Gegen akademische Arroganz, für Elite

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Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle erklärt im FURCHE-Interview, warum die Universität eine elitäre Einrichtung sein soll - und warum diese Einstellung nicht hoch-, sondern demütig ist. Das Gespräch führte Raimund Lang

Zu Semesterstart bleibt für die meisten Studierenden alles beim Alten - vorerst. Denn nicht nur die von Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle versprochene "Hochschulmilliarde“ könnte sich schon nächstes Jahr auf die Studierenden auswirken. Auch Zugangsbeschränkungen und Studienbeiträge schweben dem Minister vor. Im FURCHE-Interview erklärt Töchterle, warum er sich dafür einsetzt.

Die Furche: Beim Empfang der Tiroler Hochschulkonferenz letzte Woche gab es einen kleinen Eklat, als Sie sich für eine Wiedervereinigung der Universität Innsbruck mit der Medizinischen Uni ausgesprochen haben. Deren Rektor Herbert Lochs war nicht erfreut ...

Karlheinz Töchterle: Eine Meinungsverschiedenheit, kein Eklat. In dieser "Innsbrucker Frage“ stehe ich mit meiner Position nicht alleine da. Es gibt in Tirol viele politische Kräfte, die diese Wiedervereinigung wollen. Die ÖVP ist dafür, die SPÖ ist dafür, die Grünen sind dafür. Es darf nicht verboten sein, darüber nachzudenken. Aber ich sage ganz klar: Das ist eine Angelegenheit der autonomen Universitäten. Wenn zwei Universitäten meinen, sie können gemeinsam effizienter agieren, muss man sich das anschauen. Aber es gibt derzeit wichtigere Themen in der Hochschulpolitik.

Die Furche: Bei denen Sie oft ebenfalls mit Widerstand konfrontiert sind. Wollen Sie die Universitäten einem "elitären Zirkel“ vorbehalten, wie Ihnen die Österreichische Hochschülerschaft vorwirft?

Töchterle: Das ist eine sehr harte Formulierung. Aber ich bekenne mich dazu, dass Universitäten eine elitäre Einrichtung sind. Ich meine damit keine soziale, sondern eine intellektuelle Elite. Der Wesenskern der modernen Universität ist von den humboldtschen Ideen geprägt. Das humboldtsche Modell hat sich weltweit als Basis für gute Unis durchgesetzt. Und dieses Modell fordert zwei Dinge: Bildung durch Wissenschaft und Freiheit von Forschung und Wissenschaft. Universitäten forschen am Puls des Wissens der Welt. Das ist eine hoch anspruchsvolle Aufgabe, für die nicht jeder geeignet ist.

Die Furche: Sie treten für Zugangsbeschränkungen ein. Warum nicht junge Menschen selbst ausprobieren lassen, ob sie für ein Studium geeignet sind?

Töchterle: Der Gedanke ist legitim, beinhaltet aber eine völlig andere Konzeption von Universität. Und zwar eine, wonach Unis Einrichtungen zur Volksbildung seien, die grundsätzlich jedem offenstehen sollen. Das ist nicht die Universität, wie sie mir vorschwebt. Ich wünsche mir eine allgemein gebildete Bevölkerung. Allgemeinbildung soll dabei vor allem in Sekundarbereich erfolgen. Universitäten und Fachhochschulen sind Einrichtungen zur Spezialbildung.

Die Furche: Ist es mit Ihrer Konzeption von Universität nicht trotzdem verträglich, darauf zu vertrauen, dass das Studium einen natürlichen Selektionsprozess beinhaltet, den ohnehin nur geeignete Personen bestehen?

Töchterle: Nein. Jeden Interessierten zum Studium zuzulassen, und ihn dann nach einem oder zwei Jahren hinauszuprüfen, ist unfair und frustrierend für die Betreffenden. Aus Sicht des Individuums mag es in Ordnung sein, zu sagen: Ich probiere es einmal aus und wenn ich das Studium nicht schaffe, habe ich halt keinen Abschluss. Aus der Sicht des Ministers ist das anders. Denn ich muss darauf schauen, die begrenzten budgetären Mittel effizient einzusetzen. Ehrlicher ist es, an den Beginn eines Studiums gewisse Eignungsverfahren zu stellen. Die Matura ist als formale Zulassungsvoraussetzung nur mehr bedingt dafür geeignet, insbesondere, wenn man eine international offene Universität haben möchte. Maturanoten aus verschiedenen Ländern sind schwer vergleichbar. Zumindest in überlaufenen Fächern braucht es deshalb Zugangsregelungen, die vor dem Studium greifen.

Die Furche: Eine weitere Maßnahme Ihres Hochschulplanes sind Studiengebühren - auch ein Selektionsinstrument?

Töchterle: Ich spreche von Studienbeiträgen, weil die Studierenden damit einen Beitrag zu ihrer Ausbildung leisten. Mein Modell verfolgt einen neuen, dynamischen Ansatz: Jede Universität darf die Höhe der Beiträge in einer Bandbreite mit einer Obergrenze von bis zu 500 Euro pro Semester selbst bestimmen und hebt diese auch selbst ein. Das wäre ein zusätzlicher Gestaltungsspielraum, mit dem die Unis viel tun können. Studienbeiträge haben also nichts mit Selektion zu tun, sondern helfen, die Qualität der Hochschulen zu verbessern. Für Studierende aus Nicht-EU-Ländern können die Beiträge auch höher ausfallen, bis hin zur tatsächlichen Höhe der Studienkosten. Wir haben in Österreich Studien, die von ausländischen Studierenden stark nachgefragt sind, wie Musik oder Medizin. Warum soll der Steuerzahler deren Ausbildung zur Gänze bezahlen? Das ist nicht gerecht. Ich setze mich in Brüssel auch für eine Verlängerung der Mediziner-Quote ein. Es gibt Signale, dass dieses Moratorium weiter läuft. Somit wären auch künftig 75 Prozent der Medizin-Studienplätze für junge Menschen mit österreichischem Maturazeugnis reserviert.

Die Furche: Ihr Hochschulplan sieht einen Ausbau der Fachhochschulen vor. Gehören diese auch zur intellektuellen Elite?

Töchterle: Natürlich. Wobei Fachhochschulen eine andere Zielrichtung haben. Universitäten bieten eine Spezialbildung für Wissenschaft und Forschung. Fachhochschulen eine Berufsausbildung auf wissenschaftlicher Basis. Das ist allerdings nicht ganz scharf zu trennen, denn auch an Fachhochschulen findet Forschung statt. Der im August präsentierte Expertenbericht zum Hochschulplan sieht einen Ausbau der Fachhochschulen vor und empfiehlt ein Verhältnis gegenüber den Unis von 40:60. Das scheint mir zwar sehr ambitioniert, aber wir haben einen wachsenden Bedarf an tertiären Studienplätzen, den ich primär durch die Fachhochschulen abdecken möchte.

Die Furche: Gleichzeitig möchten Sie das Image der außeruniversitären Ausbildung heben. Ist das nicht ungewöhnlich für einen Wissenschaftsminister?

Töchterle: Das klingt zunächst sehr hochmütig und elitär. Tatsächlich ist es demütig und egalitär: Ich finde es problematisch, wenn geistig Gebildete auf handwerklich Gebildete herunterschauen. Genau das tut aber eine Politik, die stets predigt, dass wir mehr Akademiker brauchen, und nicht sieht, dass sie damit einen Großteil der Bevölkerung diskriminiert. Nichtakademiker leisten wertvolle Arbeit und tragen zur wirtschaftlich stabilen Situation bei.

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