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Treffsicher? Keineswegs.
Faulbett oder Hilfe? Die finanzielle Unterstützung der arbeitslosen Menschen müßte gezielter eingesetzt werden.
Faulbett oder Hilfe? Die finanzielle Unterstützung der arbeitslosen Menschen müßte gezielter eingesetzt werden.
Anders als die große Arbeitslosigkeit der Zwischenkriegszeit ist heute nicht in erster Linie die Konjunkturentwicklung die Ursache. Vielmehr sind es vor allem tiefliegende Strukturprobleme, die das Bemühen um eine bessere Beschäftigungslage so erschweren.
In der Europäischen Union gibt es derzeit 16 Millionen Arbeitslose. Bei der Tagung des Europäischen Bates in Essen wurden, im Sinne des noch unter Jacques Delors ausgearbeiteten Weißbuches, mehrere Verkehrs- und Energiekonzepte als vorrangig eingestuft. Dazu zählt auch die Eisenbahnlinie Verona-Brenner-München, die freilich finanziell noch nicht endgültig gesichert ist. Darüber hinaus wurden Schwerpunktbereiche festgelegt: Investitionen im Bildungswesen, Maßnahmen gegen die Langzeit-Arbeitslosigkeit sowie gegen die Arbeitslosigkeit von Jugendlichen, Frauen und älteren Menschen.
Für unsere österreichischen Verhältnisse kommt noch ein besonderes Problem hinzu, nämlich das der Saisonarbeitslosigkeit. In der Bauwirtschaft und in den Fremdenverkehrsbetrieben ist es üblich geworden, Mitarbeiter zu Beginn der flauen Zeit zu kündigen, mit der Zusage, sie bei Saisonbeginn wieder einzustellen. So überwärzen Arbeitgeber die Lohnzahlungen in der Flaute auf die Arbeitslosenversicherung, also auf die öffentliche Hand. Selbst Wiener Hallenbänder haben sich dieser fragwürdigen Praxis schon angeschlossen.
Dem Übel wäre abzuhelfen, indem man endlich zur Durchrechnung auf Jahresarbeitszeiten überginge: Die Saisonbetriebe hätten dann das ganze Jahr hindurch Löhne zu zahlen, zugleich entfielen manche Überstundenzuschläge in der Hochsaison. Auch bestünde dann die Möglichkeit, Überstunden häufiger durch Zeitausgleich abzugelten, was auch von der Arbeiterkammer als sinnvoll angesehen wird.
Eine Neuregelung wird aberzieht ohne Opfer auch der Arbeitgeber zu erreichen sein. Das Problem der Saisonarbeitslosigkeit könnte auf diese Weise entschärft werden. Im Koalitionsabkommen der Begierungsparteien ist die Durchrechnung auf Jahresarbeitszeit jedenfalls in Aussicht genommen. Mehr Flexibilität in den Arbeitszeiten als Waffe im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit.
Weil die Ausbildung der Arbeitnehmer nicht mit der rasanten technischen Entwicklung der letzten Jahre Schritt gehalten hat, sind auch bessere Schulung und Weiterbildung notwendig. Darüber herrscht grundsätzliche Übereinstimmung bei den Sozialpartnern und auch in der Begierung, die im Arbeitsübereinkommen ausdrücklich eine Ausbildungsoffensive ankündigt.
Es gibt jedoch erhebliche Meinungsunterschiede über den Weg zu diesem Ziel. Arbeiterkammer-Präsidentin Eleonore Hostasch hat eine eigene Bildungswoche im Jahr auf
Kosten der Arbeitgeber vorgeschlagen. In der Wirtschaftskammer Osterreich steht man aber einer allgemeinen Freistellung für Bildungszwecke skeptisch gegenüber, denn das könnte praktisch auf eine zusätzliche Urlaubswoche hinauslaufen. Die Weiterbildung müsse jedenfalls Sache der Betriebe sein. Weil eine bessere Schulung auch dem Dienstnehmer zugute kommt, so ist hinzuzufügen, könnte von diesen ein zeitlicher Beitrag durchaus erwartet werden, was bei fünf Wochen Mindesturlaub wohl nicht zuviel verlangt wäre.
