"Brauche nicht auf den Tisch zu hauen"

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Wiens Bürgermeister Michael Häupl über den Kampf um Steuergerechtigkeit, seine Vorstellungen von "Hausordnung" und Rezepte gegen FPÖ-Chef Strache.

Noch soll nur über Modelle zur Vermögensbesteuerung diskutiert werden. Die parteiinterne Arbeitsgruppe wurde beim SPÖ-Präsidium am Mittwoch auch offiziell "angelobt". Vielen geht es zu langsam, andere mahnen zur Geduld, wie Wiens Bürgermeister Michael Häupl.

Die Furche: Herr Bürgermeister, bei Magna haben sich große Teile der Belegschaft dazu bereit erklärt, auf Teile ihre Gehalts zu verzichten. Die Gewerkschaft läuft dagegen Sturm. Führt der Weg aus der Krise über solche Modelle?

Michael Häupl: Das ist wieder einmal eine Maßnahme, die das bestätigt, was ich die ganze Zeit sage: Die Krisenlösung funktioniert momentan ausschließlich über die Beiträge der Arbeitnehmer. Von Arbeitgeberseite her höre ich nur "Nulllohnrunde" - über neue Steuern darf nicht einmal nachgedacht werden. Es geht um Steuergerechtigkeit, nicht mehr und nicht weniger.

Die Furche: Wie soll diese "Reichensteuer" genau ausschauen?

Häupl: Ich plädiere in erster Linie für eine Besteuerung von Aktienerträgen. Es kann nicht sein, dass eine Oma am Sparbuch 25 Prozent Zinsertragssteuer bezahlen muss, während ein Großaktionär, der seine Aktien verkauft, keinen Cent Steuern bezahlt.

Die Furche: Kanzler Faymann hält sich in der Diskussion um eine stärkere Vermögensbesteuerung immer noch zurück. Wann werden Sie auf den Tisch hauen?

Häupl: So kann man das nicht sehen. Ich brauche nicht auf den Tisch hauen, denn der Diskurs darüber ist ordentlich eingeleitet. Wir haben parteiintern eine Arbeitsgruppe mit der Zielsetzung, dass wir uns im Sinne der Steuergerechtigkeit auf die Gespräche mit dem Koalitionspartner vorbereiten.

Die Furche: Die ÖVP sagt hartnäckig Nein …

Häupl: Das sagt der Vorsitzende und der Parteisekretär, in der ÖVP gibt es durchaus auch andere Stimmen.

Die Furche: Stimmen Sie mit Landeshauptfrau Gabi Burgstaller überein, die gefordert hat, dass es eine Vermögensbesteuerung bis spätestens 2011 geben soll?

Häupl: Man kann doch nicht am Anfang einer solchen Diskussion sagen, wann sie fertig sein wird. Die Meinungsbildung ist nicht so leicht, eine Strukturreform des Steuersystems ist eine relativ schwierige Angelegenheit.

Die Furche: Glauben Sie, dass die Frage "Reichensteuer" das Koalitionsklima, den viel zitierten Kuschelkurs, gefährden könnte?

Häupl: Das mit dem Kuschelkurs ist so eine Geschichte. Wer Werner Faymann je in Verhandlungen erlebt hat, der weiß, dass er nur nach außen hin so verbindlich wirkt, aber einen beinharten Verhandlungsstil pflegt. Er sitzt dort, lächelt und sagt Nein. Er hat damit auch Josef Pröll schon zur Raserei getrieben.

Die Furche: Das heißt, das Koalitionsklima ist bereits etwas getrübt.

Häupl: Aber nein. Es ist normal. Wir sind eben nicht eine Partei.

Die Furche: Nun zu den kommenden Gemeinderatswahlen in Wien: Die werden wohl wieder im Zeichen des "Ausländerproblems" stehen. Sie verweisen in diesem Zusammenhang gerne auf eine "Hausordnung", auf gegenseitigen Respekt und Rücksichtnahme. Was meinen Sie konkret damit?

Häupl: Das ist ganz konkret. Entschuldigen Sie, wenn man in einer Beziehung lebt, in der Familie, wo auch immer, glauben Sie wirklich, dass man ohne Rücksicht, ohne Respekt voreinander auf Dauer miteinander leben kann? Das gilt für alle Bereiche. Es geht nicht, dass beispielsweise im Krankenhaus ein Patient Besuch von 15 Leuten bekommt, die dann im Zimmer eine Party feiern. Das ist nicht alleine auf Migranten bezogen, das gilt für alle.

Die Furche: Aber es gibt unterschiedliche Auffassungen, worauf ein jeder Rücksicht nehmen soll, manchmal auch kulturbedingt …

Häupl: Dazu gibt es die Hausordnung. Daher werden wir sie auch entsprechend kundmachen. Das ist in der Vergangenheit nicht ganz so passiert. Aber ich meine damit nicht "law and order". Sondern ich meine das, was man im ganz normalen Alltagsleben unter Respekt und Rücksichtnahme versteht. Da gab es vielleicht in der Vergangenheit zu viel Laisser-fair. Das hat genug Unmut erregt. Wir werden darauf achten, dass man ordentlich miteinander lebt.

