6639610-1957_37_11.jpg
Digital In Arbeit

Briefe AN DEN Herausgeber

Werbung
Werbung
Werbung

Fragen — und keine Antwort

Sehr geehrte Redaktion!

Ich bin ein aufmerksamer Leser der von Ihnen veröffentlichten „Briefe an. den Herausgeber”, und oft sind mir die hier geäußerten Anregungen und Beschwerden aus dew Herzen gesprochen. Aber ich vermisse oft die Antworte n jener Stellen, an die sich diese Briefe direkt oder indirekt wenden. Nur einige Beispiele: Wiener und österreichische Verkehrsprobleme (das häufige Verspäten unserer Züge), die Benachteiligung der Rentner durch gewisse Paragraphen, der bisher ergebnislose Kampf gegen den Lärm, die Nicht-Steuerfreiheit von Spenden für Kultui und Wissenschaft und vieles andere mehr. In der „Furche” vom 24. August begann Professor Alfons Etz seine interessanten Ausführungen mit den Worten: „Ich weiß nicht, cb unser verdienter Herr Finanzminister die Briefe an den Herausgeber der Furche liest. W ahrscheinlich lassen ihm die Amtsgeschäfte dazu keine Zeit ” Nun, der Herr Minister und andere hohe Beamte können nicht täglich sämtliche Zeitungen lesen, aber es gibt doch in allen größeren Dienststellen ein Pressereferat, und dessen Aufgabe wäre es, den betreffenden Ressortchef von allen wichtigen Anregungen, Anfragen und Beschwerden zu informieren uuä dafür zu sorgen, daß in kürzester Zeit eine Antwort erfolgt, und zwar womöglich in jenem Blatt, in dem das1 betreffende Problem behandelt wurde. Sonst nämlich, wenn sich die Behörden ausschweigen, hat der Leser und Staatsbürger den Eindruck, daß man nichts Stichhältiges zu erwidern weiß. Und das ist doch wohl nicht immer-der Fall?

Ing. 0. R., Wien II.

Auch dies ist keine Steuergerechtigkeit!

Sehr geschätzter Herr Herausgeber!

In Nr. 35 der „Furche” vom 31. August 1957 schrieb ein Herr Hans Treitler, Volksschuldirektor in Schönabrunn, einen Brief unter dieser Ueberschrift.

Darf ich mir nun erlauben, eine bezeichnende Parallele dazu einzusenden, mit der höflichen Bitte, diesen Zeilen ebenfalls Raum zu geben?

Ich bin Pensionist und habe mir im Hinblick auf die schon im Jahre 1947 erfolgte äußerst schwere Nachkriegserkrankung meiner armen Frau (Hilus- und Larynx-Tbc) eine Eigentumswohnung bei der OeVP kaufen müssen. Sechs Ansuchen an das Wohnungsamt der Stadt Wien (seit 1946), die mir mehr als 100 Schilling Stempelgebühren verursachten, wurden letzlich — obwohl das Kind gesundheitlich sehr gefährdet war — abschlägig beschieden. Zur selben Zeit erklärte der Vizebürgermeister Honay aus Anlaß der Tuberkulosesammlung im Radio Wien: „Wir haben diesen bedauernswert Erkrankten lichte, luftige und sonnige Wohnungen geschaffen und damit der Geißel der Menschheit, der Tuberkulose, die Härte genommen.” Zur gleichen Zeit wechselten hunderte Mandatare und Funktionäre der SPOe von einem Gemeindeneubau in den anderen, von einer kleinen Wohnung in eine größere Wohnung.

Ein Wohnungstausch meinerseits, von einer Zimmer-Küche-W ohnüng (23 Quadratmeter Bodenfläche) in eine Zimmer-Kabinett-Küche- Wohnung aber war einfach nicht möglich.

Ich habe mit Rücksicht auf die gesteigerten Lebenshaltungskosten jetzt (Eigentumswohnung, Ankauf, Neumöblierung der nun größeren Räume, erhöhter Mietzins, Uebersiedlungskosten, Investitionen für Bad, Küche, Vorzimmer usw.) mir als Pensionist eine kleine Nebenbeschäftigung als Maurer suchen müssen (300 Schilling Wochenverdienst netto), obwohl ich selbst sehr krank bin (Struma, beträchtliches Emphysem, Myokardschaden,’ dann schweres Nervenleiden usw.), und siehe da, schon trat das Steueramt auf den Plan.

Obwohl ich zwei Steuerkarten besitze, also das ganze Jahr über nach zwei Seiten hin Steuern und sonstige Abgaben entrichte, wurde ich zu Beginn des Jahres 1957 vom zuständigen Finanzamt Wien UI/Xl, Schlachthausgasse Nr. 54, aufgefordert, um einen „Jahresausgleich 1956” einzukommen.

