„Unsere größte Herausforderung steht noch bevor“

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Finanzminister Josef Pröll sieht noch kein Ende der Krise. Er glaubt, dass die Regierung erst dann auf eine harte Probe gestellt wird, wenn es nach dem Konjunktureinbruch an die Sanierung der Staatsfinanzen geht. Hans Dichands Avancen wehrt Pröll ab. Dem ORF stellt er die Rute ins Fenster.

Josef Pröll ist seit Herbst vergangenen Jahres Finanzminister, Chef der Volkspartei und Vizekanzler. Dabei sucht er viel mehr den Konsens mit der SPÖ als seine Vorgänger. Nach dem Sieg bei der EU-Wahl stieg Pröll gar zum Liebling von Krone-Herausgeber Hans Dichand auf. DIE FURCHE fragte nach.

Die Furche: Österreich steuert laut OECD auf 6 Prozent Neuverschuldung zu. Trotzdem lehnen Sie neue Steuern oder die Erhöhung der Mehrwertsteuer vehement ab. Zweifeln Sie selbst nicht daran, dass ein so hohes Defizit allein durch Ausgabensenkung bekämpft werden kann?

Josef Pröll: Ich nehme alle Vorschläge aufmerksam auf. Ich sehe aber keinen Grund, nach der größten Steuerreform und einer Steuersenkung jetzt Steuererhöhungen zu diskutieren. Jetzt ist die Zeit der Krisenbewältigung. Erst später werden wir sehen, welches Potenzial wir zur Zurückführung der Schulden haben. Ende des Jahres werde ich ein Sanierungskonzept für die Staatsschulden vorlegen.

Die Furche: Könnte es ein drittes Konjunkturpaket geben, wenn die Krise weiter anhält?

Pröll: Dafür sehe ich derzeit keinen Anlass. Konjunkturpakete und Steuerreform dämpfen die Krise bereits heuer um ein halbes Prozent BIP, 2010 wird es ein ganzes Prozent sein. Damit sind wir im internationalen Vergleich Spitzenreiter. Es gibt auch erste positive Signale. Etwa, dass der Konsum in Österreich im ersten Halbjahr absolut stabil geblieben ist. Das hatten wir so nicht erwartet. Das heißt auch: Was wir tun, wirkt.

Die Furche: Die Regierung hat über die Konjunkturpakete einiges in die Wege geleitet, etwa die Förderung von Wärmedämmung oder das Lehrlingspaket. Die Aktionen sind erfolgreich, aber nun sagen Sie, eine Verlängerung komme nicht infrage. Setzen Sie da nicht den eigenen Erfolg aufs Spiel?

Pröll: Der Punkt ist, dass die Regierung 100 Millionen Euro für die thermische Sanierung ausgibt, obwohl die Wohnbauförderung eigentlich nicht Bundesangelegenheit ist. Wir haben die Anstoßfinanzierung gemacht. Bis jetzt hat der Bund mit drei Milliarden die überwiegende finanzielle Last bei der Krisenbekämpfung getragen. Wenn man also die thermische Sanierung weiter haben will, sind auch die Kollegen in den Ländern gefordert.

Die Furche: Der Mittelstand ist derzeit überbelastet, während wirklich Reiche Stiftungen unterhalten oder Geld in Steueroasen parken.

Pröll: Der Mittelstand ist tatsächlich an der Grenze seiner Belastbarkeit. Das aber auch deshalb, weil 2,7 Millionen Menschen in Österreich gar keine Steuern zahlen. Deshalb bin ich aber auch gegen Vermögenssteuern. Zu Stiftungen und Steueroasen: Wir haben vor zwei Wochen in Berlin eine umfassende Übereinkunft auf Ebene der OECD erzielt. Österreich wird in Zukunft mehr Informationen über Ausländer geben, die in Österreich ihr Geld veranlagen. Im Gegenzug fordere ich aber, dass dieselbe Sorge auch bei bestimmten Finanzkonstruktionen aufgebracht wird. Die britische Regierung sagt zum Beispiel, sie gebe alle Informationen, die gewünscht sind. Gleichzeitig wissen wir aber, dass dort Trusts zugelassen werden, in denen Gelder in Milliardenhöhe geparkt werden können, ohne dass jemand weiß, woher sie kommen. Das muss abgestellt werden.

Die Furche: Unter die Rubrik verbesserungswürdig fällt auch, dass die OECD weitreichende Maßnahmen gegen Steuerparadiese verabschiedet, sich aber – abgesehen von Österreich, Luxemburg und der Schweiz – niemand angesprochen fühlt. Auf den Cayman Islands können nach wie vor Milliarden geparkt werden. Was passiert mit diesen Ländern?

Pröll: Die Frage der Sanktionen ist erstmals releviert. Dann ginge es nicht mehr nur um die Geldtransfers und Geldstrafen, sondern auch um andere Wirtschaftskreisläufe.

Die Furche: Teile der SPÖ finden, dass auch die Eigentümer von Stiftungen ihren Anteil an der Krisenbekämpfung tragen sollten. Wäre ein angehobener Eingangssteuersatz für Stiftungen denkbar?

Pröll: Ich sehe da keinen Handlungsbedarf. Allerdings: Wenn eine Stiftung Gemeinnützigkeit vorgibt, wie etwa manche Parteistiftungen, diese Gemeinnützigkeit aber dann nicht gegeben ist, dann hat das Geld sehr wohl zu kommen, da kenne ich auch keinen Pardon.

Die Furche: Sie sprechen von der SPÖ-Stiftung „Zukunft Steiermark“. Welche Konsequenzen soll es da geben?

Pröll: Ich kommentiere das nicht weiter. Das ist eine Sache der Steuerbehörde, die nicht politisch gesteuert werden darf. Man muss auf jeden Fall Sorge tragen, dass auf Punkt und Beistrich in jedem einzelnen Fall geklärt ist, dass nichts am Fiskus vorbeigeht. Das sind wir dem Lohnsteuerzahler schuldig.

Die Furche: Die sogenannten Reichensteuern könnten ab Herbst zur Koalitionsfrage werden. Franz Voves fordert vom Bundeskanzler jedenfalls jetzt schon vehement ein schärferes Profil in der Regierung.

Pröll: Die Menschen erwarten sich von dieser Bundesregierung Arbeit. Jeder, der mit Störfeuern aus regionalpolitischen Interessen versucht, die Arbeit zu behindern, wird damit keinen Erfolg erzielen. Die größte Herausforderung für die Regierung steht ja noch bevor. Nämlich dann, wenn ein Ende der Krise absehbar ist. Dann müssen wir gemeinsam konsolidieren und die Schulden zurückführen. Da ist dann die Zusammenarbeit erst wirklich auf dem Prüfstand.

Die Furche: Klimatisch gab es aber Dissonanzen. Faymann geißelte den Machtrausch der Prölls: Wenn es noch einen Pröll gäbe, dann werde der wohl Parlamentspräsident.

Pröll (lacht): Da wird sich mein Bruder aber freuen! Im Ernst, ich kann das nur belustigt zur Kenntnis nehmen. Weder ich noch Erwin Pröll sind im Machtrausch. Ich gehe jeden Tag sehr demütig an die Arbeit. Die weitere Familie hier hineinzuziehen, das richtet sich von selbst.

Die Furche: Dann haben Sie auch kein demokratiepolitisches Problem mit Josef Pröll als Kanzler und Erwin Pröll als Präsident?

Pröll: Über die demokratiepolitische Relevanz entscheidet der Wähler. Für solche Spekulationen ist es auch absolut zu früh.

Die Furche: Hans Dichand hat sich die Frage schon gestellt und würde Sie beide unterstützen.

Pröll: Ich kommentiere Meinungen von Journalisten und Herausgebern öffentlich grundsätzlich nicht.

Die Furche: So hat der von Dichand verstoßene Kanzler auch reagiert.

Pröll: Das ändert für mich nichts an meinen Überzeugungen. Ich kenne Dichand von drei oder vier Begegnungen und habe mich bei ihm auch als Vizekanzler im Dezember vorgestellt. Darüber hinaus gibt es keinen Kontakt. Deshalb sehe ich diese Dinge gelassen. Am Ende steht der Wähler mit der Beurteilung unserer Arbeit. Ich habe jedenfalls keinen Brief (Faymann änderte im Juni 2008 mit einem Brief an die Krone den Europa-Kurs der SPÖ, Anm. d. Red) geschrieben und lege Wert darauf, Werbeinserate meines Ministeriums fair und ohne Bevorzugung einzelner Medien zu verteilen. Ich habe mit allen Herausgebern einen korrekten Umgang.

