Streit um Machtfragen nervt mich"

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Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller (SP) über die Führungskrise in ihrer Partei, den Neustart der Koalition und die Gesundheitsreform.

Die Furche: Frau Landeshauptfrau, es wurde in den letzten Wochen von einer Führungskrise in der SPÖ gesprochen. Es gab etliche Querschüsse aus den Bundesländern, auch von Ihnen. Ist diese Führungskrise nun nach dem Oster-Neustart der Koalition vom Tisch?

Gabi Burgstaller: Nein, es hat keine Führungskrise in der SPÖ gegeben. Es gab aber dieses Unbehagen, dass sich zwar die SPÖ in der Bundesregierung um Verbesserungen für die Menschen bemüht, dass aber keiner davon weiß. Ich stelle immer wieder im direkten Gespräch mit den Menschen fest, dass der Großteil dessen, was in den letzten 14 Monaten an Positiven passiert ist, gar nicht wahrgenommen wird, weil dauernd gestritten wird. Also erwarte ich mir, dass endlich das Gemeinsame vor das Trennende gestellt wird. Das ist die Kunst des Regierens. Ich glaube und hoffe, dass alle daraus gelernt haben. Das Ziel muss eine Regierung sein, die für die Menschen arbeitet. Wenn sie das mit diesem Neustart wirklich zustande bringt, dann geht es wieder aufwärts.

Die Furche: War dann die ganze Führungskrise-Diskussion nur medial inszeniert?

Burgstaller: Die Diskussionen innerhalb der Partei hingen mit inhaltlichen Fragen zusammen. In den letzten Tagen hat sich sehr viel bewegt. Bundeskanzler Gusenbauer hat bei diesem Kompromiss sehr viel für die Menschen erreicht; immerhin profitieren fast drei Millionen Menschen unmittelbar davon, und zwar jene, die ohnedies am meisten Unterstützung brauchen. Alfred Gusenbauer hat daher meine Hochachtung und Unterstützung. Entscheidend sind immer Ergebnisse und nicht irgendwelche Personaldebatten.

Die Furche: Sie sagten vorhin, alle haben daraus gelernt. Was zum Beispiel? Etwa Verbesserungen in puncto parteiinterner Kommunikation?

Burgstaller: Sie werden doch nicht glauben, dass ich nur öffentlich Kritik übe. Sie können sicher sein, dass ich immer zuerst den Weg über den Telefonhörer und über das persönliche Gespräch suche. Manchmal habe ich aber auch das Recht, das zu sagen, was mir Hunderte Funktionäre mit auf den Weg geben. Man soll sich nicht zu sehr verbiegen. Da steckt keine Strategie dahinter, sondern Verärgerung.

Die Furche: Sehen Sie auch Lern- bzw. Veränderungsbedarf in der Parteistruktur Ihrer Partei? Stichwort: Neue Gesichter versus Sesselkleben.

Burgstaller: Es braucht einen guten Mix aus neuen Gesichtern und erfahrenen. Ich glaube, dass das Sesselkleben generell nicht mehr so aktuell ist wie früher, es wurden Politikerprivilegien abgeschafft. Bei den Politikerpensionen gibt es keine Zehn-Jahresfrist mehr, die man brauchte, um eine Politikerpension zu bekommen. In der jetzigen Bundesregierung gibt es doch einige neue Gesichter, etwa Unterrichtsministerin Claudia Schmied, die sich unglaublich bemüht, wenn man sie nur lässt …

Die Furche: … wenn man sie lässt, das ist das Problem.

Burgstaller: Das Problem ist VP-Bildungssprecher Fritz Neugebauer. Das ist ein altes Gesicht in der Politik, ein Bremser par excellence. Er macht seine Aufgabe als Personalvertreter gut, aber es gehört auch dazu, über den Tellerrand hinauszublicken. Aber es liegt nicht nur an neuen Gesichtern. Am meisten widert es die Menschen an, wenn ständig gestritten wird. Die Menschen wollen Lösungen und inhaltliche Diskussionen. Es ist spannend, verschiedene Meinungen zu hören. Aber der Streit um Personen, um kleinliche Machtfragen, das nervt.

Die Furche: Die Parteibasis nervt auch, dass Versprechen nicht eingehalten wurden. Auch die große Steuerreform wird nicht vorgezogen, wie von Gusenbauer ultimativ gefordert. Ihre Partei verkauft den Kompromiss jetzt folgendermaßen: ohne Gusenbauers Ultimatum wäre dieser Kompromiss nie möglich gewesen. Sehen Sie das auch so?

