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Zeit für fruchtbare Arbeit

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In Oberösterreich bedeuten diese sechs Jahre also gut fünfeinhalb Jahre effektive politische Arbeit, denn auch Regierungsbildungen sind bisher immer sang- und klanglos, vor allem aber reibungslos über die politische Bühne gegangen, nicht zuletzt deshalb, weil während des Wahlkampfes nie zuviel Porzellan zerschlagen wird — und des, obwohl auch in Oberösterreich sehr hart gerungen wird: bei der Osterreichischen Volkspartei, um die absolute Mehrheit wieder zu erringen (wie 1955), oder (wie 1949 und 1961) zu erhalten. So kam es auch in der Nachkriegszeit zu einer einzigen vorzeitigen Landtagsauflösung (1949), um die Landtagswahlen gemeinsam mit den Nationalratswahlen durchzuführen, ein Experiment, das so bald kaum wiederholt werden dürfte. Verstärkt wird die Bedeutung der langen Legislaturperiode und die sichtbare Kontinuität in der Landespolitik durch die Tatsache, daß viele und maßgebliche Landespolitiker, nachdem sie relativ jung „zum Zug“ kommen, oft durch ein volles Menschenalter im Lande wirken können. Vor allem die Landeshauptleute Prälat Hauser (28 Jahre Landtagsabgeordneter, 19 Jahre Landeshauptmann) und Dr. Gleißner (Landeshauptmann zwischen 1934 und 1938, sowie seit 1945) haben Rekorde aufgestellt, die in Österreich nicht allzuviel Parallelen haben dürften. Hinzu kommt die Tatsache, daß schon fast traditionsgemäß in Oberösterreich die Landespolitik eine stärkere Faszination ausübt als die Bundespolitik und die merkwürdig erscheinende Tatsache, daß Landesund Bundespolitik zwei völlig getrennte Ebenen zu sein scheinen, denn ein Herüberwechseln von der einen zur anderen, also von der Bundespolitik zur Landespolitik oder umgekehrt, ist kaum jemals zu beobachten.

Wo Licht ist, gibt es natürlich auch Schatten, so auch hier. Eine solche spürbare Kontinuität läßt jeweils die Nachfolgefrage in den Hintergrund treten. In Oberösterreich werden keine Politiker „aufgebaut“, man wird nicht allzusehr von der Hast sich rasch folgender Wahlen berührt.

Trotzdem ist man mittendrin im „politischen Generationswechsel“, der teils freiwillig, teils unfreiwillig erfolgt: in der Wahlnacht 1955 starb ÖVP-Landeshauptmann-stellvertreter Felix Kern; bei den letzten Landtagswahlen schied mit 65 Jahren Landesrat KleUmayr (ÖVP) aus und eben sind andere Politiker bei der „Hofübergabe“. So hat der der ÖVP zugehörige Landeshauptmannstellvertreter Johann Bloch1, bereits vor Jahren den Posten eines Präsidenten der Landwirtschaftskammer zurückgelegt; kürzlich schied er als Obmann des

Bauernbundes und will, nachdem er eben sein 70. Lebensjahr vollendet hat, in absehbarer Zelt auch als Landeshauptmannstellvertreter zurücktreten. Bei der SPÖ löste sich der Linzer Bürgermeister Dr. Ernst Kortf Schritt für Schritt aus seinen Amtern, um eben als letztes sein Bundesratsmandat aufzugeben; ausgeschieden ist heuer im Frühjahr Landesrat Kolb (SPÖ) mit Vollendung seines 65. Lebensjahres, während der um sieben Jahre ältere sozialistische Landesrat Plasser, unter den Landtagsjournalisten wegen seines Humors und seines Sarkaamus beliebt und sonst wegen seiner klaren Gegnerschaft zu einer kleinen Koalition seiner Wiener Parteifreunde bekannt, noch klar die Stellung hält. Hier ist es vor allem der Kampf um Plassers Nachfolgeschaft, der die Frage kompliziert. Die Sozialisten wollen vor allem die oberösterreichischen Städte, in denen sie starke Positionen haben, auch im Landtag und in der Landesregierung vertreten haben. Hatte bisher der aus dem

Wahlkreis Plassers stammende junge Braunauer Bürgermeister Friedl gewisse Chancen, nach Plasser in die Landesregierung zu kommen, so sind nunmehr Tendenzen sichtbar, daß neben Steyr vor allem Wels in der Landesregierung vertreten sein soll. Ein Überwechseln des jetzigen Welser Bürgermeisters Spitzer in die Landesregierung würde darüber hinaus den begehrten Welser Bürgermeisterposten für einen schon wartenden Nachfolger freimachen.

