Erhard Busek  - © FOTO: APA/GEORG HOCHMUTH

Erhard Busek: "Wir brauchen die Jungen"

19451960198020002020

Am 25. März feiert Erhard Busek, eine der profiliertesten Politikerpersönlichkeiten der letzten Jahrzehnte, seinen 70. Geburtstag. Ein Gespräch über Europa, SPÖ/ÖVP und die Kirche.

19451960198020002020

Am 25. März feiert Erhard Busek, eine der profiliertesten Politikerpersönlichkeiten der letzten Jahrzehnte, seinen 70. Geburtstag. Ein Gespräch über Europa, SPÖ/ÖVP und die Kirche.

Werbung
Werbung
Werbung

Erhard Busek hält auch in diesem Gespräch mit seiner Meinung nicht hinterm Berg: Das Agieren von Merkel und Sarkozy nennt er "uneuropäisch“, die Regierung besorge das Geschäft Straches - und die Kirche finde nicht die richtige Sprache.

DIE FURCHE: Einer der am häufigsten zitierten Sätze von Ihnen lautet: "Die EU ist ein big payer aber kein big player.“ Halten Sie an diesem Befund unvermindert fest?

Erhard Busek: Lissabon ist zweifellos ein Fortschritt gewesen, aber weit hinter den Notwendigkeiten zurückgeblieben. Die Art und Weise, wie die Funktionen besetzt worden sind, war ein Rückschritt. Es wurden die ausgesucht, die am wenigsten stark sind …

DIE FURCHE: Herman Van Rompuy und Catherine Ashton …

Busek: … das gilt auch für José Manuel Barroso. Man kann sich einfach nicht entschließen, starke Persönlichkeiten zu nehmen - Jean-Claude Juncker wäre so jemand gewesen; aber das wollen die Staats- und Regierungschefs einfach nicht. Sie glauben immer noch als Nationalstaaten, sie können die Dinge selber besorgen; das gilt auch zunehmend für Angela Merkel. Und das ist ein ganz großer Fehler.

DIE FURCHE: Der Befund stimmt also nach wie vor?

Busek: Jawohl, eher ist sogar das Nationalstaatliche noch stärker geworden. Ich bin von der gesamten Performance der EU enttäuscht. Wir würden schon längst für die Finanzmärkte globale Regeln brauchen, von der Klimafrage gar nicht zu reden; und das gilt auch für die Außenpolitik. Nehmen Sie den Mittelmeerraum. Da geht es nicht darum, dass die Franzosen mit der Mittelmeerunion wieder ein Spielzeug bekommen, sondern dass es politische Lösungen gibt. Und das gilt natürlich in Bezug auf Russland. Wir müssen damit rechnen, dass die Amerikaner, Inder, Chinesen, partiell die Russen Spieler am Feld sind - ohne die Europäische Union. Einzelne Mitgliedstaaten, die ein bisschen größer sind, glauben zwar, sie spielen da mit - aber sie spielen nicht mit.

DIE FURCHE: Apropos Frankreich und Deutschland. Es gibt immer wieder die Angst vor einem deutsch-französischen Direktorium. Andererseits ist die Union mit der Achse Bonn-Paris von De Gaulle-Adenauer bis Kohl-Mitterrand nicht schlecht gefahren …

Busek: … nur sieht die Union heute anders aus. Wir haben 27 Mitglieder, da gibt es auch Spieler am Feld wie etwa die Polen. Und die Strategie von Deutschland und Frankreich - Merkel eröffnet ja jede Stellungnahme mit "Nicolas und ich …“ - halte ich für falsch. Das ist uneuropäisch.

DIE FURCHE: Schon zu Ihrer Zeit wurde die Große Koalition als überlebt, gelähmt etc. kritisiert. Parallel zum Niedergang von SPÖ und ÖVP erfolgte der Aufstieg Jörg Haiders. Wiederholt sich die Geschichte derzeit als Farce - mit schwächerem Personal?

Busek: Da ist sicher was dran. Ich halte für den entscheidenden Punkt, dass wir nach dem Beitritt zur EU am 1. Jänner 1995 unsere Rolle in Europa nicht bestimmt haben. Dazu kommt, dass bei den Politikern, die dann gekommen sind, die Orientierung im Grundsätzlichen noch schwächer wurde. Es gibt keine Grundsatzorientierung mehr - weil es auch keine Grundsatzdiskussionen mehr gibt. Heute sehe ich bei den handelnden Personen: Sie sind alle untereinander per Du und gute Freunde - aber man weiß nie genau, was sie wirklich denken.

