"Das war nicht optimal"

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Jürgen Mittelstraß, Vorsitzender des Österreichischen Wissenschaftsrats, über die Pannen bei der Einrichtung des "Austrian Institutes of Science and Technology" und die neue Quotenregelung für das Medizinstudium.

Die Furche: Vergangenen Montag hat Bildungsministerin Elisabeth Gehrer eine neue Uni-Zugangsregelung präsentiert, wonach in Medizin und Zahnmedizin 75 Prozent der Studienplätze für österreichische Maturanten reserviert sind (siehe Kasten). Sind Sie mit dieser Lösung zufrieden?

Jürgen Mittelstrass: Wenn sie wirklich eu-konform ist, dann soll sie mir recht sein. Die Frage ist aber, warum es dann überhaupt das eugh-Urteil gegeben hat, denn das ist ja eigentlich eine Rückkehr zur alten Praxis. Wobei diese sehr fächerspezifischen Entscheidungen die grundsätzlichen Überlegungen, die ich beim Studienzugang für nötig halte, nicht überflüssig machen.

Die Furche: Die da wären?

Mittelstrass: Man müsste ein allgemeines Verfahren für den Universitätszugang finden, in dem die Fragen der Eignung, der Begabung und der Leistungsbereitschaft die wesentliche Rolle spielen. Zugleich müsste ein solches Verfahren den Charakter einer Studienberatung haben, denn im Augenblick nehmen ja viele Studierende erst im dritten oder vierten Semester wahr, ob sie die richtige Entscheidung getroffen haben.

Die Furche: An den Medizin-Unis hat es zuletzt zwei Auswahlverfahren gegeben: in Innsbruck einen (aus der Schweiz importierten) allgemeinen Eignungstest, den auch Wien übernehmen will; und in Graz eine große Prüfung nach einem Semester "virtuellen Studiums" ...

Mittelstrass: Ich halte beide nicht für der Weisheit letzten Schluss. Ein iq-Test - und dieser Schweizer Test ist ja sehr ähnlich - sagt ja gar nichts über die tatsächliche Eignung zum Medizin-Studium und zu einem Heilberuf aus. Und ein virtuelles Studium ist für mich überhaupt kein Studium.

Die Furche: Wie kann Ihr Idealauswahlverfahren im Massenfach Medizin umgesetzt werden?

Mittelstrass: Die Veterinärmedizinische Universität Wien hat schon ein Modell vorgelegt, das aus einer schriftlichen, prüfungsähnlichen Arbeit, aus einem Bewerbungsschreiben und aus einem mündlichen Gespräch besteht. Eine andere Frage ist, ob die Lehrenden in der Lage sind, bei großen Zahlen ein solches Verfahren vernünftig durchzuführen.

Die Furche: Apropos vernünftig: Die Entscheidung der Regierung, das "Austrian Institute of Advanced Science and Technology" in Gugging anzusiedeln, hat für Aufregung gesorgt. Hat das Projekt noch eine Chance?

Mittelstrass: Sagen wir so: Der Beginn war nicht optimal. Und der Abschied von Anton Zeilinger, der das Projekt ja initiiert hat, ist ein Debakel. Was wir uns als Wissenschaftsrat gewünscht haben, war, dass mit einer solchen Einrichtung ein Knoten im Netz exzellenter außer-und inneruniversitärer Einrichtungen geknüpft wird. Und das ist noch möglich.

Die Furche: In Gugging?

Mittelstrass: Naja, auch der Standort ist nicht optimal. Hier wird einem immer entgegengehalten, dass es hinreichend Beispiele von ähnlichen Campusgründungen gibt. Ich hätte mir trotzdem gewünscht, dass man einen Ort in unmittelbarer Nachbarschaft bereits exzellenter Einrichtungen gewählt hätte.

Die Furche: Etwa St. Marx?

Mittelstrass: Das wäre meine Empfehlung gewesen, wobei ich zugebe, dass ich die räumlichen Verhältnisse nicht genau kenne. Aber eine Nähe zu exzellenten Forschungseinrichtungen aus dem Bereich Medizin und Biologie wäre nicht schlecht gewesen.

Die Furche: Der Wissenschaftsrat gilt als Beratungsgremium der Regierung. Hat man also nicht auf die eigenen Berater gehört?

Mittelstrass: Wir sind in der Tat ein Beratungsorgan der Regierung, in diesem Fall der Ministerin, aber wir sind auch Berater der Universitäten und des Parlaments. Wir haben eine schriftliche Empfehlung abgegeben, die auch Mitgrundlage der Beratungen war. Insofern saßen wir - zumindest virtuell - mit am Tisch.

