"Keine Lust auf Demonstrationen"

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Wie Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer gegen die Wirtschaftskrise ankämpfen will, warum er eine Beteiligung der Länder an den Budgetsparplänen des Finanzministers ablehnt und warum er auf ein Letzt-Entscheidungsrecht in umstrittenen Asylfällen gerne verzichtet.

Josef Pühringer ist seit 1995 Landeshauptmann von Oberösterreich. Als solcher steht er im Herbst dieses Jahres zur Wahl. Im Interview spricht Pühringer über die Wirtschaftskrise, Sparpakete und die Bundesstaatsreform.

Die Furche: Linz ist seit 1. Jänner europäische Kulturhauptstadt. Fürchten Sie, die Wirtschaftskrise könnte Ihnen das Fest verderben?

Josef Pühringer: Der Start ist jedenfalls gelungen, bei aller Kritik, die es da und dort gab. Allein zur Eröffnung sind 135.000 Menschen gekommen. Wir haben eine echte Chance, uns als Land Oberösterreich und als Stadt Linz zu präsentieren, als das, was wir sind: Das wirtschaftliche und das künstlerisch moderne Herz der Republik.

Die Furche: Dem wirtschaftlichen Herz der Republik, wie Sie es nennen, geht es im Vergleich zu anderen Bundesländern derzeit noch gut. Die Zahl der Konkurse ist geringer. Trotzdem gibt es große Sorgen wegen der Autoindustrie.

Pühringer: Zunächst profitieren wir von den Strukturreformen der vergangenen Jahre. Wir haben die höchste Exportquote aller Bundesländer gemessen an der Einwohnerzahl. Wir haben das höchste Wirtschaftswachstum und haben seit 2000 die niedrigste Arbeitslosenquote. Wir haben nicht den Fehler gemacht, auf alte Strukturen zu setzen und diese künstlich am Leben zu erhalten. Rund um Linz hat sich ein dichtes Netz von Klein- und Mittelbetrieben entwickelt, die ebenfalls tausende Arbeitsplätze sichern.

Die Furche: Die Autoindustrie wird derzeit häufig als absterbender Sektor genannt. Fällt dieser Bereich für Sie auch unter alte Strukturen, die nicht künstlich erhalten werden sollen?

Pühringer: Die Automobilindustrie wird man nie als sterbende Industrie sehen können. Die Mobilität unserer Gesellschaft wird weiter zunehmen. Vielleicht hat es zuletzt Überproduktionen gegeben. Manche Hersteller sollen ja auf Halde produziert haben. Das ist dann in so einer Situation natürlich ein Problem.

Die Furche: Was also tun?

Pühringer: Um der ganzen Industrie zu helfen ist ein Bundesland alleine überfordert. Wir selbst helfen der Wirtschaft im Rahmen unserer Möglichkeiten. Wir haben ein Sonderkonjunkturprogramm über 350 Millionen Euro beschlossen. Wir investieren in Forschung, Entwicklung und Bildung und auch in die thermische Sanierung von Gebäuden. Unser Landesbudget ist aber nicht größer als vier Milliarden Euro. Um Industrien zu stützen muss sich die Bundesregierung etwas einfallen lassen.

Die Furche: Die Bundesregierung hat bisher zwei Milliardenpakete geschnürt, der Finanzminister fordert aber auch eine Milliarde Einsparungen über eine Bundesstaatsreform ein, die auch Länder und Gemeinden treffen wird.

Pühringer: Dazu sind mehrere Dinge zu sagen. Erstens: der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern über die finanzielle Lastenverteilung steht bis 2013. Ich gehe davon aus, dass niemand diesen Finanzausgleich in Frage stellt. Der Finanzminister wäre nicht gut beraten, das zu tun. Zweitens: Es darf auch kein Unterlaufen dieses Finanzausgleiches geben. Wenn gespart wird, dann jeder auf seiner Ebene und jeder zugunsten seiner eigenen Kasse. Aber es können Bundesreformen mit Sicherheit nicht darin bestehen, dass man weniger an die Länder auszahlt. Oder dass die Länder Aufgaben übernehmen müssen, aber dafür kein Geld bekommen. Das lehne ich strikt ab.

Die Furche: Aber Sie kennen auch die Rechnungshofberichte, die von Einsparungsmöglichkeiten durch eine Staatsreform von bis zu vier Milliarden Euro sprechen.

Pühringer: Auch dazu ein offenes Wort. Ich bin absolut für die Beseitigung der Doppelgleisigkeiten. Was den Menschen nichts bringt und nur Bürokratie ist, kann eingespart werden. Da kann man mit uns über alles reden. Die Länder sind sicher keine Reformverweigerer und Oberösterreich schon gar nicht. Wir haben in der Landesverwaltung mit Ausnahme von Schulen und Spitälern zwischen 1992 und 2009 die Dienstposten von 8702 auf 7066 reduziert - und das allein durch Neuorganisation und nicht durch Entlassungen. Das muss uns erst einer nachmachen.

