"Die leise innere Stimme“

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Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll feiert am 24. Dezember seinen 65. Geburtstag. Mit der FURCHE sprach er über Land und Bund, seine Partei, die Kirche und den Glauben.

Am Heiligen Abend erreicht Erwin Pröll das reguläre Pensionsantrittsalter. Dass er noch "meilenweit“ vom Ruhestand entfernt sei, will er so nicht bestätigen. Aber Signale in Richtung länger Arbeiten seien jedenfalls ein Gebot der Stunde.

DIE FURCHE: WKO-Präsident Christoph Leitl hat kürzlich bei seinem traditionellen Weihnachtsempfang sehr kritisch vermerkt, "Stillstand“ sei das "Wort des Jahres 2011“. Stimmen Sie dem Befund zu?

Erwin Pröll: Ja, wissen Sie, ein Befund ist relativ leicht zu machen. Wichtig wäre, dass endlich gehandelt wird. Es müssten gerade auch in der Sozialpartnerschaft entsprechende Initiativen gesetzt werden - in Zusammenarbeit mit der Bundesregierung.

DIE FURCHE: Nun betreffen aber viele der seit Jahren am Tisch liegenden Reformvorschläge die Länder: Verkleinerung der Landesregierungen und Landtage (was jetzt in der Steiermark passiert), Spitäler, Landesschulräte …

Pröll: Zu den Spitälern sage ich Ihnen ganz offen: Wir haben unzählige Anläufe unternommen, mit dem Burgenland bei den Krankenhäusern Hainburg und Kittsee einen gemeinsamen Verbund zu schaffen - das ist vom Burgenland immer abgelehnt worden. Ich verstehe das überhaupt nicht; In Niederösterreich haben wir beste Erfahrungen mit Spitalsverbünden gemacht, wo mehrere Spitäler unter einer Direktion geführt werden. Im Jahr 2010 hatten wir eine Steigerung der Spitalsbetriebskosten von 0,8 Prozent - in den anderen Bundesländern sind es acht bis zehn Prozent. Ich verstehe das Burgenland auch deswegen nicht, weil wir sogar staatsübergreifend zusammenarbeiten: Zwischen Gmünd und ˇCeské Velenice gibt es eine enge Kooperation unter dem Namen "healthacross“. Bei den Landesschulräten müssen Sie die zuständige Bundesministerin fragen: Vor einem Jahr sind wir darangegangen, die Schulverwaltungen zu entrümpeln, letztendlich aber hat Ministerin Schmied dann nein gesagt - warum, weiß ich nicht. Zur Steiermark: In Niederösterreich betreut ein Landtagsabgeordneter 29.000 Landsleute, in der Steiermark 21.000, in Wien 17.000, in Salzburg 14.000, in Vorarlberg 10.000 und im Burgenland 7000. Auch nach der Verkleinerung des Landtags in der Steiermark wird der Effizienzvergleich noch immer zugunsten von Niederösterreich ausgehen. Und was die heftig diskutierten Gemeindefusionierungen betrifft: Das, was die Steiermark jetzt versucht, das haben wir in den siebziger und achtziger Jahren absolviert.

DIE FURCHE: Sie haben für viel Wirbel mit Ihrer Forderung nach einer Art "Reichensteuer“ in einem Interview mit der "Presse am Sonntag“ gesorgt. Wie hat Ihnen denn der Auftritt von Johanna Mikl-Leitner mit dem inzwischen legendären "Her mit der Marie“-Sager gefallen?

Pröll: Zunächst lege ich größten Wert darauf, dass der Vorschlag, den ich gemacht habe, nicht gleichzusetzen ist mit den Ideen, die in manchen sozialistischen Köpfen herumgeistern. Mir geht es um Folgendes: Ich glaube, dass es in einer schwierigen Zeit auch wichtig ist, Signale zu setzen. Und ich glaube auch, dass sogenannte "Superreiche“ ein Interesse daran haben müssen, dass das soziale Gleichgewicht und der soziale Friede gewahrt bleiben. Aussagen und Auftritte von anderen bewerte ich grundsätzlich nicht.

