"Wir müssen jetzt umdenken"

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Niederösterreichs Landeshauptmann über die Wirtschaftskrise, die positiven Folgen der Rezession und die Krise der katholischen Kirche in Österreich.

Erwin Pröll, Landeshauptmann von Niederösterreich im Gespräch über seinen Kampf gegen die Wirtschaftskrise, das Umdenken in Staat und Gesellschaft und seine Sorgen um den Zustand der katholischen Kirche in Österreich.

Die Furche: Sie sind seit 1992 Landeshauptmann von Niederösterreich. Ist die Wirtschaftskrise die größte Herausforderung Ihrer Karriere?

Erwin Pröll: Ich kann mich nicht erinnern, ähnliches in solcher Massivität je erlebt zu haben. Natürlich ist da auch ein guter Teil ein negatives Grundgefühl. Tatsächlich spüren wir in Niederösterreich erst die ersten Auswirkungen, und angesichts der Auftragslage einiger Großkonzerne bin ich trotz allem noch optimistisch.

Die Furche: Trotz allem haben Sie bereits das zweite Konjunkturpaket verabschiedet.

Pröll: Wir tun das, weil wir sehr wachsam sind und nichts anbrennen lassen. Wir haben die Konjunkturpakete zeitgerecht verabschiedet und analysieren permanent die Wirtschaftsdaten des Landes, um für die kommenden Schritte gerüstet zu sein.

Die Furche: Es gibt Branchen, die es sehr hart getroffen hat, etwa die Autozulieferer. Auch Niederösterreich war davon betroffen.

Pröll: Es gab gerade in der Automobilindustrie in jüngster Zeit Wachstumsraten, die zum Teil künstlich hochgepusht wurden. Solche Raten werden in einem zukünftigen Kalkül keinen Platz mehr finden. Andererseits, wie etwa im Fall der Firma Eybl in Krems, der wir Anfang Jänner geholfen haben, hat auch Managementversagen zur Situation beigetragen, und nicht nur die Krise.

Die Furche: Muss sich Niederösterreich auf große Umwälzungen vorbereiten?

Pröll: Es wird ein Umdenken geben müssen, und wir müssen offensiv an die Dinge herangehen. Als ich in den achtziger Jahren angetreten bin, mussten wir die alten Industriegebiete im Bereich Wiener Neustadt umstrukturieren. Wir mussten schmerzhafte Einschnitte setzen. Aber es hat sich gelohnt. Das ist wie bei einer Krankheit des Körpers. Wenn die Fieberschübe kommen, kann man die Augen nicht verschließen, dann muss gehandelt werden.

Die Furche: Sie sprechen von einem Umdenken. Was soll sich ändern?

Pröll: Ich bin der Überzeugung, dass die Menschen mit beiden Beinen auf dem Boden stehen müssen. Wenn wir sehen, was sich da an Finanz- und Börsenblasen gebildet hat, wie übertrieben das alles war, oder besser: wie sehr von Gier getrieben und von der Phantasie, dass alles machbar ist. Die Art, wie mit Menschen und Tieren, mit der Natur umgegangen wurde, so als gäbe es keine natürlichen Grenzen. Das war der Kardinalfehler. Nicht der Mensch ist der Gott auf dieser Welt, sondern es gibt noch etwas über ihm. Deshalb hat dieser Dämpfer, der jetzt den Planeten erschüttert, auch etwas Gutes.

Die Furche: Auch für die Manager der österreichischen Banken?

Pröll: Ich könnte unzählige Beispiele von Bankmanagern nennen, die Jahre und Jahrzehnte lang auf die Politik herabgeblickt haben. Es tut jedem einmal gut, eine Krise meistern zu müssen.

Die Furche: Es gibt eine Auseinandersetzung zwischen Bund und Ländern über die Lastenverteilung in der Krise und wegen der Steuerreform. Sehen Sie einen Ausweg.

Pröll: Man muss das miteinander tragen. Es hat keinen Sinn, wenn der Bund meint, die Länder ausquetschen zu können. Umgekehrt hat es keinen Sinn, wenn die Länder glauben, alles auf den Bund abschieben zu müssen.

Die Furche: Was wäre Ihr Vorschlag?

Pröll: Mein Vorschlag wäre, dass wir uns zunächst die Effizienz unserer Maßnahmen ansehen. Dann sollte man sich zusammensetzen und beraten. Einen genauen Zeitpunkt dafür gibt es aber noch nicht.

Die Furche: In der katholischen Kirche Oberösterreichs ist die Empörung über die Ernennung des konservativen Erich Maria Wagner zum Weihbischof groß. Sie selbst hatten mit Kurt Krenn einen ähnlich umstrittenen Bischof in St. Pölten.

Pröll: Ich möchte vorausschicken, dass ich die Trennung von Kirche und Staat für wichtig und unverzichtbar halte. Was ich sage, sage ich nicht als Politiker, sondern als Christ und bekennender Katholik: Ich bin sehr traurig darüber, dass gerade in der katholischen Kirche immer wieder solche Spannungen auftreten, die den Umgang zwischen Kirchenvolk und der Institution Kirche untergraben.

Die Furche: Fürchten Sie Konsequenzen auch für Ihr Bundesland?

Pröll: Die Kirche in Niederösterreich hat es so schwer wie sonst überall. Man merkt das an den Kirchenaustrittszahlen in St. Pölten und Wien. Gerade in einer Zeit, in der viele Prinzipien über Bord geworfen oder untergraben werden, bräuchte es eine Institution, durch die der Einzelne Orientierung finden kann, wenn er Hilfe sucht. Wenn ich mir aber diese Diskussionen ansehe mit Kirchenaustritten und Flügelkämpfen innerhalb der Kirche, dann macht mich das sehr traurig.

Die Furche: Die im April beginnende Landesausstellung widmet sich grenzüberschreitend dem Waldviertel bei Raabs/Horn und der Gegend um Telc. Ein Beitrag zu einer Völkerverständigung, die kaum stattfindet.

Pröll: Es ist 20 Jahre her, seit der Eiserne Vorhang gefallen ist. Was mich innerlich bewegt hat, war, dass alles so rasch in Vergessenheit geraten ist und verdrängt wurde. Sie haben recht: In den Köpfen gibt es noch viele Eiserne Vorhänge. Die Ausstellung soll ein Beitrag zum Zusammenwachsen dieser Regionen sein. Denn was vielen nicht bewusst ist: Wir leben an der Nahtstelle des neuen Europa. Davon, wie wir unser Zusammenleben an dieser Grenze gestalten, wird abhängen, ob dieses Europa tatsächlich zusammenwachsen kann oder nicht. Wir wollen Tausende anregen, einmal ins Nachbarland zu schauen, hüben wie drüben.

Die Furche: Die Region ist aber geplagt von wirtschaftlichen Problemen und Abwanderung. Kann daran die Landesausstellung etwas ändern?

Pröll: Die Ausstellung wird der Region in jedem Fall eine Imageaufwertung und einen großen Fremdenverkehrsimpuls bringen. Dazu haben wir mit einem Investitionsprogramm von 22 Millionen Euro die Infrastruktur verbessert, und zwar sowohl kulturell als auch verkehrstechnisch. Unser Plan ist, dass die Ausstellung für die gesamte Region der Anfangspunkt einer erfolgreichen Entwicklung zueinander ist.

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