Die Furche: Sie haben jetzt die Bereiche Pflege Bildung und Spitäler ausgeklammert. Warum?

Pühringer: Im Bereich Spitäler, Pflege und Bildung, also in der gesamten Dienstleistung der Länder, haben wir einen immensen Anstieg der Budgets zu verzeichnen, weil die Qualität der Dienstleistungen steigen muss. Der Bund muss zur Kenntnis nehmen, dass die Länder mit diesen drei Aufgaben dynamisch stark wachsende Bereiche haben, die mit dem normalen Steigerungspotenzial bei den Landesbudgets nicht bewältigbar sind. Daher werden die Länder, sollten sie auch in Zukunft die Spitäler in ihrer Verantwortung haben, dafür mehr Geld brauchen. Die Bevölkerung wird permanent älter und die Serviceleistungen steigen gewaltig an.

Die Furche: Wenn Sie aber in den Kernbereichen immer mehr Geld brauchen, wo soll dann bundesweit eine Milliarden-Einsparung stattfinden?

Pühringer: Ich beteilige mich nicht an den Milliardenrechnungen. Ich kann sie nicht nachvollziehen und kann nur sagen, dass wir die Reformen im Verwaltungsbereich niemals so diskutiert haben, dass dort Milliarden einzusparen wären. Ich weiß nicht, wo man soviel einsparen könnte - außer man reduziert die Qualität der Leistungen. Aber noch einmal: Wir sind keine Reformverweigerer. Wenn mir jemand aufzeigt, wo unsinnige Doppelgleisigkeiten passieren, dann bin ich sofort bereit, diese abzuschaffen. Ich weigere mich auch nicht, Kompetenzen zu übernehmen - nur muss der Bund uns dann finanziell so ausstatten, dass wir diese Verantwortung dann auch übernehmen können.

Die Furche: Dann bleibt der Finanzminister alleine, wenn er sagt, dass es Einsparungen geben wird, die allen weh tun werden, also auch den Ländern.

Pühringer: Er soll denen weh tun, die unter seiner Verantwortung stehen. Wir haben einen Finanzausgleich bis 2013 und ich gehe nicht davon aus, dass er diesen in Frage stellt.

Die Furche: Thema Asylpolitik. Derzeit ist ein Gesetzesentwurf in Begutachtung, der die Letztentscheidung über strittige Fälle des humanitären Bleiberechts dem Landeshauptmann zur Entscheidung überlassen würde. Sie sind dagegen. Aber kann ein Landeshauptmann einen Fall nicht viel besser beurteilen als ein Minister in Wien?

Pühringer: Wenn man das vor Jahren gemacht hätte, dann hätten wir darüber reden können. Aber jetzt, wo die Fälle alle verfahren sind, jetzt sollen wir den Karren aus dem Graben ziehen? Ich habe keine Lust, dass wir jeden Tag eine Demonstration vor dem Landhaus haben für oder gegen einen Fall.

Die Furche: Das heißt, dass bekannte Fälle, wie etwa jener der Familie Zogaj, durch Sie anders gelöst worden wären als von den Innenministern?

Pühringer: Das sage ich nicht. Ich lege nur Wert auf ein rechtsstaatlich korrektes, menschliches und faires Verfahren. Ich werde mich aber zu keinem Einzelfall äußern. Ich habe auch nichts gegen einen Beirat, der über die Einzelfälle berät. Aber ich mache darauf aufmerksam, dass das nur ein vertrauliches Gremium sein kann, mit geheimer Stimmabgabe. Noch einmal prinzipiell: Ich sehe keinen Fortschritt darin, dass man die Fälle wie eine heiße Kartoffel nach dem Beirat einfach vom Innenministerium an die Länder weiterreicht. Wo soll da der menschliche Fortschritt liegen?

Die Furche: Spielt da nicht auch der kommende Wahlkampf in ihrem Bundesland eine Rolle? Oberösterreich wählt im Herbst. Sie könnten als Landeshauptmann durch die Gewährung von Bleiberecht unter Beschuss durch die FPÖ kommen. Auch die SPÖ ist Ihnen zuletzt nahe gekommen.

Pühringer: Aus meiner Sicht gibt es derzeit nur ein Thema: Die Wirtschaftskrise und unseren Kampf gegen sie. Wir müssen um jeden Arbeitsplatz kämpfen, die Probleme aus der Sicht der Menschen lösen. Der Wahlkampf steht bei den Menschen derzeit wirklich nicht im Vordergrund. Wir kämpfen jedenfalls um jeden Arbeitsplatz und werden bis August voll arbeiten und den Wahlkampf dann so kurz wie möglich halten.

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