
Gewessler: „Krisen sind immer Zeiten von Zäsuren“
Was bedeutet (Post-)Corona für die ursprünglichen Pläne der türkis-grünen Regierung? Umwelt- und Infrastrukturministerin Leonore Gewessler in einem Update-Gespräch.
Was bedeutet (Post-)Corona für die ursprünglichen Pläne der türkis-grünen Regierung? Umwelt- und Infrastrukturministerin Leonore Gewessler in einem Update-Gespräch.
Mitten in wirtschaftlich unsicheren Zeiten gilt es für Umwelt- und Infrastrukturministerin Leonore Gewessler (Die Grünen), nachhaltige Pläne zu realisieren. Aber wie sieht die Unterstützung des Koalitionspartners aus und welche Lösungen bräuchte es beim Green Deal auf EU-Ebene? Ein Gespräch über dringend notwendige Investitionen und ein verhandeltes Regierungsprogramm im neuen Licht.
DIE FURCHE: Hat Ihnen die Coronakrise einen Strich durch die Rechnung gemacht oder steckt in den gegenwärtigen Veränderungen doch auch eine Chance?
Leonore Gewessler: Was man in der Coronakrise gerade spürt, ist, wie sich Krise anfühlt. Wir sehen aber auch, dass man die Coronakrise mit Konsequenz, mit Durchhaltevermögen, mit dem Hören auf die Wissenschaft und bald hoffentlich auch mit einer Impfung in den Griff bekommen kann. Aber wenn die Klimakrise einmal da ist, dann bleibt sie und dann wird der Krisenzustand zum Dauerzustand. Impfung wird es dagegen keine geben. Daher ist es so wichtig, den Weg aus der Coronakrise dafür zu nützen, die Weichen richtig zu stellen.
DIE FURCHE: Aber orten Sie denn ein großes Bekenntnis zu diesem Thema seitens ihres Koalitionspartners?
Gewessler: Wir stehen am Weg aus dieser Krise wirklich vor einer außergewöhnlichen Situation. Außergewöhnlich nicht nur in dem Sinn, was uns diese Krise gerade auch im persönlichen Leben abverlangt; sondern außergewöhnlich auch was die Situation am Arbeitsmarkt und die Wirtschaft insgesamt betrifft. Und klar: Wir müssen uns jetzt mit aller Kraft gegen eine drohende Arbeitsmarktkrise, gegen eine drohende Wirtschaftskrise stemmen. Aber das bedeutet, wir werden investieren müssen. Und zwar klug investieren müssen. Und klug investieren heißt, jetzt in den Klimaschutz zu investieren. Klimaschutz schafft Arbeitsplätze – gerade in Branchen, die jetzt ganz besonders betroffen sind. Wir arbeiten gerade als Bundesregierung an diesem Programm, auch mit vielen Dialogrunden unterschiedlicher Stakeholder: Wir wol- len die Menschen unterstützen und mit Investitionen in die Regionalisierung, Digitalisierung und Klimaschutz den Weg aus dieser Krise beschreiten. Klimaschutz ist aufgrund der doppelten Dividende eine tragende Säule des Konjunkturprogramms – der gesamten Bundesregierung, selbstverständlich.
DIE FURCHE: Immer häufiger ist nun die Rede davon, dass das Regierungsprogramm nachverhandelt werden könnte. Wo gäbe es hier noch Spielraum?
Gewessler: Das Regierungsprogramm steht. Das ist das Programm für die gemeinsame Legislaturperiode. Aber natürlich diskutieren wir jetzt darüber, welche Maßnahmen wir aufgrund der aktuellen Situation vorziehen können. Und da sind natürlich auch Klimaschutzmaßnahmen dabei. Beispiel Infrastruktur: Wenn ich Bahninfrastruktur baue, dann schaffe oder sichere ich nicht nur Arbeitsplätze in einer Branche, die besonders stark von der Krise betroffen ist. Ich schaffe nachhaltige Investitionen in den Klimaschutz und vor allem auch regionale und lokale Wertschöpfung. Wenn in Österreich die ÖBB Bahninfrastruktur bauen, dann gehen bis zu 80 Prozent der Aufträge an kleine und mittlere Unternehmen. Das ist eines von vielen Beispielen, wie man sich mit Klimamaßnahmen gegen die Arbeitsmarkt- und Wirtschaftskrise stemmen kann. Bei all den Maßnahmen aus dem Regierungsprogramm, die diesen doppelten Nutzen haben, wird jetzt diskutiert, ob man sie vorziehen kann.
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