Psychologie der Abschreckung

Werbung
Werbung
Werbung

Das "Studienjahr 1" nach dem EuGH-Urteil hat begonnen: Lagebericht von drei der acht Fächer, die sich seit 8. Juli ihre Studierenden aussuchen dürfen.

E in geruhsamer Arbeitsstart sieht anders aus. Seit 1. Oktober ist der Hygieniker Manfred P. Dierich Vizerektor für Lehre und Studienangelegenheiten der Medizinischen Universität Innsbruck - und mit nicht wenigen Bereinigungsaufgaben konfrontiert: Rund 2.000 Ablehnungsbescheide wollen bearbeitet und (rechtzeitig vor Ende der Einspruchsfrist) an gescheiterte Studien-Anwärter versendet werden. Zudem soll Dierich gemeinsam mit den beiden Wiener und Grazer Kollegen ein einheitliches Zulassungsverfahren erarbeiten - das auch vor dem strengen Auge des Europäischen Gerichtshofs besteht (siehe Kasten rechts). Von der Sorge um die knappe Personaldecke nach der Ausgliederung der Medizin-Uni und der Vorbereitung auf die Leistungsvereinbarungen mit dem Bildungsministerium nicht zu reden.

Über Langeweile kann Dierich also kaum klagen - ebenso wenig wie der Nachfolger von Rektor Hans Grunicke, Clemens Sorg.

Fairness statt Chaos

Angesichts der scharfen Kritik am Innsbrucker "First come-First served"-Prinzip (sp-Wissenschaftssprecher Josef Broukal hatte "Chaos, Dilettantismus und Zynismus" geortet) steht die Ausarbeitung eines fairen Aufnahmeverfahrens ganz oben auf der Liste: Zwar konnten durch diese "Notmaßnahme", die sich am Datum des Poststempels und im Zweifelsfall am Los orientierte, 55 Prozent der verfügbaren Studienplätze an Bewerber aus Österreich vergeben werden. Spätestens im kommenden Semester müssen freilich faire und transparente Kriterien her, ist sich Dierich bewusst: "Was mir vorschwebt, ist ein guter, wohlgetesteter Eignungstest", erklärt er im furche-Gespräch.

Ein solcher Test dürfte sich freilich nicht damit bescheiden, nach Multiple-Choice-Manier punktuell Wissen abzuprüfen. Vielmehr müsste er auch die Fähigkeiten der angehenden Ärztinnen und Ärzte unter die Lupe nehmen. "Wie dieser Test aber genau aussehen soll, ist noch offen", gesteht Dierich.

An der Fakultät für Psychologie der Universität Wien hat man konkretere Vorstellungen. Schließlich gilt es schon jetzt, von den etwa 1.600 vorangemeldeten und über 800 aufgenommenen Studierenden jene 440 auszuwählen, die im Wintersemester vorrücken dürfen.

Aufklärung statt Blindflug

Zur Auslese hat man die Interessenten diese Woche ins Austria Center gebeten. Dort konnten sie der Ringvorlesung "Psychologie als Wissenschaft i und ii" lauschen - und sich ein Bild davon machen, was vom Psychologiestudium zu erwarten ist. "Wir haben die Erfahrung, dass es in diesem Punkt oft sehr große Missverständnisse gibt", betont die Dekanin der Psychologie-Fakultät, Christiane Spiel. Nach dieser Aufklärungsarbeit folgt die eigentliche Selektion: In zwei lerntheoretisch fundierten und sorgfältig vorbereiteten Multiple-Choice-Tests über den Vorlesungsinhalt sollen sich jene bewähren, die "Interesse am Inhalt haben und das Vermögen mitbringen, diesen Stoff auch zu lernen", erklärt Spiel. "Wir wollten damit möglichst faire Bedingungen schaffen."

So problematisch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs auch sei: Dass es die Frage nach fairen Aufnahmeverfahren und erträglichen Studienbedingungen neu ins Bewusst sein gerückt habe, sei durchaus positiv gewesen. Schließlich sei das Betreuungsverhältnis im Fach Psychologie seit langem "erschütternd": "Wir haben 5.500 Studierende, acht Professoren und 30 wissenschaftliche Mitarbeiter. Das wurde die ganze Zeit viel zu wenig beachtet", kritisiert Spiel, die sich angesichts der neuen Berufsfelder für Psychologinnen und Psychologen eine zahlenmäßig ausreichende "Studienplatzbewirtschaftung" wie an den Fachhochschulen wünscht.

Deutsche statt Österreicher

Auch die überlaufene Wiener Publizistik hat sich Ähnliches erträumt - bis die Universität Wien endlich Geld für außeruniversitäre Vortragende zur Verfügung stellte. "Mittlerweile wird 80 Prozent der Lehre von Externen angeboten", erklärt Institutsvorstand Wolfgang R. Langenbucher. Zudem erhielt man am 8. Juli die Erlaubnis, Zugangsbeschränkungen einzuführen (siehe unten).

Entsprechend beruhigt sah Langenbucher dem Studienbeginn entgegen - und ist nun verblüfft: "Wir haben derzeit 900 Erstinskribenten, genauso viele wie im Vorjahr, obwohl ein Drittel Deutsche dazugekommen sind." Langenbuchers Erklärung: "Das ist nur mit dem Abschreckungseffekt erklärbar, den die öffentliche Debatte ausgelöst hat."

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung