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VERZAHNUNG VON WISSENSCHAFT UND PRAXIS

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Wie andere Länder soll auch Österreich bald Fachhochschulen bekommen. Über die gesetzlichen Rahmenbedingungen und die Finanzierung herrschen noch höchst unterschiedliche Meinungen, aber in Vorarlberg läuft bereits ein Pilotprojekt.

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Wie andere Länder soll auch Österreich bald Fachhochschulen bekommen. Über die gesetzlichen Rahmenbedingungen und die Finanzierung herrschen noch höchst unterschiedliche Meinungen, aber in Vorarlberg läuft bereits ein Pilotprojekt.

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FURCHE: Was spricht für die Errichtung von Fachhochschulen?

ELSA GUNDACKER-HACKL: Ich glaube, daß die Annäherung an die EG auslösend war, aber nicht die einzige Begründung ist. Daß in anderen Staaten solche Einrichtungen wie Fachhochschulen geschaffen wurden, ist dadurch begründet, daß mehr Studenten in den Postsekundarbereich gehen und sich die Berufsfelder der Studierenden sehr unterschiedlich gestalten. Die Universitäten haben darauf nicht reagiert, sie bilden im wesentlichen für die klassischen Professionen und für die Forschung aus. Die Akademisierung weiterer Berufsfelder hat noch kaum Niederschlag im Bildungssystem gefunden.

FURCHE: Geht es nicht auch darum, daß Fachhochschulen kürzere Studien anbieten sollen?

GUNDACKER-HACKL: Das sollen sie schon, aber es geht nicht nur um die Studienlänge. Zum Beispiel sind in Großbritannien die jetzt gleichgestellten Ausbildungen an Universitäten und Polytechnics in der Länge gleich, dort waren aber die Studienzeiten zum Erstabschluß immer kürzer als bei uns. Bei uns spielt natürlich auch eine Rolle, daß wir sehr lange Studienzeiten haben, aber daß man den Postsekundarbereich diversifi-ziert, hat mehrere Gründe: eine immer heterogener werdende Studentenschaft und Berufsfelder, die Diskussion darüber, daß wir sehr ränge Studienzeiten und sehr hohe Drop-out-Raten an den Universitäten haben und daß eben viele Studierende kein wissenschaftliches Langzeitstudium wollen, sondern eine praxisbezogenere, hochwertige Ausbildung. Der Entwurf für das Fachhochschul-Studiengesetz sieht eine Mindeststudiendauer von drei Jahren vor, um mit der EG-Richtlinie über die Anerkennung der Diplome kompatibel zu sein. An Universitäten sind es vier Jahre, aber das ist die vorgeschriebene, nicht die echte Studienzeit, während wir im Fachhochschulbereich bestrebt sind, daß diese Studienzeit auch verwirklicht wird.

FURCHE: Sind die Kompetenzen zwischen Wissenschaftsressort und

Unterrichtsministerium im Fachhochschulbereich genau geklärt?

GUNDACKER-HACKL: Das ist geklärt. Die Fachhochschulen sind dem Hochschulbereich zuzuordnen, daher inhaltliche Kompetenz des Wissenschaftsministers, da aber in manchen Bereichen das berufsbildende Schulwesen tangiert wird, eine Mitkompetenz des Unterrichtsministers.

FURCHE: Für welche Disziplinen sind Fachhochschulen vorgesehen?

GUNDACKER-HACKL: Der Entwurf legt nicht fest, welche Studienrichtungen angeboten werden, sondern ist ein Rahmengesetz, das Anforderungen an die Qualität regelt und ein professionell-akademisches Gremium, den Fachhochschulrat, zur Prüfung der Anträge vorsieht. Der Verlauf ist also nicht von oben nach unten - Hochschulstudiengesetz, Verordnung des Ministers, Verordnung der akademischen Behörde -, sondern eher von unten nach oben. Eine juristische Person kann einen Fachhoch-schul-Studiengang eröffnen, legt ein Konzept mit Studienplan, Prüfungsordnung et cetera vor. Dann findet eine Prüfung zur Qualitätssicherung durch dieses unabhängige Gremium statt, das die Genehmigung erteilt.

FURCHE: Wer darf an einer Fachhochschule studieren?