Die Furche: Aber Sie müssen doch erstaunt sein, wenn Sie die aktuelle Haltung der Krone zur ÖVP mit jener vor den Nationalratswahlen vergleichen. Was hat sich da bei der ÖVP inhaltlich verändert?

Pröll: Die Frage ist anders zu stellen. Was hat sich in der Beurteilung von Faymann geändert?

Die Furche: Dichand verteilt mit den Empfehlungen auch seine Hoffnungen. Wenn er etwa sagt, Faymann hätte die gewünschte EU-Linie nicht gehalten – gibt es für Dichand einen Grund zu glauben, die VP werde ihren Europa-Kurs ändern?

Pröll: Es gibt keinen Kurswechsel in diesen Kernfragen, die uns stark gemacht haben. Unser Kurs wurde auch vom Wähler honoriert.

Die Furche: Also keine Volksabstimmung zum Lissabonvertrag?

Pröll: Definitiv keine Änderung unseres proeuropäischen Kurses mit österreichischer Handschrift.

Die Furche: Kommentatoren mutmaßen, hinter Faymanns Verstoßung könnte auch seine Freundschaft zum Dichand-Konkurrenten Wolfgang Fellner stehen, die sich in großzügigen Inseratenschaltungen in „Österreich“ äußert. Fellner hat um Finanzierungshilfe bei der Republik angesucht. Fällt das nicht auch in Ihr Ressort?

Pröll: Da wird mehreres verwechselt. Zuständig ist das Austria Wirtschaftsservice AWS, das im Wirtschaftsressort angesiedelt ist. Jeder österreichische Unternehmer kann dort einen Antrag einreichen. Diese Ansuchen sind allein nach wirtschaftlichen Kriterien zu bewerten. Dazu gibt es Richtlinien, nach denen präzise vorzugehen ist. Dabei hat Politik nichts verloren. Beamte des Finanzministeriums segnen nur noch die formale Richtigkeit ab.

Die Furche: Weil wir schon bei Medien sind: Können Sie sich eine Teilrefundierung der Gebühren für den ORF vorstellen?

Pröll: Der ORF hat ein strukturelles Problem, das nicht durch Geldspritzen beseitigt werden kann. Die ökonomische Lage des Unternehmens ist brandgefährlich, aber ich werde kein Signal setzen, dass der Staat helfen wird, solange nicht klar ist, wie das Sanierungskonzept aussieht.

Die Furche: Ist der ORF nicht ebenso systemrelevant wie eine Bank?

Pröll: Im Gegensatz zu Banken ist der ORF wirtschaftlich nicht systemrelevant, aber er ist als Medium unverzichtbar. Wir wollen, dass der ORF ordentlich in die Zukunft geht – das ist auch möglich.

Die Furche: Die VP steht vor einer Programmdebatte. Welche Ziele geben Sie vor?

Pröll: Wir sollten uns ab Herbst zwei Jahre Zeit nehmen, um qualitätsvolle Arbeit zu leisten. Aus unseren Werten heraus sollten wir nach der Krise die programmatischen Lehren ziehen. Wir sollten beantworten, wie sich die ÖVP gegenüber dem Wirtschaftssystem der Zukunft positioniert.

Die Furche: Auslöser der Reformdiskussion ist auch, dass sich die Jungwähler zunehmend von den Großparteien abwenden.

Pröll: Wir hatten bei der EU-Wahl die besten Werte bei den Jungwählern, das ist ermutigend. Jugend wird auch das Thema der Sommerkampagne sein. Wir werden hingegehen, wo Jugend stattfindet.

Die Furche: Also in Diskotheken, so wie Heinz Christian Strache?

Pröll: Das Signieren von Dekolletés ist nicht mein Ziel.

* Das Gespräch führten Oliver Tanzer und Claus Reitan

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