Als ich endlich nach sieben Wochen, wobei ich sieben freie Samstage und mehr als 4 0 Schilling an Fahrspesen opferte, die Unterlagen für das Steueramt beisammen hatte, schien die Sache in Ordnung. Wie überrascht waren wir aber, als wenige Tage später eine Mitteilung des Finanzamtes einlangtc, wonach meine arme, schwergeprüfte Familie und ich innerhalb von fünf Wochen sage und schreibe 2053 Schilling, zusätzlich 47 Schilling Mahnspesen, also insgesamt 2100 Schilling Nachtragszahlung für nur neun Monate des Jahres 1956 leisten müssen.

„Sie müssen, widrigenfalls !”

Wo hat ein Pensionist die Tausender nur so liegen, um sie dem Finanzamt in den Rachen zu werfen?

„Vielleicht könnte durch die Veröffentlichung dieser Tatsache der Herr Finanzminister auf diese bestimmt ungerechtfertigte. Besteuerung aufmerksam gemacht werden, um hier eine Aenderung zu erwirken.”

Das schrieb in seinem Schlußsatz Herr Volksschuldirektor Hans Treitler — leider bin ich nur ein einfacher Maurer. Aber auch ich bitte um Steuergerechtigkeit.

» Hans H i r 1,

Wien XI, Simmeringer Hauptstraße 63—74,

2. Stiege, 4. Stock, Tür 15

Ehefrau und Steuer

Sehr geehrte Redaktion!

Es ist in der einschlägigen Presse viel davon die Rede, wie bei den gewerblich Tätigen die berufliche Mitarbeit der Ehegattin steuerlich berücksichtigt werden solle, was ja bekanntlich in bestimmtem Ausmaß ohnedies bereits der Fall ist.

Erlauben Sie, daß ich puf eine steuerliche Begünstigung von hohem sozialem Charakter hin-

weise, welche in der Deutschen Bundesrepublik bereits eingeführt ist und vor kurzem namhaft erweitert wurde. Sie betrifft allerdings die nicht berufstätigen, sich lediglich ihren Familien widmenden Ehegattinnen von Lohn- (Gehalts-) Empfängern.

Zum 1. August 1957 — aber praktisch rückwirkend für das Gesamt fahr 1957 — wurde in Westdeutschland der Sonderfreibetrag, den lohnsteuerpflichtige Arbeitnehmer für ihre nicht berufstätigen Ehefrauen geltend machen können, von 250 D-Mark (1500 Schilling) auf 600 D-Mark (3600 Schilling) jährlich erhöht. Dieser Freibetrag soll einen gewissen Ausgleich dafür bilden, daß die im Haushalt tätigen Ehefrauen zu einer eigenen Erwerbstätigkeit nicht in der Lage sind.

Wäre es nicht an der Zeit, ähnliche familienfördernde Maßnahmen auch in die österreichische Steuergesetzgebung einzubauen?

C. R„ Wien XIII.

Der Tote vom Kaindlgrat

Sehr geehrter Herr Herausgeber!

Seit wann ist der alte Grundsatz „De mortuis nil nisi bene” außer Kraft gesetzt?

Das Bergunglück am Kaindlgrat hat Menschenleben gefordert, darunter das Leben dessen, der für die Bergtour verantwortlich war. Man diskutiert den Fall überall, besonders in der Presse, und redet so leichthin von Schuld, Leichtsinn und Verantwortungslosigkeit des jungen Lehrers. Ein Mann hat sein ganzes Leben in den Dienst der Jugend gestellt und verantwortungsvoll und treu seinen Beruf ausgefüllt. Darüber hat niemand geschrieben! Hingegen glauben manche, des vielleicht einzigen großen Fehlers seines Lebens wegen, für den er mit dem Tod bezahlte, Vorwürfe erheben zu dürfen, die schon fast Beschimpfungen gleichen. Mich dünkt, man müßte ein solches Verhalten nicht unrichtig mit Leichenfledderei bezeichnen.

Jeder mag an seine eigenen Fehler denken! Für den unglücklichen Toten aber sprechen wir ein „Requiescat in pace”.

R. Z„ Wien XIII.

Der „ungeschulte” Geschmack

Geehrte Redaktion!

Das Publikum hat natürlich schlechten, das heißt ungeschulten Geschmack, der echten Glanz nickt vom falschen, scheinbare Qualität nicht von wahrer unterscheiden kann, denn efti guter Geschmack bedarf’der’ Schulung durch Unterricht. Umgebung, Übung, vielleicht auch einer, nicht jedem gegebenen Begabung. Ein „Publikum”, das heißt eine große Masse von kaufkräftigen Leuten, deren Geschmack zur Diskussion steht, weil er die Nachfrage nach Gütern höherer Qualität maßgebend beeinflußt, gibt es ja erst seit etwa hundert Jahren. Früher kam nur die eine soziale Oberschicht als Käufer in Betracht. Damals war (seit den ältesten Zeiten schon) der „schlechte Geschmack” das Privileg der Neureichen — heute haben wir den Neureichen mit seinem ungeschulten Geschmack als Masse nerscheinung, das heißt eine breite Schichte von wenig gebildeten Menschen,

die mit den Jahren zwar gewiß nicht reich, aber d,o,gh,,l4nrei.cJreiid,.wohlhabend geworden siitd.Jsc daß sie sich nicht nur ein Motorfahrzeug und einen Kühlschrank, sondern auch Möbel, bilder und Dekorationsgegenstände kaufen wollen und können, und die nun ohne hinreichende Erfahrung, Vorbild und Schulung darangehen, diese Bedürfnisse zu befriedigen, wobei sie natürlich der Tagesmode, dem Blickfang, der Reklame wehrlos ausgesetzt sind. Sie sind Anfänger. Ihre Sinne sind in ihren Bedürfnissen noch primitiv. Das ist nur ein Übergangszustand.