Die Furche: Früher hetzte Jörg Haider und der damalige SP-Innenminister Karl Schlögl gab dem nach. Jetzt hetzt Strache. Geben Sie dem nicht auch ein Stück nach?

Häupl: Jetzt machen Sie aber einen Punkt! Ich sorge dafür, dass die Leute friedlich und ordentlich miteinander leben. Ich hetze die Leute nicht gegeneinander auf. Ich mache das glatte Gegenteil von Herrn Strache, ich bin der Widerpart, die Antithese.

Die Furche: Wir sehen schon vor unserem geistigen Auge die Wahlplakate der FPÖ, darauf wird sicher ein Minarett zu sehen sein, das als Bedrohung dargestellt wird. Früher hat es von der SPÖ noch Plakate gegeben, wo man sich mit Migranten gezeigt hat.

Häupl: Wir führen keinen Wahlkampf zurzeit. Ich weiß nicht, was FPÖ-Chef Strache da reitet. Wenn wir im Herbst 2010 wählen, jedenfalls 2010, dann werden wir nicht eineinhalb Jahre vorher mit dem Wahlkampf anfangen.

Die Furche: Eine Maßnahme zur besseren Integration soll das verpflichtende letzte Kindergartenjahr sein. Wird es das ab Herbst in Wien geben?

Häupl: Das kann ich leider nicht allein bestimmen. Ich hätte lieber die Vorschule gehabt, also eine Vorverlegung der Schulpflicht auf das fünfte Lebensjahr. Da würden wir uns heute in der Organisation und rechtlichen Situation viel leichter tun. Wir werden aber alles daran setzen, das verpflichtende Kindergartenjahr ab Herbst in Wien einzuführen.

Die Furche: Werden in puncto Integration auch neue Wege beschritten?

Häupl: Wir versuchen in erster Linie, die vielen Maßnahmen, die es schon gibt, mehr publik zu machen. Momentan habe ich den Eindruck, dass wir eine derartige Fülle von Maßnahmen gesetzt haben, dass höchstens die Integrations-Stadträtin noch alle kennt.

Die Furche: Und trotzdem haben viele Menschen den Eindruck, dass das Zusammenleben nicht gut funktioniert, dass also diese Maßnahmen nicht funktionieren. Warum?

Häupl: Weil das kein Zigarettenautomat ist, wo man oben Geld reinwirft und unten kommt "Integration" raus. Da muss man Geduld haben. Natürlich kämpfen wir mit den Versäumnissen der 80er und frühen 90er Jahre. Ich bin Ottakringer, ich lebe in Ottakring, und nicht, wie Herr Strache behauptet, in einer Villa in Döbling. Ich kenne den Brunnenmarkt seit fast 40 Jahren. Der würde nicht mehr existieren, wenn es nicht unsere türkischen und serbischen Mitbürger gäbe. Die Leute sollen sich einmal diese Stadt ohne Ausländer vorstellen. Die Krankenhäuser, die Altenpflege, die Märkte und viele andere Lebensbereiche. Von Straches Hetze kann in unserem Wien niemand gut leben.

Die Furche: Uns fehlt die publizistische Gegenbewegung auf den Plakatwänden.

Häupl: Da haben Sie nicht unrecht. Aber wie Sie bemerkt haben, wir haben unsere Inserate auch umgestellt, es gibt keine Wohlfühlplakate mehr, das wäre lächerlich. Auch wenn wir stolz sind, soeben als lebenswerteste Stadt der Welt ausgezeichnet worden zu sein. Aber wir wollen dort die Auseinandersetzung suchen, wo sie zu führen ist.

Die Furche: Wann wird es einen SPÖ-Politiker geben, der in der Disco Autogramme auf Busen von Besucherinnen schreibt?

Häupl: Den wird es nie geben!

Die Furche: Im Ernst, wer wird den Kernbereich Jugend übernehmen?

Häupl: Unsere Jungen sind genauso in den Discos. Der Unterschied ist nur, dass Strache persönlich dort hinkommt und ich nicht. Das werde ich auch in Zukunft nicht tun, denn wenn der Opapa um Mitternacht in die Disco geht, ist das nur lächerlich. Man muss mit den Jungen Tacheles reden: Es mag euch freuen, dass Strache in die Discos kommt und Freibier spendiert. Aber wir bringen euch die Ausbildungs- und Arbeitsplätze - entscheidet, was euch wichtiger ist.

Die Furche: Da könnte Ihnen die steigende Arbeitslosigkeit einen Strich durch die Rechnung machen …

Häupl: Da muss man ehrlich sein und sagen, wir können nicht alle Probleme lösen. Aber wir werden uns unglaublich bemühen.

* Das Gespräch führten R. Bogensberger und O. Tanzer

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