Aus- und Weiterbildung sind auch ein wesentliches Ziel der Arbeitsstiftung, die nach dem Muster der Stahlstiftung von 1987 jetzt bei den Spediteuren geplant ist. Dort werden aufgrund der EU-Zollfreiheit rund 3.000 der 14.000 Mitarbeiter in ihren bisherigen Tätigkeiten überflüssig. Ihre Umschulung soll teils eine höhere Qualifizierung in der eigenen Branche, teils die Verwendung in anderen Wirtschaftszweigen ermöglichen. Sonderregelungen sind für ältere Arbeitnehmer geplant, etwa durch Teilzeitarbeit. Wo all das nicht geht, soll für einen sozial verträglichen Abbau gesorgt werden.
Die Kosten dieser Arbeitsstiftung (rund 100 bis 150 Millionen Schilling) sollen zu 20 bis 30 Prozent von den Arbeitgebern und Arbeitnehmern gemeinsam aufgebracht werden, der Best zu gleichen Teilen von den Gebietskörperschaften (Gemeinden, Länder, Bund) und vom Europäischen Sozialfonds.
In Arbeitgeberkreisen wird bestätigt, daß der Arbeitsmarkt-Service jetzt viel selbständiger tätig ist als früher die dem Sozialministerium unmittelbar unterstellten Arbeitsämter. Man hat sogar den Eindruck, daß die Frage der Zumutbar-keit eines angebotenen Arbeitsplatzes jetzt stärker betont wird, auch wenn dies nicht genau zu ermessen ist. Daß zumutbare freie Stellen nicht angenommen werden, etwa mit dem Hinweis, sie würden schlechter bezahlt als der frühere Posten oder es könnte dann die Pension geringer ausfallen, ist aber nun für die Allgemeinheit nicht zumutbar. Das wochenlang in Auslagen angebrachte Schild „Verkäuferin gesucht” zeigt deutlich, daß die Dinge da nicht im Lot sind.
Der Chef der Billa-Gruppe berichtete, daß von 700 Angestellten der von ihm übernommenen Co-op-Lä-den nicht einmal zehn bereit waren, zu den bei ihm üblichen niedrigeren Löhnen zu arbeiten und stattdessen lieber die Arbeitslosenunterstützung kassierten.
Zwei besondere Sorgenkinder der Beschäftigungspolitik sind die älteren und die Langzeit-Arbeitslosen. Die Chance auf eine neue Beschäftigung ist in den ersten drei Monaten der Arbeitslosigkeit besonders groß, offenkundig wird die erste Zeit nicht immer effizient mit Suche und Bemühung ausgefüllt. In Industriekreisen wurde deshalb vorgeschlagen, die sogenannte Netto-Ersatz-quote nach zwei, spätestens drei Monaten zu senken. Von einer solchen degressiven Staffelung des Leistungssystem sollten jedoch ältere Arbeitskräfte und behinderte Menschen ausgenommen werden. Die Praxis, ältere Mitarbeiter zu kündigen und für sie die ein, zwei Jahre bis zur Pension einfach die Arbeitslosenversicherung aufkommen zu lassen, ist vielfach eingerissen. Auch da wird man sich eine vernünftigere Lösung einfallen lassen müssen.
Damit jenen geholfen werden kann, die wirklich Unterstützung brauchen, müssen die Hintertüren versperrt werden, durch die findige (und skrupellose) Mitbürger gehen, um mit dem Arbeitslosengeld und vielleicht mit etwas Pfusch immerhin zurechtzukommen. „Schon heute”, schrieb der deutsche CDU-Politiker Wolfgang Schäuble, „gibt es Menschen, deren Arbeitsmoral man nur bewundern kann, die noch immer ihrer Arbeit nachgehen, obwohl sie netto von der Sozialhilfe fast genau so viel bekommen würden, wenn sie es nur geschickt anstellten.” Und in die gleiche Kerbe schlug der frühere deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD), als er sagte: „Soziale Sicherung darf für die Erwerbsfähigen nicht einen Lebensstandard garantieren, der nahe an dem der tatsächlich Arbeitenden liegt;”
Diese Einsicht nicht nur im Kopf zu haben, sondern auch öffentlich zu äußern, stünde auch unseren österreichischen Politikern gut an.
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