Burgstaller: Eine klare Ansage, was für die Bevölkerung zu tun ist, war notwendig. Die Form muss jeder selbst entscheiden. Da es sehr schwierig ist, eine Zustimmung von der ÖVP zu bekommen, hat es zu diesem Ultimatum wahrscheinlich keine Alternative gegeben. Daher war ein derartiger Paukenschlag notwendig.

Die Furche: Sie haben den Kompromiss bzw. Neustart in einer ersten Reaktion als "schönen Erfolg" gewertet. Wie wollen Sie das der (Salzburger) Bevölkerung verkaufen?

Burgstaller: Das wird nicht meine Aufgabe alleine sein, sondern vor allem jene der Bundesregierung. Entscheidend ist, dass man zur richtigen Zeit die richtigen Antworten findet. Wir erleben gerade, dass die hohe Inflation die Bevölkerungsgruppe mit wenig Einkommen besonders belastet. Daher war es richtig, dass die Bundesregierung als ersten Schritt zur Entlastung ungefähr eine Millionen Menschen erreicht, die bis zu 1350 Euro brutto im Monat verdienen. Weitere Schritte werden aber folgen müssen; vor allem der Mittelstand darf sich zurecht von der Bundesregierung eine Entlastung erwarten.

Die Furche: Wie soll das alles finanziert werden? Irgendwo muss das Geld ja wieder eingetrieben werden?

Burgstaller: Die Kleinverdiener-Entlastung kann über Bundesbudgetmittel getragen werden. Das haben sich die Menschen schon selbst über die "kalte Progression" (jährliche Mehrbelastung der Lohnsteuerzahler aufgrund der Inflation; Anm.) bezahlt. Zudem hat der Staat allein durch die Inflationsentwicklung, durch höhere Preise auch bei der Mehrwertsteuer, mehr eingenommen. Der Bund hat eine sehr gute Einnahmesituation und soll diese Einnahmen auch mit den Menschen, die es dringend brauchen, teilen. Die Entlastung für Kleinverdiener ist ausfinanziert.

Die Furche: Und die Entlastungen für den Mittelstand?

Burgstaller: Da wird es sicherlich schon schwieriger. Grundsätzlich heißt Politik, darauf zu achten, wo gibt es Ausgaben, die nicht mehr zeitgemäß sind. Da fehlt manchmal der Mut. Man könnte etwa in der Bürokratie schauen, wo es Einsparungspotenziale gibt.

Die Furche: Zur Gesundheitsreform: Hier könnte es sich zwischen den Koalitionspartnern wieder spießen, denn es gibt noch Auslegungsunterschiede, ob eine Vermögenszuwachssteuer kommen muss (SP) oder nur als letztes Mittel kommen kann (VP). Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky ist überzeugt, es ginge auch ohne. Wie ist Ihre Meinung?

Burgstaller: Angesichts des hohen Niveaus in der Gesundheitsversorgung ist es naiv zu glauben, Einsparungen im Gesundheitssystem würden zur Finanzierung ausreichen. Natürlich müssen alle Einsparungspotenziale ausgeschöpft werden, und Salzburg ist da auf einen guten Weg.

Die Furche: Gesundheitsministerin Kdolsky kündigt an, dass bald ein Gesamtkonzept vorliegen wird.

Burgstaller: Ich kann bis jetzt nirgendwo die großen Vorschläge erkennen. Mir soll es recht sein, wenn das alles geheim ist und erst auf den Tisch kommt, wenn es wirklich ein großes Werk ist. Aber momentan bin ich da eher skeptisch. Aber ich lasse mich gerne vom Besseren überzeugen.

Die Furche: Sie sind mit der Arbeit von Frau Kdolsky nicht zufrieden.

Burgstaller: Ich erwarte mir, dass sie mehrere Gänge zulegt. Die Gesundheitsministerin hätte bereits früher aktiv werden können, um nach Effizienz- und Einsparungspotenzialen zu suchen. Wir in Salzburg haben unsere Hausaufgaben in dem Bereich gemacht. Wir haben für die Spitäler ein Konzept zur Abstimmung der Leistungen fix und fertig beschlossen. Der Bund hat dem zugestimmt. Derzeit arbeiten wir an der Strukturplanung für den niedergelassenen Bereich und für die Ambulanzen. Wir haben sehr viele konstruktive Vorschläge eingebracht und warten nur noch auf das grüne Licht aus Wien.

Das Gespräch führte Regine Bogensberger.

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