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Die Lebensqualität heben!

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FURCHE: Herr Landeshauptmann, Sie haben in Ihrer Antrittsrede im Tiroler Landtag von der Notwendigkeit einer eigenständigen Tiroler Politik gesprochen. Was heißt das?

ALOIS PARTL: Jedes Bundesland soll eigene Prägungen der politischen Vorstellungen haben. Das ist - im Rahmen des österreichischen Föderalismus — kein Separatismus, sondern eine Bereicherung. Der Föderalismus ist überhaupt bestens geeignet, politische Kräfte zu mobilisieren. Die Menschen sind in der Politik ohnehin fast nur mehr passive Zuschauer, die nur distanziert kritisieren.

In Tirol gibt es eine große Bereitschaft der Bürger, mitzuge-stalten. Und wenn die Leute ansprechbar sind, wäre es ein großes Versäumnis, wollte man das nicht wecken und weiter entfalten.

FURCHE: In dem Zusammenhang setzen Sie nach Ihren eigenen Worten auch sehr viel auf Bürgermitbestimmung.

PARTL: Es gibt in Tirol sehr viele Bürgerinitiativen; Gruppen, die sich für ein bestimmtes Anliegen einsetzen. Ich denke da besonders an die „Arbeitsgemeinschaft Lebensraum Tirol“ , der mehr als 20 solcher Gruppen angehören. Das sind Leute, die sich für die Gemeinschaft engagieren, und sie erfüllen eine wichtige demokratische Aufgabe.

Natürlich gibt es bei uns auch antidemokratische Kräfte - etwa an der Universität. Aber bei 20.000 Studenten fallen die kaum auf. In unserer Politik werden wir mit sogenannten Chaoten nicht viel Zeit verschwenden.

FURCHE: Was für ein Tirol schwebt Ihnen vor: ein Land der Bauern, des Fremdenverkehrs oder der Industrie?

PARTL: Meine Präferenz gilt einem Tirol der freien und bewußten Partnerschaft. Die Landwirtschaft erfüllt bei uns eine unverzichtbare Aufgabe, nicht nur als Nahrungsmittelproduzent; sie dient der Sicherung des Lebensraumes.

Untrennbar ist damit natürlich der Fremdenverkehr verbunden: und zwar ein von der Bevölkerung, nicht vom fluktuierenden Kapital getragener Fremdenverkehr. Er ist ein ideales Instrument des regionalen Verdienstausgleichs und gut mit der Landwirtschaft zu verbinden. Der volkswirtschaftlich mächtigste Zweig ist bei uns die Industrie und das produzierende Gewerbe. Insgesamt geht mehr als die Hälfte in den Export; es gibt viele Betriebe, die mehr als 90 Prozent exportieren.

Unsere Sorge gilt der Erhaltung der Arbeitsplätze. Wir wollen der Jugend hier Arbeitsmöglichkeiten schaffen. Momentan wachsen um ein Viertel mehr Menschen in den Wirtschaftsprozeß hinein als in Pension gehen. Wir möchten hier auch etwas über die Landespolitik tun; Arbeitsplätze direkt fördern, Entwicklungsprogramme zur Verbesserung wirtschaftlich schwacher Regionen erstellen.

Wir haben auch ein Umweltschutzprogramm und beginnen jetzt mit der Dorf- und Stadterneuerung, desgleichen mit der Erstellung neuer Verkehrskonzepte. Das alles hat auch Auswirkungen auf die Beschäftigung.

Hinsichtlich der Verkehrsstruktur haben wir als konkretes Ziel die Errichtung einer neuen Transitbahnlinie vor Augen, die vorwiegend in Tunnels verlaufen soll. Diese Bahn soll dann bis zum Jahr 2000 jährlich an die 30 Millionen Gütertonnen aufnehmen — ohne Belastung von Bevölkerung und Umwelt. Wir wollen das nach rein wirtschaftli-. chen Gesichtspunkten finanzieren, nicht über Steuermittel.

FURCHE:Mit Ihrem Eintreten für Umweltschutz unterscheiden Sie sich von Ihrem Vorgänger Eduard Wallnöfer.

PARTL: Jede Zeit hat ihre Aufgaben. Wallnöfer mußte in einer Zeit riesigen Bevölkerungswachstums - Tirol hat seit 1949 um 60 Prozent von 360.000 auf 610.000 Einwohner zugenommen - Wohnungen errichten, die notwendige Infrastruktur schaffen, sich um neue Verkehrsstrukturen und um die Energiegewinnung kümmern. Jetzt haben wir eine ruhigere Periode. Es gilt, auf der Basis des Erreichten die Lebensqualität zu heben, das Verständnis füreinander zu fördern, das Nachbarschaftsund Heimatbewußtsein zu pflegen.

FURCHE: Kann die Tiroler Jugend dem zustimmen? Gibt es ein Tirolbewußtsein der Jugendlichen?

PARTL: Bei uns ist der Prozentsatz der gesellschaftlich integrierten Jugendlichen sehr hoch. Wir haben viele Vereine und Korporationen. Und jeder ist irgendwo Mitglied: da spielen weder das Alter noch der Beruf noch die Mitgliedschaft bei einer bestimmten Partei eine Rolle.

FURCHE: Ist den Nordtirolem Südtirol noch ein Anliegen?

PARTL: Mir persönlich liegt Südtirol sehr am Herzen. Niemand kann geistige oder kulturelle Grenzen durch das Land ziehen.

Es liegt mir sehr daran, das Bewußtsein um die gemeinsame Geschichte, Kultur und Lebensart zur Entfaltung zu bringen. Dabei sollte man sich durch Ereignisse tagespolitischer Art nicht die Sicht verstellen lassen. Ich verfolge jedoch mit großer Sorge eine gewisse Polarisierung in Südtirol, die in der sprunghaften Zunahme der Neofaschisten zum Ausdruck kommt.

Mit Landeshauptmann Alois Parti sprach Franz Gansrigier.

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