Lehrer zweier Klassen

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Die neuen Pädagogischen Hochschulen erfreuen sich regen Zustroms - und perpetuieren zugleich die Zweigleisigkeit der Lehrerausbildung.

Hans Schachl hat mit vielem gerechnet - doch nicht mit dieser Zahlungsmoral: "Der Großteil der Studiengebühren war schon Ende August auf unserem Konto", wundert sich der Rektor der neuen Privaten Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz. Dass an seiner Hochschule - im Unterschied zur vormaligen Pädagogischen Akademie - erstmals Studiengebühren in der Höhe von 363,36 Euro pro Semester zu begleichen sind, hat offenbar keinerlei abschreckende Wirkung gezeitigt. Vielmehr hat sich die Zahl der Erstsemestrigen im Vergleich zum Vorjahr nahezu verdoppelt.

Lust auf neuen Titel

Nicht nur an der Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz, auch an den anderen drei kirchlichen und acht staatlichen Pädagogischen Hochschulen ist der Andrang im heurigen Wintersemester groß. Zwei Faktoren hätten zu diesem neu entflammten Interesse am Pflichtschullehrerberuf geführt, glaubt Rektor Hans Schachl: Zum einen die Meldung, dass die Zeit des großen Lehrerüberschusses an Österreichs Pflichtschulen langsam zu Ende gehe. Und zum anderen - natürlich - die Chance, das dreijährige Studium mit einem akademischen Titel zu krönen. "Bachelor of Education" dürfen sich die Hochschulabsolventinnen und-absolventen in Hinkunft nennen. Ein Titel, der es ihnen - dank des so genannten Bologna-Prozesses - ohne große Probleme ermöglichen wird, an Unis im Ausland weiterzustudieren.

Nicht so in Österreich. "Ob ein Absolvent einer Pädagogischen Hochschule sein Bachelor-Studium an einer Universität angerechnet bekommt, ist vom Goodwill des jeweiligen Vizerektors für Lehre abhängig", kritisiert Michael Schratz, Leiter des Instituts für Lehrer/innen/bildung und Schulforschung an der Universität Innsbruck. Schließlich würden die Lehramtsstudien an den Unis noch immer nicht die zweistufige Bachelor-Master-Architektur aufweisen, sondern nach neun Semestern mit dem "Magister" schließen.

Die unterschiedliche Studienarchitektur ist für Schratz aber nur einer von mehreren Knackpunkten bei der derzeitigen Form der Lehrerausbildung in Österreich. "Ich finde, dass die Trennung der Ausbildung von AHS-Lehrern und Pflichtschullehrern insgesamt nicht zielführend ist", betont der Experte. Aus internationaler Sicht führe kein Weg daran vorbei, die Lehrerausbildung auf der höchsten Stufe anzusiedeln - der Universität. Was passiert, wenn das nicht so ist, könne man anhand des österreichischen Kindergartenwesens studieren. "Weil die Kindergartenpädagogik bei uns nicht akademisch verankert ist, gibt es zu diesem Thema auch kaum Forschung", so Schratz.

Teurer Lehrbetrieb

Mit der Auflösung der Pädagogischen Hochschulen und der Überführung der gesamten Lehrerausbildung an die Unis habe das freilich nichts zu tun, betont der Lehrerbildner. Vielmehr müsse es zu einer steten Annäherung zwischen den Universitäten und den Hochschulen kommen. Am Ende würden im besten Fall "Schools of Education" stehen. "Die Doppelgleisigkeit der österreichischen Lehrerausbildung ist ja auch sehr teuer", gibt Schratz zu bedenken. "Wenn an einer Hochschule drei Leute Chemie wählen und an der Universität zwölf - dann macht es wohl keinen Sinn, einen je eigenen Lehrbetrieb aufrechtzuerhalten."

Auch Hans Schachl und seine Rektorskollegin Dagmar Hackl von der Pädagogischen Hochschule in Wien wünschen sich mehr Zusammenarbeit - allerdings auf etwas andere Art: So sollten künftig alle Lehrenden das Bachelor-Studium an den Pädagogischen Hochschulen absolvieren müssen. Wer später an einer AHS unterrichten möchte, solle sich das nötige Fachwissen später an der Universität aneignen können.

Wo auch immer sie künftig angesiedelt wäre: Eine gemeinsame Ausbildung aller Lehrerinnen und Lehrer würde notgedrungen auch zu einer gleichen Bezahlung aller Pädagogen führen - und damit erst die praktische Umsetzung der "Neuen Mittelschule" ermöglichen, wie sie Bildungsministerin Claudia Schmied vorschwebt (siehe Kasten): Derzeit beschleicht Pflichtschullehrer beim Blick auf ihren Gehaltszettel freilich noch das Gefühl der Zweitklassigkeit. Während AHS-Lehrer mit Gehältern zwischen 1900 und 2000 Euro starten und bis zu 4700 Euro monatlich verdienen, werden Hauptschul-Pädagogen mit 1600 bis 1700 Euro Anfangsgehalt bzw. 3400 Höchstgehalt remuneriert.

Rechtschreiben für Lehrer

Nicht zuletzt würde eine gemeinsame Lehrerausbildung auch die Ungleichheiten bei der Studienzulassung beseitigen. Während an Universitäten keinerlei Zugangsbeschränkungen erlaubt sind, dürfen die Pädagogischen Hochschulen aus der Fülle an Bewerbern selektieren - zum Teil mit fraglichen Methoden. So sorgte etwa die Pädagogische Hochschule Wien mit einem simplen Rechtschreibtest (an dem überraschend viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer scheiterten) für Schlagzeilen. "Neben der allgemeinen Hochschulreife gehört die Beherrschung der deutschen Sprache in Wort und Schrift eben auch zur Aufnahmevoraussetzung", rechtfertigt sich Jutta Zemanek, Vizerektorin für Studienrecht, Fortbildung und Innovation der Pädagogischen Hochschule Wien. Dazu komme - für angehende Volks- und Sonderschullehrer - die Überprüfung der körperlichen und musikalischen Eignung sowie ein Abklären der persönlichen Befähigung im individuellen Gespräch.

"Es gibt keine valide, punktuelle Prüfungsform, um abzutesten, ob jemand ein guter Lehrer wird", kommentiert Michael Schratz die Zulassungsmethoden an den neuen Pädagogischen Hochschulen. An der Universität Innsbruck habe man sich deshalb entschlossen, die Lehramtskandidaten einfach ehestmöglich mit der Schulpraxis zu konfrontieren. "20 bis 30 Prozent der Studierenden ergreifen daraufhin die Flucht."

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