Gut, besser, elitär?

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Die Furche: Wie geht es Ihnen mit dem Begriff "Elite"?

Liessmann: Ich tu' mich mit diesem Begriff einigermaßen schwer. Es gibt in jedem Berufsfeld Gute und weniger Gute, dagegen ist überhaupt nichts zu sagen. Mein Problem mit dem Begriff Elite ist aber, dass hier offensichtlich mit einer sozialen Dimension dieses Begriffs kokettiert wird, die ich nicht mehr für zeitgemäß halte.

Die Furche: Welche "soziale Dimension" meinen Sie?

Liessmann: Die Elite versteht sich ja offensichtlich selbst als Auslese. Und zwar nicht nur deshalb, weil jemand besser rechnen kann oder besser Kosmologie betreiben kann, sondern man leitet davon ganz gewisse gesellschaftliche Positionen ab - gesellschaftlichen Einfluss, ökonomischen Einfluss, sozialen Einfluss. Der Begriff Elite würde auch keinen Sinn machen oder nicht so bombastisch propagiert werden müssen, wenn man damit nur sagen wollte: Man möchte die Ausbildung der Wissenschaftler verbessern. Das wäre vollkommen unspektakulär und dagegen würde vermutlich auch niemand etwas haben.

Die Furche: Vermutlich würde eine "Elite-Universität" aber den bestehenden Universitäten das Gefühl vermitteln, zweitklassig zu sein ...

Liessmann: Die Universitäten werden derzeit sicher von oben und von unten bedrängt. Von unten durch die Fachhochschulen, die etwa die Möglichkeit haben, sich die Studierenden auszusuchen und die eine praxisnahe Ausbildung vermitteln, und auf der anderen Seite von dieser "Elite-Universität", die eine Konkurrenz-Institution auf der Ebene der Forschung wäre. Das ist ein Spiel mit gezinkten Karten. Man soll endlich sagen, was man von den Universitäten will und ob man gewillt ist, an dem, was eine Universität zur Universität macht, nämlich die Einheit von Lehre und Forschung und die Vielfalt der Wissenschaften, festzuhalten. Wenn man das will, dann braucht niemand eine "University of Excellence". Was wir aber bräuchten, wären Ressourcen, um den Graduierten Angebote machen zu können für ein forschungszentriertes Weiterstudieren auf höchstem Niveau. Warum man das auslagern und gleichsam Eliten-Inzucht betreiben soll, verstehe ich nicht.

Die Furche: Kapazitäten wie Anton Zeilinger trauen offenbar den derzeitigen Universitäten eine adäquate Förderung von Spitzenforschern nicht mehr zu ...

Liessmann: Erstens ist Professor Zeilinger selbst ein Beispiel dafür, dass es auch an einer herkömmlichen Universität möglich ist, Spitzenforschung zu betreiben. Und zweitens zerstört eine solche "Elite-Universität" den Begriff der Universität nur weiter - indem etwas, was überall sonst in der Welt "Forschungsinstitut" heißt, plötzlich zu einer Universität hochstilisiert wird. Ich verstehe nicht, warum hier ständig mit falschen Etiketten gearbeitet wird. Das ist so, als würde man sagen, man macht eine bessere Zeitung - und baut eine Schuhfabrik.

Die Furche: Mittlerweile gibt es aber auch "Musik-Universitäten", an denen keineswegs eine Vielfalt an Wissenschaften angeboten wird ...

Liessmann: Sicher. Aber es gibt doch zwei Kriterien, die für mich entscheidend sind: Erstens muss eine Universität komplette Studiengänge anbieten, und zwar vom Grundstudium bis zu Doktoratsstudien. Und zweitens gibt es an der Universität die Einheit von Forschung und Lehre. Eine rein forschungsorientierte Universität ist keine Universität - das gilt auch für eine Musikuniversität. Die existierenden Universitäten sind jedenfalls in größten finanziellen Nöten. Es ist immer gesagt worden, das Bildungsbudget sei restringiert. Doch plötzlich sollen Millionen-Euro-Beträge an öffentlichen Geldern für eine Elite-Universität vorhanden sein. Das klingt mir wirklich danach, als ob man dieses Projekt unbedingt durchdrücken will und gar kein Interesse daran hat, die herkömmlichen Universitäten zu verbessern.

Die Furche: Was ist für Sie "Elite"?

Zeilinger: Für mich ist Elite etwas Zweifaches: Erstens sind das Leute, die eine besondere Begabung besitzen. Und zweitens sind das jene, die bereit sind, mit ihrer Begabung entsprechend umzugehen, sich also stärker einzubringen.

Die Furche: Der Begriff hat für Sie keinen Beigeschmack - etwa im Sinn einer gesellschaftlichen Auslese?

Zeilinger: Ich habe einmal zu einem prominenten sozialdemokratischen Politiker gesagt: Wenn Sie sich gegen Elite wehren, dann schauen Sie doch in den Spiegel. Sie sind Elite! Das ist ein Faktum, diese Elite gibt es. Aber dieser Elite Sonderrechte einzuräumen, das wäre eine Katastrophe und ein Rückfall in die Aristokratie.

Die Furche: Verstehen Sie die Sorge der Universitäten, dass sie durch Einrichtung einer Elite-Uni in den Geruch kommen, zweitklassig zu sein?

Zeilinger: Wenn die Universitäten dieses Gefühl haben, dann geben sie indirekt zu, dass sie zweitklassig sind. Ein Teil meiner Sorge ist, dass die jetzigen Universitäten und Institute - wohlgemerkt nicht alle - die Freiräume noch nicht genügend ausnutzen, um mehr Exzellenz zu fördern. Wenn mir ein Rektor sagt: Ich weiß zwar, welche Leute hervorragend sind, aber ich muss alle gleichmäßig mit Geld bedienen, dann läuft etwas falsch. Hier müssten sich die Unis ändern. Aber sie sind nicht bereit dazu. In Österreich gibt es eben eine gewisse Schizophrenie: Man ist ohne weiteres bereit, anzuerkennen, dass Elite beim Schifahren oder in der Musik gefördert werden muss. Es ist klar, dass die Philharmoniker in der Musik Elite sind. Aber bei der Wissenschaft tut man das nicht.

Die Furche: Kritiker Ihrer "University of Advanced Studies" meinen, es handle sich weniger um eine Universität als um ein Forschungsinstitut für Spitzenforscher ...

Zeilinger: Kritik an diesem Namen wäre dann angebracht, wenn der Universitätsbegriff, der den Kritikern vorschwebt, der alte, ideale wäre. "Vielfalt der Wissenschaft" heißt jedenfalls nicht "alle Wissenschaften". Wenn man also meint, dass diese Einrichtung nicht Universität heißen soll, weil sie nicht alle Wissenschaften beinhaltet, dann müsste man auch das Universitätsgesetz in Österreich ändern, dann dürfte es keine Universität für Bodenkultur und auch nicht die vielen, kleinen Privatuniversitäten geben. Der Begriff "Forschungsinstitut" wäre aber hunderprozentig falsch, denn unsere Grundidee ist ja: Ausbildung durch Forschung. Der einzige Unterschied unserer Einrichtung zu bestehenden Universitäten ist, dass wir keine Bachelor-Ausbildung, keine Grundausbildung anbieten. Das heißt, die Leute beginnen bei uns danach.

Die Furche: Sie wollen auch schon eine Master-Ausbildung anbieten?

Zeilinger: Darüber wird noch diskutiert. Meine Meinung wäre, dass man auch das anbieten sollte.

Die Furche: In einem Interview haben Sie gemeint, dass Ihre Einrichtung in zehn Jahren durchaus Nobelpreisträger hervorbringen könnte. Kann man so etwas wirklich planen?

Zeilinger: Ich hab nie von einer Nobelpreis-Kaderschmiede gesprochen oder davon, dass man Nobelpreisträger züchten kann. Das ist auch kein vernünftiges Ziel. Sondern Ziel ist es, ein solches Forschungs- und Wissenschaftsklima zu bekommen, dass die guten Leute gerne herkommen und ihre Ideen frei umsetzen können. Die wichtigste Voraussetzung dafür ist, zu identifizieren, wer die wirklich guten Leute sind. Doch das geht relativ leicht: Jeder Rektor weiß, welche Leute an seiner Universität wirklich gut sind. Wir brauchen jedenfalls keine Leute, die sich auf die Brust klopfen und sagen: Ich bin der Beste, sondern man muss sehen, welche internationalen Preise und Vortragseinladungen jemand bekommt. Da trennt sich schnell die Spreu vom Weizen.

Die Gespräche führte Doris Helmberger.

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