Universitäten: Alle Zeichen auf Reform

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Das neue Uni-Gesetz fordert von den Universitäten mehr Leistung. Für Regierung und Industriellenvereinigung war das erst der Anfang.

Sie schrien und stampften. „Wir sind kein Humankapital“, stand auf einem Plakat. „Nein zur Ökonomisierung der Bildung“ auf einem anderen. Fast schien es, als wollten sie den neuen Hochschultyp, den sie fürchten wie den Riesen Gulliver, noch einmal festzurren. Rund 200 Studierende waren vor die Universität Wien gekommen, einen Tag, bevor die Novelle des Universitätsgesetzes vergangene Woche das Parlament passierte. Doch das Gesetz war längst beschlossene Sache. Als sie vor das Wissenschaftsministerium am Minoritenplatz ziehen wollten, reagierte die Polizei scharf und nahm Personalien auf. Geht nach Hause! Bald war der Platz leer. Zurückbleibt ein mulmiges Gefühl und die Frage, was die Zukunft bringt. Mehr Effizienz, klare Kompetenzen und kürzere Studienzeiten – sagt die Regierung. Verschulung, Gängelung und das Ende der freien Uni – sagen die Studenten. Wird die Erweiterung des UG 2002, das die Unis in die Autonomie entlassen hat, seinem Anspruch gerecht? „Autonomie stärken, Qualität ausbauen“, steht in vitalem Blau auf der Presseinfo des Wissenschaftsministeriums.

Jemand, der sich über die Novelle freuen müsste, ist Max Kothbauer. Der Vizepräsident der Nationalbank sitzt dem Universitätsrat der Uni Wien vor – dem als eine Art Aufsichtsrat konzipierten Gremium, das 2002 dem Rektorat und Senat zur Seite gestellt wurde. Vier Mitglieder wählt der Senat, vier bestellt das Ministerium aus zivilen Personen. Im Wechselspiel der Gremien stärkt die Novelle den Universitätsrat und das Rektorat noch weiter. Euphorisch hört sich Kothbauer aber nicht an: „Die großen Giftzähne wurden gezogen, ich kann mit der Novelle leben. In einigen Punkten bringt sie echte Verbesserungen.“ Er erwähnt die Studieneingangsphase. Aber mehr Autonomie? Nein, das eher nicht. „Die Autonomie wird partiell zurückgenommen“, stellt die Gesamtstellungnahme aller Gremien der Uni Wien deutlicher klar.

Beim Geld werden die Zügel enger gespannt. Der Ersatz für die abgeschafften Studiengebühren wird mit 157 Millionen Euro pro Jahr gedeckelt, erst ab 2014 sollen die Studentenzahlen berücksichtigt werden. Zur Kontrolle der Leistungsvereinbarungen, die für drei Jahre die Budgets bestimmen, werden Indikatoren eingezogen. Über die Erfüllung muss die Universität jährlich Rechenschaft ablegen. In Zukunft kann der Minister zwei Prozent des Budgets einbehalten, ursprünglich waren fünf geplant. Ein Prozent wird als „Exzellenzprozent“ kompetitiv über den Forschungsfonds FWF ausgeschrieben, ein Prozent als „Notfallprozent“ einbehalten – falls etwa eine Bibliothek abbrennt, wie es aus dem Ministerium heißt. Die Verteilung wird in neuen Gestaltungsvereinbarungen geregelt, Rechtsansprüche wie bei den Leistungsvereinbarungen leiten sich daraus nicht ab.

Politikum Rektorswahl

„Geld einzubehalten stärkt die Autonomie nicht“, sagt Kothbauer. „Der Minister will mehr Mitsprache in der Geldverteilung.“ Die Ablehnung dazu war massiv. „Wie so oft ist die Politik raffiniert vorgegangen“, findet Ökonom Gerhard Clemenz. Er war sechs Jahre lang Senatsvorsitzender der Uni Wien. „Ein ganz schlechter Entwurf wurde abgeschwächt, ist jetzt aber noch schlimm genug. Der Spielraum der Unis, was nicht gebundene Mittel betrifft, ist sehr klein, etwa 5-7 Prozent des Gesamtbudgets. Da sind zwei Prozent relativ viel.“