Die Furche: Laut Bericht des "Standard" soll die Einrichtung in Gugging "Wittgenstein Institute of Technology Austria" heißen. Wäre zumindest dieser Name gut gewählt?

Mittelstrass: Das würde mich insofern freuen, als ich Philosoph bin. Man wird sich aber vielleicht auch fragen dürfen, was Wittgenstein ausgerechnet mit Technologie zu tun hat. Aber sei's drum.

Die Furche: Was sagen Sie zur Kritik, dass man jetzt erst zu überlegen beginnt, was in dieser Einrichtung überhaupt beforscht werden soll?

Mittelstrass: Man hat immer gesagt, dass es sich um grundlagenorientierte Forschungsprojekte aus dem Bereich der Naturwissenschaften, insbesondere der Physik, der Chemie und der Mathematik handeln soll - mit symbiotischen Beziehungen zu den Biowissenschaften. Nun kann man sagen: Das ist viel zu allgemein. Nur muss man bedenken, dass man vielleicht Konzepte am grünen Tisch entwickeln kann - aber ankommen wird es ja auf die Köpfe, die man gewinnt.

Die Furche: Wobei viele dieser "Köpfe" offenbar schon verstörte Mails an Anton Zeilinger geschickt haben, was denn in Österreich los sei ...

Mittelstrass: Das ist gewiss ein Nachteil. Andererseits ist es nicht so, dass mit Zeilingers Verweigerung - die vielleicht ja keine ganz endgültige ist - die Tür zur wissenschaftlichen Exzellenz zugeschlagen ist. Aber wenn deutlich werden sollte, dass man jene exzellenten Leute, die man eigentlich im Auge hat, nicht gewinnen kann, dann muss man sicher die Frage der richtigen Konzeption neu stellen. Der größte Fehler wäre es, mit Leuten aus der zweiten oder dritten Reihe zu beginnen.

Die Furche: Nicht nur Österreich, auch Deutschland bemüht sich um Exzellenz, wobei man dort die bestehenden Unis mit 1,9 Milliarden Euro fördert, während Österreich "eine Eliteeinrichtung mittels Patronage auf die grüne Wiese" setzt, wie Hochschulforscher Hans Pechar im "Falter" kritisiert ...

Mittelstrass: Ich bin keineswegs überzeugt, dass der deutsche Weg besser ist. Erstens hat Österreich ihn mit seinen Akademie-, Doppler-und Boltzmann-Instituten schon beschritten. Außerdem wirft man in Deutschland viel in einen Topf: Die Unis können sich um zeitlich begrenzte Mittel für Graduiertenschulen und Exzellenz-Cluster bewerben. Gleichzeitig werden auch "Zukunftskonzepte" ausgezeichnet, und das bedeutet, dass Universitäten - auch unabhängig von konkreten Projekten - mit zusätzlichen Mitteln rechnen dürfen. Man wird sehen ... Insgesamt wird sich das Hochschulsystem weiter ausdifferenzieren. Es wird noch deutlicher werden, wo die universitären Leistungsträger sitzen. Und wo nicht.

Die Furche: In den Geisteswissenschaften sitzen sie offenbar kaum, denn diese hatten in der deutschen "Exzellenzinitiative" keine Chance ...

Mittelstrass: Doch: Meine eigene Universität, Konstanz, hat sich mit einem geisteswissenschaftlichen Cluster durchgesetzt.

Die Furche: Zu welchem Thema?

Mittelstrass: Kulturelle Integration. Vielleicht hat die Aktualität des Themas ja bei der Auswahl mitgespielt ...

Das Gespräch führte

Doris Helmberger.

Quote für Deutsche

Am 7. Juli 2005 hob der Europäische Gerichtshof die österreichische Zugangs-Regelung zum Medizin-Studium wegen Diskriminierung von Studierenden aus dem EU-Ausland auf. In der Folge versuchten tausende deutsche "Numerus-clausus-Flüchtlinge" an den österreichischen Medizin-Unis ihr Glück. Mit einer "Safeguard-Regelung" will Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (vp) nun dieser "Disproportionalität" ein Ende bereiten - und gleichzeitig eu-rechtskonform bleiben: So sind ab kommendem Studienjahr 75 Prozent der Plätze in Medizin und Zahnmedizin für Inhaber österreichischer Reifezeugnisse reserviert, 20 Prozent für eu-Bürger und fünf Prozent für Nicht-eu-Bürger. Zusätzlich soll die Zahl der Anfängerstudienplätze um 20 Prozent - von 1250 auf 1500 - erhöht werden. Die dafür notwendige Novelle zum Universitätsgesetz (ug) soll im März im Parlament beschlossen werden. Ob das neue Gesetz auch vor dem EuGH halten wird, bleibt abzuwarten. DH

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