„Bei Bologna irren sie“

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Erhard Busek, ehemals Wissenschaftsminister, kritisiert die Aufhebung der Studiengebühren. Erst als Zugangsbeschränkungen fielen, eskalierten die Raum- und Personalprobleme der Unis. Das Gespräch führte Stefan Müller

Die Furche: Haben Sie als Student gern protestiert?

Erhard Busek: Natürlich, gegen alles Mögliche. Wir sind aber damals noch vom zuständigen Minister Trimmel dazu aufgefordert worden. Er hat gesagt, er kriegt zu wenig Budget und braucht Hilfe.

Die Furche: Heute haben sich die Studenten alleine große Aufmerksamkeit verschafft.

Busek: Ja, aber eine sehr ambivalente Aufmerksamkeit. Die Reaktion ist gemischt. Da klafft die Reaktion der Medien von dem, was die Leute sagen, ein wenig auseinander. Es spielen auch viele Dinge eine Rolle. Da ist die Unzufriedenheit mit der Regierung, das komische Theater um den EU-Kommissar…

Die Furche: Erschwert das nicht, dass sich SP und VP bei der Bildung zusammenraufen?

Busek: Zunächst einmal hat es mit dem Konflikt nichts zu tun, beiden Parteien zu sagen, ihr sollt mehr Interesse für Bildung und Wissenschaft aufbringen. Das tun sie ja nicht. Mein Aufschrei bei den Fachhochschulen hat der Tatsache gegolten, dass es keinen Bildungsplan gibt. Da ist erklärt worden, es ist kein Geld da, aus.

Die Furche: Vor den Budgetverhandlungen haben Sie die Unis zum Streik aufgefordert.

Busek: Weil mir aufgrund meines Engagements an der medizinischen Universität Wien und der FH Salzburg klar war, dass das Geld einfach zu knapp ist. Das Wissenschaftsministerium hat in Wirklichkeit keine Lobby – bei beiden Regierungsparteien.

Die Furche: Mehr Geld – und alles ist in Butter?

Busek: Selbst wenn die Unis blitzartig mehr Geld kriegen würden, ist das Problem nicht gelöst. Ich habe mit Interesse den Protest der Lektoren gehört. Die Zustände bei den Lehrenden sind nicht in Ordnung. Aber da gibt’s keine geregelte Diskussion. Da ist der Minister in der glücklichen Lage, dass es nicht sein Bier ist, sondern Sache der autonomen Universitäten. Der Rankingverlust der Universitäten geht ja bitte auf die Universitäten zurück und ist nicht nur eine Geldgeschichte. Das wäre ein wenig primitiv, da greift auch der gute Rektor Winckler zu kurz.

Die Furche: Die Studenten skandieren „Stopp Bologna“ und „freie Bildung für alle.“

Busek: Das ist Unsinn. Ohne Eingangsphasen und Mehrqualifizierung geht es nicht. Da gehen Illusionsbilder herum, vom flanierenden Studenten, der sich auf diese Weise Bildung aneignet. Das gehört mit Sicherheit der Vergangenheit an. Man muss die Rektoren fragen, ob sie in der Frage der Eingangsphase, der Selektion etwas gemacht haben.

Die Furche: Basierend auf einem Notfallparagraph im UG 2002 soll es an der WU und an der Publizistik in Salzburg, Wien und Klagenfurt bald Zugangsbeschränkungen geben.

Busek: Sowieso. Aber sie haben sich vor dem Problem immer gedrückt. Es ist ein Ergebnis der Autonomie, dass es sich die Universitäten selbst regeln könnten. Aber das tun sie nicht. Sie sind immer noch trainiert und schauen wie das Kaninchen auf die Schlange, sprich die Politik.

Die Furche: Tragen die Unis mehr Schuld als die Politik?

Busek: Das will ich nicht quantifizieren. Was ich aber sehr gerne deutlich sagen möchte, ist, dass der September 2008 sehr viel Schuld trägt. Und daher sollen die Oppositionsparteien – auf gut Deutsch – den Mund halten. Denn sie haben die Eskalierung des Problems mit den damaligen Beschlüssen, weg mit den Einschränkungen, weg mit den Gebühren, überhaupt ermöglicht.

Die Furche: Ist der ständige Fokus auf Studiengebühren nicht zu eng?

Busek: Johannes Hahn hat ja eigentlich mehr vom Hochschulzugang geredet. Er hat nichts anderes gemacht, als seinen Standpunkt gehalten. Die jetzige Situation ist auch noch nicht ganz analysiert. Man weiß quasi nicht, wer hier aller mitmischt.

Die Furche: Die EU verklagte Österreich 2003 wegen Beschränkungen für EU-Ausländer. Bis zum Urteil und der Aufhebung 2007 passierte nichts. Keine Schuld der Politik?

Busek: Das haben sich die Universitäten selbst vorzuwerfen, die sich immer dagegen gewehrt haben. Und zwar völlig bewusst, dass das Problem kommt. Da hat es zwei Antworten gegeben: Die eine war Hinausschieben und die andere Nein, das ist eine prinzipielle, ist gleich ideologische Frage. Und dafür zahlen wir jetzt den Preis.

Die Furche: Inwieweit ist die Debatte in der Sache ein europäisches Problem?

Busek: Es ist eine europäische Debatte, weil sie die Mobilität der Studierenden haben. Aber die Programme Erasmus und Sokrates allein genügen auf Dauer nicht. Die Universität war immer eine europäische Einrichtung, heute ist sie mehr denn je davon entfernt. Wir wünschen uns mehr Mobilität zwischen den Unis, aber die Bedingungen stimmen nicht. Wenn es die Freizügigkeit gibt, für die ich sehr bin, dann braucht es auch gemeinsame Regelungen für den Zugang.

Die Furche: Hat der Bologna-Prozess nicht funktioniert?

Busek: Der Protest gegen Bologna ist wirklich ein Blödsinn. Im Gegenteil, da irren sich die Studenten. Bologna kostet mehr, bringt also mehr Geld an die Universitäten. Wir brauchen abgestufte Abgänge. Wir brauchen ganz sicher weniger Doktoren. Immer die österreichischen Tricks: Alle Mediziner werden Doktoren, sind aber eigentlich nur Magister – ein Visitkartenproblem!

Die Furche: Der Bachelor hat am Arbeitsmarkt aber einen schweren Stand. Selbst bei der Aufnahme zum Beamten ist er dem Magister nicht gleichgestellt.

Busek: Die Bundesbeamten haben zunächst auch die Fachhochschulabsolventen nicht anerkannt, das ist Wahrung des Besitzstandes. Wenn der Bachelor für die Beamten produziert, wäre er eine Fehlkonstruktion. Das ist der falsche Bezug. Die Bundesbeamten sind das Letzte, sie müssen weniger werden.

Die Furche: Welches Profil braucht der Nachfolger von Johannes Hahn?

Busek: Es sollte kein Professor oder Rektor sein, weil die sind im System gebunden. Es braucht eine politische Gestalt. Wenn sie es sehr gehässig wollen: Eine Richterin als Ministerin ist genug.

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