GUNDACKER-HACKL: Als Hochschule muß die Fachhochschule auf Niveau achten. Zugangsbedingungen sind Reifeprüfung, Studienbe-rechtigungsprüfung oder eine facheinschlägige berufliche Qualifikation. Letztere beurteilt die Hochschule, muß dies aber gegenüber dem genannten Gremium deklarieren. Sie kann sagen, sie nimmt Leute aus dem dualen System dieser Ausbildungsrichtung auf, wenn sie eine bestimmte Weiterbildung vorweisen können. Unser Anliegen war, da das Arbeitsprogramm der Bundesregierung ei-nenZugangfürnicht-traditionelleStu-dierende unterstrichen hat, Möglichkeiten zu schaffen, die diese Einrichtungen in die Lage versetzen, kreativ zu sein: wie man unterschiedliche bildungsmäßige Voraussetzungen in ein System integrieren kann.

FURCHE: Welche Abschlüsse sind an den Fachhochschulen vorgesehen ? Bestimmte akademische Grade?

GUNDACKER-HACKL: Es gibt zwei Möglichkeiten - im Entwurf ist das noch nicht geklärt: Entweder man geht wie in Deutschland vor, dort heißt es Diplomingenieur oder Magister und in Klammer FH, oder man wählt neue Bezeichnungen, etwa Diplom-Betriebswirt oder Diplom-Elektroingenieur, also unmittelbarer auf das Berufsfeld zielend. Doktorate sind an Fachhochschulen selbst nicht vorgesehen, wohl aber die Möglichkeit, ein Doktoratsstudium an einer Universität anzuschließen.

FURCHE: Das Lehrpersonal soll ja wie an Universitäten teils aus Habilitierten und teils aus Praktikern des jeweiligen Faches bestehen...

GUNDACKER-HACKL: Ja, das kann die Fachhochschule selbst entscheiden, wobei nur ein Mindeststandard vorgegeben ist. In der Kerngruppe, die den Lehrplan ausarbeitet, müssen mindestens zwei Habilitierte und zwei Fachleute aus der Berufspraxis sein. Diese Verzahnung von Berufspraktikern und Wissenschaftlern ist ein durchgängiges Prinzip, sowohl beim Fachhochschulrat, dem Gremium, das über die Zulassung und die Sinnhaftigkeit der Studienpläne bestimmt, als auch im Lehrkörper.

FURCHE: Es wurde vor allem

Kritik daran geübt, daß der Bund nicht als Erhalter von Fachhochschulen auftreten will. Warum nicht?

GUNDACKER-HACKL: Ein Grund ist sicher, daß bei einer Erweiterung des Postsekundarbereichs die Frage gestellt wird: Soll alles nur staatliche Finanzierung sein, oder kann man sich gemischte Finanzierungen vorstellen? Österreich ist ja fast einzigartig, weil hier fast alles nur vom Bund finanziert wird. Wenn nun ein Bereich größer wird, dann braucht er mehr Geld. Das kann man auf verschiedene Weise aufbringen. Der Staat könnte Steuern erhöhen oder eine gemischte Finanzierung anstreben.

FURCHE: Es stehen für die Fach hochschulen auch Studiengebühren zur Diskussion. Was sagen Sie zur Kritik, daß hier Barrieren im Bildungsbereich errichtet werden?

GUNDACKER-HACKL: Erstens wird es sicher, sollte es Studiengebühren geben - das wird sicher auch noch politisch diskutiert -, Maßnahmen der Studienförderung geben, damit diese Gebühren nicht sozial diskriminierend sind. Was ich zweitens durchaus für einen Diskussionspunkt halte, ist, daß die Frage der Studiengebühren für den gesamten Postsekundarbereich geklärt werden muß.

In fast allen Staaten gibt es Studiengebühren. Es gibt dabei zwei Gesichtspunkte, den der sozialen Gerechtigkeit und den, größere Verbindlichkeiten herzustellen, von sehen des Studenten, aber auch der Institution, die sich um jemanden, von dem sie etwas bekommt, vielleicht mehr kümmert.

FURCHE: Sehen Sie in Österreich schon konkret Standorte und Träger von Fachhochschulen vor sich?

GUNDACKER-HACKL: Es gibt in den einzelnen Bundesländern in Zusammenarbeit mit den Kammern Aktivitäten für bestimmte Bereiche, die aus regional- und wirtschaftspolitischen Gründen als relevant angesehen werden. Ein Vorläufer ist das Technikum in Vorarlberg. (Siehe Seite 15, Anm.d.Red.)

Dr. Elsa Gundacker-Hackl ist Sachbearbeiterin für den „Entwurf für ein Bundesgesetz über Fachhochschul-Studiengänge" (FHStG) im Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung. Mit ihr sprach Heiner Boberski.

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