"Beschränkung? Erkenntnis!"

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Anton Bucher, Dekan der Theologischen Fakultät der Uni Salzburg, über Zugangsbeschränkungen an den Unis und Leistung im Bildungswesen.

Die Furche: Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs werden nun flächendeckende Auswahlverfahren an den Universitäten gefordert. Was halten Sie von dieser Entwicklung?

Anton Bucher: Es ist ein Grundrecht in Österreich, jede Studienrichtung frei wählen zu können. In manchen Bereichen werden die Universitäten aber regelrecht gesprengt - bei uns in Salzburg etwa das Institut für Psychologie. Doch auch hier plädiere ich für differenzierende Studieneingangsphasen, in denen die Studierenden selbst prüfen können, ob das wirklich für sie das richtige ist. Vielfach sind ja die Studienrichtungen mit hohen Zugangszahlen genau jene mit den höchsten Drop-out-Raten. Das könnte man bereits früher kanalisieren. Es geht mir nicht um Beschränkungen, sondern um Erkenntnis-Prozesse.

Die Furche: Wie tauglich ist ein Maturazeugnis als Studienberechtigung?

Bucher: Ich bin selbst Zeuge geworden, mit wie viel Mühe Schülerinnen und Schüler bis zum Abitur gezogen werden. Ob das in jedem Fall das richtige ist, würde ich bezweifeln. Aber wenn man ein Abitur- bzw. Maturazeugnis hat, dann sollte es auch Ernst genommen werden. Sonst verliert die Matura ihren Wert. Wenn es nicht den Zugang zu allen möglichen Studienrichtungen ermöglicht - und zwar für alle, die dieses Zeugnis erworben haben, dann wird dieser Abschluss degradiert.

Die Furche: Aber oft genug scheint sich das Maturazeugnis selbst zu entwerten, weil es schwer vergleichbar ist. Würde eine Zentralmatura Abhilfe schaffen?

Bucher: Vielleicht wäre die Aussagekraft in einzelnen Fächern höher. Aber über den späteren Studienerfolg würde ein solches Zeugnis auch nicht mehr aussagen können. Denn beim Studium spielen Faktoren wie persönliches Interesse oder Motivation hinein. In meinem Maturajahrgang haben jene mit dem besten Maturazeugnis kein Studium abgeschlossen. Ich habe aber mein Studium abgeschlossen, obwohl ich in der Schule im hintersten Viertel war. Es ist also entschieden abzuraten, das Maturazeugnis zu gewichten. Es hat keine Aussagekraft über den späteren Studienerfolg.

Die Furche: Um Leistungen während der Schulzeit besser vergleichen zu können, werden Bildungsstandards eingeführt. Ist Leistung in der Schule wichtiger geworden?

Bucher: Es ist Mainstream, dass von den Schulen und damit von den Pädagoginnen und Pädagogen gefordert wird, mehr Leistung zu erbringen. Das setzt sie unter jenen Druck, den sie häufig auch weitergeben. Gleichzeitig wurde im pisa-Nachbeben der so genannten Kuschelpädagogik eine unreflektierte Abfuhr erteilt. Andererseits existiert in der Pädagogik der Trend, Leistung zu problematisieren: Leistung würde Kinder traumatisieren, Entwicklung verhindern. Auch da muss man widersprechen. Im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie zum Thema "Was Kinder glücklich macht" habe ich erhoben, dass dazu auch das Gefühl gehört, etwas geleistet zu haben. Das Erbringen von Leistung als Glücksfaktor kommt in der Diskussion häufig zu kurz. Insgesamt scheint der pädagogische Diskurs von Extremen zu leben. Ich würde mir dagegen mehr Mittelmaß im guten Sinne wünschen.

Die Furche: Was wünschen Sie sich für die Universitäten, die im Zuge der Ausgliederung Schwerpunkte setzen müssen und - wie etwa die Universität Innsbruck - vor allem im Bereich der Geisteswissenschaften kürzen?

Bucher: Die Geisteswissenschaften und auch die Theologie geraten hier natürlich unter Druck. In Salzburg ist es etwa so, dass die Höhe der lukrierten Drittmittel für die Budgetzuweisung eine wichtige Rolle spielt. Und im naturwissenschaftlichen, medizinischen oder technologischen Bereich ist es eben wesentlich leichter, von der Industrie Drittmittel zu lukrieren. Ich würde es aber für sehr bedauerlich halten, wenn die Geisteswissenschaften zu sehr beschnitten würden, weil wir Menschen nach wie vor geistige und spirituelle Menschen sind. Dieser Aspekt müsste an der Universität in Forschung und Lehre repräsentiert bleiben.

Die Furche: Stellen Sie sich als Lehrender an der Universität selbst einer Evaluierung durch die Studierenden?

Bucher: Jede Lehrveranstaltung wird an unserer Fakultät evaluiert. Im Grunde soll Evaluation ja nicht Kontrolle sein, sondern als Förderinstrument gesehen werden. Und natürlich bedarf auch die Didaktik mancher Hochschullehrenden des kritischen Hinterfragens.

Das Gespräch führte

Christina Gastager-Repolust.

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