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Leitl-Ziegel nur von , Angestellten' gemacht

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Den Unterschied zwischen „Sozialromantik“ und Maßnahmen, die die Belegschaft auch als freiwilige Leistungen des Betriebes empfindet, kennt er aus der Praxis: Dr. Christoph Leitl, heute Chef des zweitgrößten österreichischen Ziegel-Produktionsunternehmens, kann mit jahrelangen Erfahrungsdaten über die Beteiligung der Belegschaft am Firmenkapital aufwarten, aber auch über die Probleme, die auftreten, wenn man sämtliche Mitarbeiter mit einem Schlag zu „MitangesteU-ten“ befördert.

Im Hause Leitl in Oberösterreich geschah dies 1973, als noch der Seniorchef und geistige Vater der meisten sozialen Maßnahmen, die das Unternehmen heute prägen, Dipl.-Ing. Karl Leitl, in der Geschäftsführung tätig war. Damals glaubte man, mit der „Eliminierung“ des Arbeiterstandes eine Entwicklung vorwegzunehmen, die in absehbarer Zeit ohnedies gesetzlich verankert würde.

Die folgende schlechte Entwicklung der Konjunktur ließ dies jedoch nicht zu und schließlich wurde auch bei Leitl während der Rezession des Jahres 1975 die „Rücknahme dieses Schrittes offen diskutiert“. Ob Leitl diese Beförderungsaktion in der heutigen Zeit nochmals wagen würde? Diese Frage wolle er „sicher nicht mehr so positiv beantworten wie damals“, meint der Juniorchef.

Für den Betriebsratsobmann Kurt Huber ist die Frage nach dem reinen Angestelltenunternehmen aber zuerst eine prinzipieUe, geht es letztlich doch um die Beseitigung einer Art Beschäftigter zweiter Klasse. Daß die Sache aber auch große Schwierigkeiten für Leute bringen kann, die sich anderswo einen neuen Arbeitsplatz suchen, streitet er gar nicht ab. Sie müssen dann nicht selten zurück in den Arbeiterstand mit allen seinen Nachteilen, wie der zweiwöchigen Kündigungsfrist (der Angestellte beginnt in der Branche mit sechs Wochen).

Am schwersten wiegt in dieser Ge-genübersteUung Arbeiter-Angestellter jedoch die Abfertigung, die der gültige Kollektivvertrag mit einem Jahresgehalt bei den Angestellten und acht Wochenlöhnen (1973 waren es noch vier) bei den Arbeitern festlegt. Die Abfertigungszahlungen haben sich auch als der bei weitem teuerste Punkt der Beförderung herausgestellt und führten schließlich auch zur Diskussion um eine etwaige Rückkehr zur zweigeteilten Belegschaft, zu der es dann aber doch nicht gekommen ist. Einen kurzfristigen finanzieUen Vorteil brachte die Aktion aber auch dem Unternehmen; im Jahr 1973 mußten der Arbeiter und der Arbeitgeber jeweils 14 Prozent des Lohnes an die Sozialversicherung abführen; bei den Angestellten waren es hingegen nur zweimal zwölf Prozent. Mittlerweile wurden die Sätze der AngesteUten aber auf das

höhere Niveau der Arbeiter angehoben.

In der Bauhütte Leitl kann jeder Beschäftigte Geschäftsanteile erwerben, also selbst in die Funktion des Kapitalgebers schlüpfen. Tatsächlich steht aber hinter dieser Möglichkeit nicht die Absicht, jeden Unterschied zwischen Unternehmer und AngesteUtem langsam ganz zu beseitigen, sondern es geht in erster Linie um eine Art Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand. Was den kapitalmäßig beteiligten Leitl-Angestell-ten vom Unternehmer unterscheidet, ist der mangelnde Einfluß auf die Geschäftsführung.

Zwar hat die Leitl-Belegschaft im eigenen Haus sicherlich mehr mitzureden als in anderen Firmen üblich, aber nicht auf Grund allfälliger Beteiligungen am GeseUschaftskapital.

Wer einen Leitl-Kapitalanteil kaufen wiU, kann entweder gleich die Soll-Einlage von mindestens 30.000 Schilling einzahlen oder auf einem eigenen Privatkonto darauf sparen. Bei Uberschreiten der 30.000-Schil-ling-Grenze wird der Betrag automa-

tisch seinem Kaprtalkonto gutgebucht und er ist „atypischer stiller Gesellschafter“ der Firma. Genaugenommen ist er am 70prozentigen Firmenanteil des Seniorchefs unterbeteiligt. Eine andere Art der Beteiligung, die mit der Kapitaleinlage auch entsprechende Mitspracherechte untrennbar verknüpft hätte, hätte die Anteilseigner zu echten Mitunternehmern gemacht. Dann wären aber auch Gehälter und ausgeschüttete Gewinne der Gewerbesteuer unterzogen worden.

Der Hauptgrund für die Trennung von Kapital und Einfluß ist jedoch kein steuerlicher, sondern er liegt in der Leitl-Unternehmensphilosophie: Die Mitentscheidung im Unternehmen muß durch das Dienstverhältnis begründet sein und nicht durch die Zeichnung von Anteilen.

Heute ist man froh, diese Konstruktion gewählt zu haben, denn im Jahr 1975 sind Kündigungen in größerem Ausmaß notwendig geworden und in dieser Situation würde die Mitsprache von vielen Anteilseignern, die dann vor allem die eigene

Kündigung zu vereiteln suchen, automatisch zu einem Chaos führen.

Jene Mitarbeiter, die bereits im Jahr 1971 von der ersten Möglichkeit, Gesellschaftsanteile zu zeichnen, Gebrauch gemacht haben, konnten dabei durch die riesigen Firmengewinne viel Geld machen. Seit 1975 ist die Sache aber lang nicht mehr so lukrativ, so daß sich der Anteil des in Händen der Belegschaft befindlichen Firmenkapitals von ehemals 27 auf heute nur noch 20 Prozent verringerte.

Auf die Frage wie sozial das Unternehmen darüber hinaus sei, führt Leitl insbesondere finanzielle Zusatzleistungen an. So überweist die Firma einmal im Jahr mindestens ein halbes Prozent der Lohn- und Gehaltssumme (rund 50 Millionen Schilling) an den Betriebsratsfonds, der darüber nach Belieben verfügen kann. Ferner gewährt die Gesellschaft Geburtenbeihilfen von derzeit 2000 SchiUing, Heiratsgelder (ein Gehalt) sowie Krankenunterstützungen, im Prinzip nichts anderes als eine Verlängerung der staatlichen Entgeltfortzahlung bis zur betragsmäßigen Obergrenze von zwei Monatsgehältern.

Wer sich ein Eigenheim errichtet, bekommt nicht nur die Produkte des Hauses billiger, sondern kann auch kurze zinsenlose Darlehen von durchschnittlich 50.000 Schilling beanspruchen. Laut innerbetrieblicher Vereinbarung können Büdungsur-laube bis zu 14 Tagen im Jahr konsumiert werden. Daß jeder Angestellte alljährlich einen Auszug aus der Firmenbilanz zugesandt erhält, findet Christoph Leitl eigentlich selbstverständlich...

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