DIE FURCHE: Warum redet die ÖVP überhaupt von neuen Belastungen? Müsste sie nicht - im Gegensatz zu SPÖ, Grün und auch FPÖ - sagen: Solange die Hausaufgaben nicht gemacht sind, ist mit uns an neue Steuern, welcher Art auch immer, nicht zu denken?

Pröll: Ich bin grundsätzlich Ihrer Meinung. Ich glaube auch, dass es dringend notwendig ist, den Weg der Budgetdisziplin wesentlich entschlossener zu beschreiten. Je früher man über einnahmenseitige Maßnahmen spricht, desto geringer wird der Druck übers Sparen zu reden. Trotzdem wird es langfristig wohl ganz ohne einnahmenseitige Schritte auch nicht gehen.

DIE FURCHE: Wie geht es der Bundes-VP Ihrer Einschätzung nach? Umfragen zufolge ist sie meilenweit von Platz 1 entfernt - wie kann sie sich diesem Ziel wieder annähern?

Pröll: Ich glaube, dass die ÖVP mit Michael Spindelegger und der Regierungsmannschaft gar nicht so schlecht aufgestellt wäre. Spindelegger ist ein Mann, der sowohl innen- als auch außenpolitisch klare Vorstellungen hat. Das kann man von seinem Pendant nicht unbedingt behaupten. Und ich glaube, dass die Seriosität, die Spindelegger auszeichnet, gerade in einer Zeit wie dieser ein unglaubliches Asset sein kann.

DIE FURCHE: Eine Zeitlang hatte man den Eindruck, die ÖVP will vor allem die Ära Schüssel möglichst schnell vergessen machen …

Pröll: Von mir werden Sie diesbezüglich jedenfalls keine Äußerung in diese Richtung finden. Wolfgang Schüssel hat unglaublich viel bewegt, er hat erstarrte Strukturen aufgebrochen, er war international angesehen. Er war nicht immer ein angenehmer Partner, auch nicht für die Landeshauptleute; er war aber ganz sicher kein Zentralist, das soll auch einmal gesagt werden. Alles in allem: All jene, die Wolfgang Schüssel - aus welchen Gründen auch immer - übel mitgespielt haben, werden noch vom Saulus zum Paulus werden.

DIE FURCHE: Sie feiern Ihren Geburtstag am Heiligen Abend - was bedeutet Ihnen Weihnachten?

Pröll: Mich hat sehr mein schwerer Unfall als Kind geprägt, als ich zwischen Tod und Leben geschwebt bin; natürlich ganz allgemein das Elternhaus, die dörfliche Umgebung, die katholische Sozialisierung. Ich glaube, dass wir in einer Zeit leben, in der es gut wäre, die Glaubenswurzeln wieder stärker zu entdecken. Dafür ist es auch notwendig, sich aus der unglaublichen Hektik, in der wir leben, ein wenig herauszureißen und dem Laut der Welt zu entfliehen. Dann wird der Kopf wieder rein und man hört die leise Stimme, die jeden Menschen begleitet.

DIE FURCHE: Wie sehen Sie die Spaltungstendenzen in der katholischen Kirche?

Pröll: Mit großer Sorge und großem Schmerz. Weil ich glaube, dass gerade diese so raschlebige Zeit den einzelnen oft verwirrt, die Wert- und Rangordnung im menschlichen Leben vielfach über den Haufen geworfen wird. Hier hätte die katholische Kirche - und überhaupt die Religion - die Aufgabe einen Handlauf zu bieten. Wir sind in eine Zeit hineingeraten, in der alles und jedes kritisch hinterfragt wird. Das hat natürlich sein Gutes. Aber es sind auch tradierte Werte brüchig geworden, die den Menschen durch die Jahrhunderte Halt gegeben haben. Solche Werte hätten auch und gerade heute eine unglaubliche Bedeutung. Durch die vordergründigen Diskussionen über die Struktur der Amtskirche wird leider der eigentliche Kern der Botschaft verdeckt - und das ist sehr bedauerlich.

Erwin Pröll. Profil eines Politikers

"Zum Glück gewinnt immer die Zuversicht“

Von Helmut A. Gansterer, Christiane Scholler, Styria Premium 2011

268 Seiten, gebunden, € 24,99

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