DIE FURCHE: Haben Sie nicht seinerzeit beklagt, mit dem Vranitzky könne man nicht einmal auf ein Bier gehen nach der Arbeit?

Busek: Das hat Rudolf Streicher erfunden - aber ich habe es bejaht. Nur, deswegen muss man ja nicht miteinander per Du sein.

DIE FURCHE: Josef Pröll hat nach der Schüssel-Ära eine Neupositionierung der ÖVP angekündigt und mit dem "Perspektivenprozess“ auch initiiert. Seither ist viel die Rede von einer "modernen konservativen Volkspartei“. Wissen Sie, was das ist?

Busek: Ich persönlich könnte mir schon etwas darunter vorstellen - aber ich kann noch nicht erkennen, was die ÖVP genau will. Dazu kommt, dass mir völlig fehlt, was man unter "christlich“ versteht - aber das scheint nicht mehr modern zu sein. Aber generell sind die Positionen der Regierungsparteien sehr auswechselbar. Das ist ein großes Problem für die Politik als solche - sie verliert dadurch die, die ein bisschen nachdenken, und die Jüngeren.

DIE FURCHEe: Von der Schwäche der Regierung profitiert erfahrungsgemäß die FPÖ …

Busek: Strache braucht sich nur zurücklehnen und warten, bis die FPÖ die stärkste Partei wird.

DIE FURCHE: Halten Sie das für realistisch - oder ist das nur medial geschürte Angst-Lust?

Busek: Nein, nein, da ist schon was dran.

DIE FURCHE: Strache kann Kanzler werden?

Busek: Das ist eine zweite Frage - das hängt davon ab, ob er einen Koalitionspartner findet. Absolute Mehrheit wird er keine bekommen … Wobei ich höre, dass manche FP-Positionen auch unter jungen Bürgerlichen Anklang finden.

DIE FURCHE: Die Kirche hat zwei anni horribiles hinter sich. In der Analyse gibt es zwei Strömungen: die einen, die Strukturreformen für unumgänglich halten - und die anderen, die vor allem eine Glaubenskrise sehen, die auch durch Strukturreformen nicht behoben werden könne.

Busek: Ich glaube, die Kirche müsste sich an die geistigen Vorgänge rund um das Zweite Vatikanum erinnern. Es gibt ein massives Problem mit dem "Aggiornamento“. Die an sich internationale Kirche ist in einer global und virtuell vernetzten Welt nicht sehr stark aufgestellt. Ich registriere im Gespräch mit jungen Leuten eine starke Sehnsucht nach Glauben im allgemeinen Sinn, nach Orientierung. Und da hat die Kirche im Moment die Sprache nicht gefunden. Sie hat ein Problem, sich zu vermitteln. Sie hätte an sich ja das euangelion, die frohe Botschaft - aber das kommt nicht rüber.

DIE FURCHE: Wie würden Sie vor diesem Hintergrund in wenigen Sätzen das gegenwärtige Pontifikat bewerten?

Busek: Es hat eine hohe theologische Qualität, das möchte ich ausdrücklich positiv erwähnen. Es ist aber bei der Kirchenorganisation nicht reformfähig. Das wäre auch zu viel verlangt von einem Mann dieses Alters.

DIE FURCHE: Wie könnte die Kirche wieder zu mehr Vitalität, vor allem in Europa, finden?

Busek: Sie hat eine positive Resonanz bei den Jungen. Man merkt, da gibt es eine gewisse Sehnsucht, vor allem auf der emotionalen Seite. Und der zweite Bereich wäre sicher im Bereich der Wissenschaften. Da fehlen aber natürlich Leute vom Format eines Kardinal König, die die entsprechenden Gespräche führen.

DIE FURCHE: Die Jungen von denen Sie sprechen, die gelten vielen aber als sehr unpolitisch-konservativ …

Busek: Es gibt ein Streben aus der Beliebigkeit unserer Zeit. Ich habe auch mit Jungen geredet, die zum Islam übergetreten sind: Die sagen, die verlangen noch was von uns. Da geht es um ein Kontrastprogramm zur Beliebigkeit. Da müsste die Kirche sich etwas überlegen - nicht bei formalen Dingen oder bei der Selbstgeißelung, sondern bei gewissen geistigen Prinzipien, die eine Herausforderung zur Gestaltung unserer Welt darstellen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung