Harmonie in der Vielfalt

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Das eine tun, das andere nicht lassen - Oberösterreichs Erfolgsrezept wird fortgeschrieben: Forschung/Bildung und soziale Wärme, Tradition und Offenheit, wirtschaftliche Dynamik und ökologisches Bewusstsein sind richtungsweisende Markierungen auf dem Weg in die Zukunft. Es geht, mit anderen Worten, um den rechten Mix aus Augenmaß und Leidenschaft.

Tirol ist Berge, Wien ist Kultur, Kärnten ist Badeseen, Vorarlberg ist Österreichs Schweiz, die Steiermark ist grün: Natürlich sind auch diese Flachbilder eines Schriftstellers grobe Vereinfachungen - aber irgendwie drängen sie sich auf. Bei Oberösterreich drängt sich kein Einfachbegriff auf. Oberösterreich ist landschaftlich, wirtschaftlich, mentalitätsmäßig Vielfalt. Salzkammergut-Seen, Mühlviertler Steine, Linzer Industrien und Innviertler Goldhauben, Weißes Rössel und Bruckner-Orgel, Tassilo-Kelch und Biobauern wollen unter einen Hut gebracht werden.

Oberösterreich ist im Kleinen ein Abbild europäischer Vielfalt. Oberösterreich ist daher auch ein Testfall für eine sinnvolle Kompetenzverteilung zwischen Europa-, Österreich-, Bundesland- und Gemeindeebene. Im demnächst zu schaffenden Österreich-Konvent wird die Stimme der Länder zur Thematik Verfassungsreform dann Gewicht haben, wenn die Bereitschaft zu notwendigen Veränderungen ebenso glaubhaft zum Ausdruck gebracht wird wie das begründete Beharren auf unverzichtbaren Einrichtungen.

Anlässlich der Übernahme des Halbjahres-Vorsitzes im Bundesrat durch Barbara Pühringer Anfang 2002 ließ Landeshauptmann Pühringer (kein Verwandter) durchaus eine solche Flexibilität anklingen. Er verlangte für die Länderkammer bei Gesetzen, die Länderinteressen unmittelbar berühren, ein endgültiges und nicht nur aufschiebendes Einspruchsrecht und auch mehr Mitsprache in Budgetfragen, war aber gleichzeitig zum Verzicht auf Mitreden bei internationalen Verträgen bereit. Auch sollte der Bundesrat mit den Konferenzen der Landeshauptleute und der Landtagspräsidenten verzahnt werden, um diese in die Verfassung einzubinden.

In der Mehrstufigkeit staatlicher Tätigkeiten (Brüssel - Wien - Linz) sehen manche nur bürokratische und finanzielle Schwerfälligkeiten. In Wirklichkeit ist eine echte Arbeitsteilung (die keine Kostenerhöhung bedeuten muss) sinnvoller als blinder Zentralismus. Mit Recht wehren sich die Menschen gegen die Vorschreibung von Gurkenkrümmungen und Traktorsitzmaßen durch die EU. Mit gleichem Recht verteidigen Länder ihre größere Bürgernähe gegenüber den Staatszentralen. Solche Bürgernähe von der EU-Verwaltung zu verlangen, ist Illusion: Die Kommissäre können nicht in allen EU-Ländern Sprechtage abhalten. Die Verkörperung von Heimatgefühl, Landesidentität und Politik-Vermenschlichung vermitteln Landeshauptmann, Landesräte und Landtagsabgeordnete.

Ausgeprägte Kaliber

Oberösterreich hat speziell seit 1945 den Ruf einer besonders sorgfältig betriebenen politischen Führungsplanung. Keiner der vier Landeshauptleute war Zufallsprodukt oder Verlegenheitslösung. Alle waren sie ausgeprägte Kaliber, die bleibende Spuren hinterließen. Heinrich Gleißner hielt eisern das in zwei Besatzungsteile gespaltene Bundesland zusammen und schuf mit seiner (niemals standpunktlosen) Konzilianz ein legendäres Kooperationsklima unter allen politischen Parteien. Noch heute werden Beschlüsse in der Landesregierung zu 98 Prozent einstimmig gefasst. Erwin Wenzl schuf für das expandierende Land in die Zukunft weisende Strukturen, die den Wirtschaftsstandort Oberösterreich zunehmend attraktiv machten. Josef Ratzenböck entwickelte in der Wohnungspolitik Modelle, die für ganz Österreich taugten, und fuhr die Kulturpolitik kräftig hoch. Josef Pühringer machte Oberösterreich als erstes Bundesland Österreichs 1996 defizit- und 2002 schuldenfrei.

