St. Pölten ist nicht Wien

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Von dem Vorteil Landeshauptmann zu sein und den Mühen der Bundesebene.

Erwin der Prächtige hat also triumphiert. Es war ein - wenn auch vielleicht nicht in diesem Ausmaß - erwartbarer Sieg: Der niederösterreichische Landeshauptmann ist jener rar gewordene Typ des instinktsicheren Vollblutpolitikers, der weit über die Grenzen der angestammten Parteigänger hinaus breite Mehrheiten hinter sich zu versammeln weiß: sozial wie weltanschaulich, von urban bis bodenständig, von den "kleinen Leuten" bis zu den Eliten, von traditionell orientierten Wertkonservativen bis zu liberalen Geistesmenschen. Ein in offenkundig kritischer Intention geschriebener Falter-Essay (Nr. 10/08) hat ungewollt positiv das Phänomen Pröll beschrieben: "Gestern schüttelte er am Volksfest einem Arbeiter die Hand, heute besucht er den Blutkünstler Hermann Nitsch, morgen sitzt er mit Raiffeisengeneral und Landesoberjäger Christian Konrad zur Messe." Genau so ist das.

Man muss freilich hinzufügen, dass dieses Programm in den Ländern leichter zu spielen ist als im Bund (ohne dass es deswegen irgendjemand aus der Riege der Landeshauptleute, mit Ausnahme Michael Häupls, auch nur annähernd so virtuos beherrschte wie Pröll): vor allem deswegen, weil die Landeskinder ihr Geld nicht selbst verdienen müssen, sondern vom Staatsvater mit einem recht großzügig bemessenen Taschengeld ausgestattet werden. Dieses "Finanzausgleich" genannte System bedeutet eine strukturelle Privilegierung, die es den Länderchefs auch erlaubt, sich zu einer Art von "Antipolitikern" zu stilisieren, die mit guten Ratschlägen für "die in Wien" gerne zur Stelle sind, ohne dass sie in Gefahr kämen, dafür selbst Verantwortung tragen zu müssen. Wen wundert es da, dass laut einer Umfrage für den ORF-Report Pröll und Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller von ihrer jeweiligen Anhängerschaft eindeutig als Spitzenkandidaten für die entsprechenden Bundesparteien favorisiert werden?

Gerade deswegen werden freilich Pröll und Burgstaller nie nach Wien gehen, wie sich auch etwa ein Josef Krainer dem Ruf stets klug verweigert hatte; genau deswegen aber sollte man auch nicht von welchem Land auch immer auf den Bund schließen. Auch dass das BZÖ ein regionales Phänomen bleiben wird, hat hierin seinen Grund - und ein Blick zur bayrischen CSU lehrt, dass es sich anderswo genauso verhält: "Laptop und Lederhose" funktioniert weder in Berlin noch in Wien.

Was hier nur andeutungsweise skizziert werden konnte, wurzelt letztlich in der föderalen Struktur des Staates. Diese entsprechend zu modifizieren und modernisieren wäre - unter dem Titel "Staats- und Verwaltungsreform" - eines jener "großen Projekte" gewesen, für deren Realisierung es angeblich einer Großen Koalition bedarf. Wie beispielsweise auch eine "nachhaltige" Steuer- oder Gesundheitsreform. Inzwischen kann freilich niemand mehr glauben, dass diese (oder überhaupt irgendeine?) Große Koalition dergleichen zustande bringt, geschweige denn Besseres als irgendeine andere Regierungskonstellation zu leisten imstande wäre. So äußerte etwa der SP-nahe Politologe Emmerich Tálos jüngst im Ö1-Morgenjournal die Vermutung, die Regierung werde sich bei Steuer- und Gesundheitsreform nicht einigen können.

Warum denn auch? Hier stehen einander ja zwei Parteien mit im Grundsätzlichen verschiedenen Sichtweisen gegenüber: da ein eher sozialstaatlich orientiertes, dort ein tendenziell auf Eigenverantwortung abzielendes Modell. Dabei beanspruchen beide legitimer Weise, dass ihr Zugang nicht nur der eigenen Klientel zupass kommt, sondern für das gesamtgesellschaftliche Wohlergehen förderlicher sei. Dies auf die einzelnen Politikfelder herunterzubrechen und, daran anknüpfend, in einen Wettbewerb der Ideen einzutreten, wäre Demokratie mit einem Wechselspiel der Kräfte.

Stattdessen aber haben wir ein System, das agnostisch und katholisch geprägte "sozialpartnerschaftliche Ästhetik" (© Robert Menasse) perpetuiert. Die ursprünglich zurecht als Systemvorteil gepriesene Harmonisierung der Gegensätze kippt zunehmend in Lustlosigkeit der Politiker, auf welche die Wähler mit ihrem "Gesudere" (© Gusenbauer) reagieren.

rudolf.mitloehner@furche.at

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