1967: Mit Gleißner an der Spitze

Auch wenn bei Landeshauptmann Dr. Gleißner (72) festzustehen scheint, daß er den nächsten Wahlkampf 1967 anführen wird und sein Temperament und seine Aktivität immer wieder Staunen hervorruft, wenn der sozialistische Landeshauptmannstellvertreter Bernaschek immerhin scharf an die 65-Jahre-Grenze herankommt, so provoziert diese Situation doch immer wieder Kombinationen personeller Art. Für den Posten des kommenden Landeshauptmannes werden neben anderen Namen vor allem der von Landesrat Wenzl genannt, während sich auf sozialistischer Seite Nachfolgespekulationen vor allem um den heute 66jährigen Bürgermeister Aigner ranken, weniger um Landeshauptmannstellvertreter Bernaschek. Trotz aller guten Erfahrungen, die man nach Dr. Koref mit dem volkstümlichen einstigen Postbeamten Aigner gemacht hat, will man der künftigen Hochschulstadt Linz doch wieder einen Akademiker präsentieren und sieht (vorerst) als künftiges sozialistisches Stadtoberhaupt den Gerichtsmediziner Dr. Jarosch, wobei seine eigenen Parteifreunde nicht nur die kühle, unpersönliche Art kritisieren, sondern auch befürchten, daß sein deutlicher fachlicher Ehrgeiz seinen politischen Ambitionen schaden könnte. Jarosch ist vor allem der Exponent Berna-scheks, wie ja auch noch immer, wenn auch nicht so deutlich wie zu Zeiten Korefs, die Differenzen zwischen den sozialistischen Funktionären beim Land und bei der Landeshauptstadt sichtbar sind. Die Tatsache, daß Edmund Aigner zum Unterschied von Dr. Koref zwei entscheidende Funktionen in einer Hand vereinigt, die eines Bürgermeisters der Landeshauptstadt und diejenige eines Landespartei-obmannes, hat ihm merkwürdigerweise gegenüber Bernaschek kein Übergewicht verschafft.

Bünde sichtbar im Hintergrund

Bei allen personellen Kombinationen, die sich auf die Volkspartei beziehen, stehen die Bünde oder bündische Sonderinteressen — soweit solche überhaupt vorhanden sind — sichtbar im Hintergrund. Diese erfreuliche Tatsache hängt, ähnlich wie in vielen anderen Bundesländern, natürlich auch damit zusammen, daß die Bünde neben der Vertretung im Landtag und in der Landesregierung ihre Stellung und Position bei den Kammern nicht weniger schätzen und mit nicht weniger prominenten Männern besetzen, vor allem Wirtschafts- und Bauernbund. Merkwürdigerweise zeigt der sonst eher in der Defensive stehende Bauernbund die interessantesten Nachwuchspolitiker und sollte in absehbarer Zeit der Präsident der Landwirtschaftskammer, Diwold, ein kluger, bedächtiger und vertrauenerweckender Politiker, in die Landesregierung herüberwechseln, so befinden sich unter den genannten möglichen Nachfolgern durchwegs erfreuliche Persönlichkeiten, etwa die eines Dr. Lehner, eines Mediziners, der aber seit Jahren einen Hof bewirtschaftet und schon reiche Erfahrungen in der bäuerlichen Berufsvertretung gesammelt hat.

Daß die Bünde keine Vorrangstellung innerhalb der ÖVP genießen, mag wohl auch damit zusammenhängen, daß die bündische Zugehörigkeit mancher Politiker nicht ohne weiteres etwas Selbstverständliches ist, sondern allzuoft fast eine Zufälligkeit darstellt: Landeshauptmann Dr. Gleißner war als seinerzeitiger Direktor der Landwirtschaftskammer Angehöriger des Bauernbundes — sein Vater aber war Maschinenschlosser, er selbst ist Jurist. Der Vater von Landesrat Dr. Wenzl entstammt ebenfalls dem Arbeiterstand. Landesrat Kletzmayr war vom Wirtschaftsbund in die Landesregierung entsandt worden, sein Vater aber war vor zwanzig Jahren maßgeblicher Exponent der christlichen Arbeiterbewegung In Oberösterreich gewesen. Diese List«, die noch lange fortgesetzt werden könnte, zeigt aber nicht nur, daß innerhalb der Volkspartei die bündischen Grenzlinien verwischen, sie vermag auch den Sozialisten wenig Ansatzpunkte zu geben, Schlagworte der „Großen Politik“ in der Landespolitik zu wiederholen; sie war vielleicht auch die Ursache, daß trotz des außerordentlich starken Strukturwandels gerade in Oberösterreich die politische Lage zwar Wandlungen mitgemacht hat und noch mitmacht, die sich jedoch in bescheideneren Grenzen halten, als dies dem strukturellen und sozialen Wandel entsprechen würde.

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