Wir leben in einer Zeit stürmischer, technischer, wissenschaftlicher, politischer und sozialer Entwicklung, mit der die meisten Menschen nickt mitkommen können und auck vielfach nicht wollen. Nur wenigen wirklich schöpferischen

Menschen ist es gegeben. — und auch ihnen mehr . versuchend qls vollendend —, für diese Zeit den adäquaten künstlerischen Ausdruck zu finden, der auch mir wieder von besonders Begabten (wenigstens anfänglich) verstanden und gebilligt wird. Die große Masse, die mit der Zeit nicht mitkann und nicht mitwill, lehnt natürlich diesen, ihr unverständlichen Ausdruck sogar mit Entrüstung ab und fühlt sich dabei noch ganz im Recht. Nie war die Kluft zwischen den schaffenden Geistern einer Zeit und der breiten Masse des Publikums so groß wie heute.

Das moderne künstlerische und kunstgewerbliche Schaffen läßt aus manchen Gründen künstlerische Bedürfnisse des Publikums unbefriedigt, zum Beispiel das seit den Urzeiten vorhandene Bedürf nis des Menschen nach Schmuckformen. Zeitgemäße Schmuckformen gibt es nocl kaum, ältere will der moderne Künstler nicht näch- ahmen. So befriedigt eben das Publikum sein Bedürfnis nach Scltmuckformen teils dadurch, daß es alte Möbel u. dgl kauft oder auf primitiverem Niveau durch „kaukasisch Nuß”, dessen Maserung die Schmuckform ersetzt.

Der schlechte Geschmack des Publikums wird also aus vielerlei Quellen gespeist, ist aber im Wesen doch nur ein Symptom des ungeheuren sozialen Umschichtungsprozes- s e s, in dem wir leben. Er hat die Massen der Neureichen geschaffen, die nun mit ihren ungeschulten Sinnen den Vordergrund unserer Zeit einnehmen. Er hat uns den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt gebracht und damit die große Kluft zwischen der Spitzengruppe der Vorläufer und dem breiten Publikum aufgerissen, das nickt mitkann und das gegen die Künstler rebelliert, weil sie ihm nicht das geben, was es von ihnen haben will und braucht — alles Kinderkrankheiten und Flegeljahre eines neuen Zeitalters, das seine Zeit zum Reifwerden braucht.

Hofrat Dr. Otto Friedlaender, Wien.

Wer baut die neue Rauchfangkehrerkirche?

Sehr geehrte Redaktion!

Nach vielem Ueberlegen möchte ick doch zu Ihrem Aufsatz über die Rauchfangkehrerkirche einige Bemerkungen machen. Die von Ihnen mit Recht geförderten Preisträger der Architektengruppe 4 können doch die neue Kirche nicht bauen, weil sie nach dem neuen Ziviltechnikergesetz keine Architekten sind und schwer bestraft würden, wenn sie die Kirche bauten. Deshalb sind zwei von ihnen schon ausgewandert. Eine ähnliche Situation liegt auch in Linz vor. Dort soll ein berühmter ausländischer Architekt eine Kirche bauen. Ausländischen Architekten ist aber nach demselben Gesetz ebenfalls das Bauen in Oesterreich verboten.

Rosa Karnitschnigg Wien VIII, Lerchenfelder Straße 120

Rasende Reporter?

Sehr geehrter Herr Herausgeber!

Im „Querschnitt” Ihres Blattes vom 24, VIII. wird die leidige Angelegenheit Karajan—Harrer aufgegriffen und eindeutig zugunsten des letzteren glossiert. In Anbetracht der unwiderleg- licjtqn ,Tatsche, .dqß Jm -Lftufe der yergangetiqtf Mqttate verantwortungslose Reporter in Schruns einen Menschen in den Tod gejagt haben und in Ungarn den Kadar-Henkern das Material für mehrere Todesurteile lieferten, wäre es vielleicht an der Zeit, sich gerade in katholischen Zeitungen von gewissen Manieren der „Gazetten” und ihrer Helfershelfer zu distanzieren. Der Beruf eines Reporters ist ein Erwerbsberuf wie ein anderer. Er ist aber kein Freibrief für die Gefährdung von Leben, Gesundheit und Ehre der Mitmenschen. Gerade ein Blatt, das — wie die „Furche” — das christliche Ethos auf allen Gebieten hochzukalten bestrebt ist, sollte nicht für hinterhältige Blitzlichtüberfälle Partei ergreifen. M. S-R., OOe.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung