Das Problem ist die Massenuniversität

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Die Universitäten drohen, bei weiterem Sparkurs Studiengänge zu schließen. Wissenschaftsminister Beatrix Karl will das Problem der Massenstudien lösen. Das Gespräch führte Claus Reitan

Die Anzahl an Studierenden an den Universitäten stieg von 2005 bis 2009 von 223.000 auf 280.000 an. Dieser Andrang ist zu lösen, meint Wissenschaftsministerin Beatrix Karl im FURCHE-Interview.

Die Furche: Nach Ihnen sagten auch die Rektoren, Teile von Universitäten könnten stillgelegt werden. Fühlen Sie sich bestätigt?

Beatrix Karl: Das Budget für die Universitäten ist bis zum Jahr 2012 fixiert und gesichert. Die Frage ist, wie geht es 2013 weiter? Und da ist klar, dass die Universitäten mehr Mittel brauchen, um den Betrieb überhaupt fortführen zu können. Ich sehe einen jährlichen Mehrbedarf von 250 Millionen Euro.

Die Furche: Woher sollen diese Mittel kommen?

Karl: Ich denke an einen Mix aus öffentlichen und privaten Mitteln. Es muss klarerweise weiterhin eine öffentliche Finanzierung geben. Aber wir haben in Österreich hinsichtlich der privaten Finanzierung im Unterschied zu anderen Ländern noch zu wenig Erfahrungen, uns fehlt schlicht die Tradition. Die Wirtschaft könnte noch verstärkte Beiträge leisten, etwa in Form von Stiftungsprofessuren und von Sponsorentätigkeit. Dies gibt es ja bereits in Kunst und Kultur. Also warum nicht für die Universitäten, noch dazu, wo das international durchaus üblich ist?

Die Furche: In der Beantwortung einer Anfrage zeigen Sie, dass das administrative Personal an einzelnen Universitäten zugenommen hat. Ist denn nicht die Massenuniversität das eigentliche Problem?

Karl: Da sprechen Sie einen der größten Problembereiche an. Es ist tatsächlich so, dass wir bei den Massenstudien große Probleme haben, und zwar sowohl für die Studierenden wie für die Lehrenden und die Forschenden. Das besondere an einer Universität ist ja, dass man einen wissenschaftlichen Diskurs führt. Und der leidet natürlich, wenn ein Hörsaal mit mehreren Hunderten Studierenden gefüllt ist, Die Massenuniversität kann nicht die gewünschte Qualität bieten.

Die Furche: Aus Geldmangel wird eine Professur in Innsbruck nicht nachbesetzt, aus Kandidatenmangel eine in Salzburg, in Wien blieben Berufungsverfahren ergebnislos. Woran liegt diese Misere?

Karl: Der wissenschaftliche Nachwuchs wird verheizt. Junge Mitarbeiter in der Wissenschaft haben an der Universität häufig einen Vertrag für vier Jahre. Sie sind beauftragt, Klausuren zusammenzustellen und Klausurarbeiten zu korrigieren. Doch am Ende der vier Jahre werden sie gefragt, was sie denn geforscht hätten, wo denn ihre Publikationen seien? Sie antworten, Hunderte Klausurarbeiten korrigiert zu haben. Aber das zählt für ihre Karriere nicht. Und damit haben sie kaum eine Chance auf eine Verlängerung.

Die Furche: Wie wollen Sie ansetzen? Eine Studiengebühr einführen? Die Zulassungen limitieren?

Karl: Wir brauchen auf jeden Fall Zugangsregeln an den Universitäten. Darum kommen wir in den Massenfächern nicht herum. Ein regulierter Hochschulzugang ist erforderlich, um die Qualität zu sicher. Es ist gegenüber jungen Menschen unfair, wenn es etwa wie an der Wirtschaftsuniversität Wien eine Drop-out-Rate von 80 Prozent gibt. Da werden nur 20 Prozent mit dem Studium fertig. Das ist eine unzumutbare Situation.

Die Furche: # und die lässt sich durch Aufnahmetests ändern?

Karl: Durch Aufnahmeverfahren können die Drop-out-Raten gesenkt werden. Ich will mehr Absolventinnen und Absolventen, weniger Abbrecher. An den Medizinischen Universitäten betrug die Drop-out-Rate vor den Aufnahmetest 50 Prozent, jetzt liegt sie bei fünf Prozent. Zudem hat sich die Studienzeit verkürzt: 90 Prozent der Studierenden absolvieren die Ausbildung jetzt in der Mindeststudienzeit beziehungsweise innerhalb der Toleranzsemester. Finnland hat beide Steuerungselemente: einen Numerus clausus und Aufnahmetests. Dort gibt es kaum Drop-outs. Wer inskribiert, schließt das Studium auch ab. Ich lehne einen Numerus clausus klar ab, sage aber: Wir müssen die Studieneingangsphase neu gestalten.

Die Furche: Dafür brauchen Sie den Koalitionspartner, doch die SPÖ ist erstens für den offenen und zweitens für den unentgeltlichen Zugang zum Studium.

Karl: Ich bin in Gesprächen mit der SPÖ zur Neugestaltung der Studieneingangsphase und werde mich bemühen, den Koalitionspartner zu überzeugen. Viele SPÖ-Politiker haben sich inzwischen zustimmend zu Zugangsregeln geäußert: Bundespräsident Heinz Fischer, Landeshauptfrau Gabi Burgstaller, schließlich meine Regierungskollegin Claudia Schmid. Sie will auch, dass nur die geeignetsten Personen Lehrer werden und es gibt entsprechende Aufnahmeverfahren an den Pädagogischen Hochschulen.

Die Furche: Und die Bedenken der SPÖ hinsichtlich der sozialen Zusammensetzung der Studenten?

Karl: Die Erwartung der sozialen Durchmischung hat der freie Hochschulzugang nicht erfüllt. Die Durchmischung ist etwa an Fachhochschulen besser. Sie haben Aufnahmekriterien und zum Teil Studienbeiträge.

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