staaten mit wenig ausgeprägter sozialer Sicherung die Rate derer, die mangels anderer Möglichkeiten in die Selbstständigkeit gezwungen werden, hoch. In Österreich wiederum hätten selbstständig denkende Menschen auch in großen Unternehmen gute Karrierechancen, was die Rate an Selbstständigen verringere.

Kaum Kapital ohne Kredit

Was die Finanzierungsprobleme angeht, pflichtet er dagegen Zourek bei. Während hierzulande fast nur teure Bankenfinanzierung in Frage kommt, ist es in den usa lange Tradition, dass sich Außenstehende mit ihrem Kapital direkt an neu gegründeten Firmen beteiligen. "In Österreich funktioniert die Finanzierung einer Unternehmensgründung dagegen hauptsächlich über Kredite, was für die Übernahme von Risiken natürlich nicht förderlich ist."

Und die bürokratischen Hindernisse, von denen vielfach die Rede ist? "Ein Unternehmen ist in 15 Minuten gegründet. Nirgendwo sonst geht das so schnell", versichert Christian Wodon, Leiter des Gründerservices Wien, einer Anlaufstelle für sämtliche Fragen im Zusammenhang mit einer Unternehmensgründung. Die Beratung und die angebotenen Seminare sind kostenlos, ebenso wie bei den Gründerservices in den anderen Bundesländern. Dort erfährt man etwa, dass die Reform der Gewerbeordnung den meisten Gründern das Leben erleichtert hat: Für 720 der rund 800 Gewerbe genügt mittlerweile eine einfache Anmeldung ohne Befähigungsnachweis. "Kompliziertere Fälle gibt es natürlich, zum Beispiel, wenn eine Betriebsanlagengenehmigung nötig ist oder wenn der Gründer kein ewr-Bürger ist", schränkt Wodon ein. Aber auf das Gros der Gründer trifft das nicht zu. Wenn sie erst einmal die notwendigen Informationen haben, ist die Gründung selbst per Internet, die Meldung bei der Sozialversicherung per Brief rasch erledigt.

Auch Hermann Frank vom Institut für Klein- und Mittelbetriebe der Wirtschaftsuniversität Wien (wu) sieht in der Bürokratie kaum Schwierigkeiten, und auch die Finanzierungsfrage sei nicht das Haupthemmnis. "Das Unternehmertum muss einfach mehr in die Köpfe", betont er. Dazu wäre in der Bildungspolitik noch ein großes Potenzial an Maßnahmen auszuschöpfen. So fordere auch die eu, schon ab der Volksschule für die Selbstständigkeit wichtige Eigenschaften wie Eigeninitiative, Innovationsgeist und Konfliktfähigkeit zu vermitteln. Eben dies geschehe aber in Österreich viel zu wenig. Allerdings gibt es erste Ansätze in die richtige Richtung, etwa das Projekte "Junior", bei dem im Unterricht ein reales Unternehmen gegründet und geführt wird. Und auch die fünf österreichischen Lehrstühle für Unternehmensgründungen deutet er als gutes Zeichen.

Mangelhaft sei in Österreich jedenfalls der Umgang mit dem Scheitern. Frank: "Wer in Amerika zwei Firmen in den Sand gesetzt und mit der dritten Gründung Erfolg hat, ist ein Held. Wer bei uns einmal scheitert, ist stigmatisiert." Kein Wunder also, dass in einer von ihm durchgeführten Studie zu hemmenden und fördernden Faktoren im Firmengründungsprozess rund die Hälfte der Befragten angab, sich im Rahmen der Gründung sehr intensiv mit einem möglichen Scheitern befasst zu haben. "Dabei ist die Überlebensrate neu gegründeter Firmen hierzulande im internationalen Vergleich sehr hoch." Tatsächlich existieren drei Jahre nach der Gründung noch 72 Prozent der neuen Firmen.

Wirtschaftskammerwahlen

Um die Sorgen der Kleinunternehmer dreht sich derzeit der Wahlkampf für die Wirtschaftskammerwahlen vom 12. bis 15. März. Der amtierende Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl will die soziale Absicherung für Unternehmer verbessern und Lohnnebenkoste senken. Sein SPÖ-Konkurrent Christoph Matznetter versucht, mit ähnlichen Schlagworten bei den Selbstständigen zu punkten: "Steuern senken, Kaufkraft heben, sozial absichern". Auch der Ring Freiheitlicher Wirtschaftstreibender will vor allem die steuerliche Entlastung des Mittelstandes, dazu kommt die Forderung nach einer Arbeitszeitflexibilisierung, und die Grüne Wirtschaft forcier Rahmenbedingungen, die den Selbstständigen "das Überleben sichern und ökologisches, Ressourcen schonendes und sozial verantwortliches Wirtschaften fördern".

Ob eine der Maßnahmen allerdings den Unternehmergeist stärkt, bleibt abzuwarten.

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