Immer stieg das Sozialbudget stärker als der Gesamthaushalt von Oberösterreich: auch das ein Unikum. Und wo sonst gibt der Landeshauptmann alle zwei Jahre einen Empfang für Entwicklungshelferinnen und -helfer und unterstützt diese mit einem Beitrag, der höher als in anderen Bundesländern ist und jedes Jahr gesteigert wird, selbst wenn die Gesamtsubventionen fallen? Ein vom Land zusammen mit anderen Institutionen gestifteter Preis für Entwicklungszusammenarbeit trägt den Namen des Oberösterreichers Eduard Ploier (der jahrelang auch Mitherausgeber der Furche war).

Das Land Oberösterreich fördert seit langem systematisch die Nutzung erneuerbarer Energien wie Biomasse, Sonnen- und Windenergie, Wärmepumpen, Fotovoltaik. Zehn Prozent der in Oberösterreich verbrauchten Energie wird bereits aus Biomasse erzeugt, mehr als ein Drittel aller Biomasse-Anlagen steht in diesem Bundesland, das auch über mehr Sonnenkollektoren-Flächen als Bayern verfügt. Eine eigene Umweltakademie bezeugt schon in die Wenzl-Ära zurückreichendes landesoffizielles Umweltbewusstsein, dem ja auch der forcierte Widerstand gegen das Nuklearkraftwerk Temelín entspringt.

EU-Erweiterung als Chance

Dennoch hat die oberösterreichische Landesregierung nie einen Zweifel an der Bejahung einer EU-Erweiterung ohne Vetodrohgebärden aufkommen lassen. Man sieht die möglichen Probleme wie in jedem anderen Grenzland, aber man übersieht nicht die Chancen, die damit verbunden sind: mehr grenzüberschreitender Handel, verstärkter kultureller Austausch, mehr menschliche Begegnungen mit der Heimat Adalbert Stifters und Alfred Kubins. Auch der nunmehr zügig betriebene Weiterbau der Straßenverbindung von Linz über Freistadt zur tschechischen Grenze steht im Dienst dieser Öffnungspolitik.

Die von der tschechoslowakischen Regierung nach der Befreiung 1945 des Landes verwiesenen Sudetendeutschen, die in überdurchschnittlich hoher Zahl nach Oberösterreich kamen, haben sich als anpassungsfähige, tüchtige Neubürger erwiesen. Sie stehen heute der Versöhnung mit den tschechischen Nachbarn, mit denen Oberösterreich so viele Gemeinsamkeiten der Geschichte teilt, nicht im Weg.

Die Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher sind im Lauf einer wechselvollen Geschichte mit Glaubenskämpfen und Bauernkriegen, Franzoseneinmarsch und Bürgerkrieg fertig geworden, sie haben Gewaltherrschaft und Weltkrieg hinter sich gebracht und unverdrossen immer wieder von vorne angefangen. Der Wiederaufbau nach 1945 und das Hineinwachsen in ein größeres Europa konnten aber auch auf historische Erfolgserfahrungen zurückgreifen: Immer wieder waren Kunst und Wirtschaft durch Zuzügler aus der Ferne ebenso befruchtet worden wie durch heimische Talente: Johannes Kepler und Thomas Schwanthaler, Josef Ressel und Rainer Maria Rilke bezeugen es ebenso wie Franz Stelzhamer, Anton Bruckner oder der aus Linz gebürtige und in Hongkong so erfolgreiche Großunternehmer Helmut Sohmen.

Prachtvolle Bauten aus Romanik und Gotik, Barock und Renaissance erzählen vom Kunstsinn christlicher Herrscher. Katholische Klöster haben früh Kultur und Agrikultur ins Land gebracht: Mondsee 748, Kremsmünster 777... Evangelische Prädikanten haben Glaubensfreiheit erfochten, Juden (seit 906 in Linz nachgewiesen) trotz grausamer Verfolgungen die Erinnerung an gemeinsame biblische Wurzeln wach gehalten.

Im Chorherrenstift Reichersberg am Inn hat Landeshauptmann Pühringer 1997 "Pfingstgespräche" für Politiker mit Wissenschaftlern eingeführt, die seither in regelmäßiger Wiederkehr zur geistigen Orientierung beitragen. Zum Auftakt hat Propst Eberhard Vollnhofer verkündet, was Politik zu sein hätte: Kunst nicht nur des Möglichen, sondern auch des Notwendigen, des "die Not Wendenden". In Oberösterreich haben alle politischen Verantwortungsträger irgendwie mitbekommen, wie umfassend das gemeint sein könnte.

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