Die ursprünglichen Gesetzesentwürfe sahen vor, die Kompetenzen des Senats, in dem Professoren, Lehrende und Studenten sitzen, kräftig zu stutzen und etwa die Rektorswahl dem Universitätsrat zu überlassen. „Ich hatte die skurrile Rolle zu erklären, dass wir das nicht wollen“, sagt Kothbauer. Man könne Universitäten nicht genau wie Unternehmen führen. Für breite Akzeptanz brauche es die Legitimation des Rektors durch den Senat – die jetzt doch gewahrt bleibt. Auch Konflikte mit Verfassungsbestimmungen, in denen die Mitbestimmung der Unis verankert ist, hätten gedroht. Übrig bleibt ein Verfahren, in dem der Uni-Rat die Ausschreibung übernimmt. Legt der Senat sein Veto ein, kann ihn der Minister überstimmen. Eine Findungskommission aus einem Vertreter von Uni-Rat und Senat erstellt dann einen nicht bindenden Dreiervorschlag. Wer im Konfliktfall entscheidet, ist unklar. „Jetzt kehrt man zum alten System mit diesen Schnörkeln zurück“, meint Clemenz. Teilweise sei die Novelle ein Produkt dessen, was machbar und notwendig ist, sagt der Sprecher von Wissenschaftsminister Hahn, Nicola Donig. Man solle nicht vergessen, welche Ausweitung der Autonomie es gegeben habe. Vor 15 Jahren wurde der Rektor noch direkt durch den Minister ernannt.

In einigen Punkten schafft die Novelle jedenfalls mehr Spielraum für die Politik. Zum Beispiel in der Frage – was denn überhaupt wo unterrichtet werden soll. Die Unis sind aufgefordert, eine Profilbildung vorzunehmen. Besonders ab der Masterebene soll es Schwerpunkte geben. Neu ist, dass der Rektor im Alleingang Studien auflassen kann. Anlassgesetzgebung – sagt die ÖH. In Innsbruck war es 2006 zu Widerstand bei der Auflassung einiger Studien, wie Griechisch oder klassischer Philologie, gekommen.

Zentrale Agentur für Gutachten

Auf Kritik stößt auch, dass der Rektor ab jetzt Curricula auf Grund eines Gutachtens untersagen kann. Wer diese ausstellen soll? Eine staatliche Einrichtung zur Qualitätssicherung, in der die bestehende Evaluierungs-Agentur AQA, zuständig für den gesamten Hochschulbereich, aufgehen könnte. In Deutschland gibt es mehrere solcher Agenturen, die Unis können sich eine aussuchen. In Österreich soll es ein Monopol geben, bestätigt Donig: „Die neue Agentur soll das zentral abwickeln und Fachleute mit Gutachten beauftragen.“ Bei den Kritikern lässt das die Alarmglocken schrillen, besonders da sich eine Tendenz in der Hochschulpolitik abzuzeichnen scheint. Die Worte Studiengebühren und Studienplatzfinanzierung fallen immer öfter. Der Wissenschaftsrat, ein beratendes Gremium der Regierung, erstellt mit der „Perspektive 2025“ ein Papier dazu, wie in Zukunft Universitäten, Fachhochschulen und Privat-Unis kooperieren sollen. Dabei wird es auch zu Standortempfehlungen kommen.

Die Industriellenvereinigung (IV) fördert den Prozess der Ertüchtigung der Universitäten, die sie als Wissensfabriken versteht. In der „Hochschulstrategie Neu“ hatte sie 2008 ihr Idealbild für diese skizziert. Das Papier sei nur ein Diskussionsbeitrag gewesen, sagt das Ministerium. „Die Erfahrung der Unternehmen konnte maßgeblich in das Gesetz Eingang finden“, meint Gerhard Riemer, Leiter der IV-Abteilung Bildung und Forschung. Für ihn umgesetzt: Stärkung des Uni-Rates, Einfluss bei der Studienplangestaltung durch den Rektor, Studieneingangsphasen und Zugangskriterien bei Master- und PhD-Studien. Jetzt gelte es Änderungen für die Zukunft zu diskutieren. Die Universität Humboldt’scher Prägung gilt als gestrig, auch die meisten Studenten wollen das nicht mehr, betont Donig. Für ÖH-Vorsitzende Sigrid Maurer ist die Novelle „Murks“. Sie lehnt jede neue Form von Hürden ab und befürchtet Verzögerungen für die Studenten. Die Einführung der Studieneingangsphase mit ihren verpflichtenden Prüfungen wird in der Praxis zu einigem Aufwand führen. Top Ergebnisse in Lehre und Forschung sind bei knappen Budgets schwierig – beklagen die Professoren. Jetzt würden sie noch schwieriger. Nach vier Jahren Umstellung auf Bologna muss auf die Novelle umgestellt werden. An der Universität Wien gibt es 150-200 Curricula, mit jeder Änderung sind mindestens neun Leute beschäftigt. Doch es muss weitergehen. Auch wenn sich manche dabei wie der Hamster im Rad fühlen.

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