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In den nächsten 15 Jahren geht die Hälfte der Lehrerschaft in Pension. Der Generationswechsel bringt Engpässe mit sich, wird aber als Chance gesehen.

Es war Anfang Februar 2001, als Maturantinnen und Maturanten hierzulande Post vom Unterrichtsministerium erhielten. Darin der höchst persönlich von der damaligen Ministerin, Elisabeth Gehrer, formulierte Rat, dass die Angesprochenen im IT-Bereich gute Berufschancen hätten. Weniger im Lehramt, vor allem wenn man Deutsch, Geschichte oder Philosophie studieren möchte.

Neun Jahre später: Die damals 18-Jährigen versuchen gerade nach Ausbildungsjahren im Beruf Fuß zu fassen. Und wer damals trotzig war und dennoch eine Lehrerausbildung begonnen hat, der darf sich nun freuen: Plötzlich geistert die Warnung von einem enormen Lehrermangel durch das Land. In den nächsten 15 Jahren werden alle Lehrer, die in den 70/80er-Jahren in bewegten Zeiten der Pädagogik zu unterrichten anfingen, ihren Ruhestand antreten. Ein Generationswechsel wird an den Schulen stattfinden. Eine Chance – nicht nur für bildungspolitische Reformen, wie sie Unterrichtsministerin Claudia Schmied setzen will: Sie baut an einer neuen Lehrerausbildung und an einem neuen Dienst- und Besoldungsrecht. Wann, wenn nicht jetzt, so ihr Motto. Eine Chance auch für viele junge Menschen, den Beruf zu ergreifen.

Doch selten sind in diesem Land Aussagen zur Schule sonnenklar. Während zu Schulbeginn in Deutschland der dortige Philologenverband den enormen Lehrermangel beklagte (Interview rechts), der bereits zu provisorischen Lösungen im Unterrichten der Kinder führt – pensionierte Lehrer werden aus dem Ruhestand zurückgeholt, nebenberufliche „Lehrer“ unterrichten Physik –, nehmen hierzulande Verantwortliche im Bund und manchen Ländern (Wien, Oberösterreich und Steiermark) das Wort „Lehrermangel“ nur zaghaft in den Mund. Dass eine Pensionierungswelle droht, stellt niemand in Abrede. Aber so der grundlegende Tenor bei einem Rundruf in zuständigen Landesbehörden und im Unterrichtsministerium: Es wird sich ausgehen, wir haben die Situation im Griff, es wird vorgesorgt, etwa in Oberösterreich durch die Nachwuchs-Aktion „Talente – Lehrerinnen und Lehrer“.

Kein akuter Mangel befürchtet

Das Unterrichtsministerium beruhigt angesichts deutscher Horrormeldungen: „Es gibt in den nächsten Jahren keinen akuten Mangel. Auch langfristig gesehen wird es zwar im einen oder anderen Fach zu mehr Bedarf kommen, aber von einem akuten Lehrermangel kann man dennoch nicht sprechen“, hieß es aus dem Büro von Ministerin Schmied. Aus deren Papier über den Lehrerbedarf geht hervor, dass zurzeit und in wenigen Jahren sogar noch ein Überschuss in manchen Bundesländern, Schultypen oder Fächern vorhanden ist. Bedarf gibt es beispielsweise schon jetzt in Gymnasien und Berufsbildenden Mittleren und Höheren Schulen in den Fächern Deutsch, Englisch, Mathematik, Physik, Chemie und Sport.

Langfristig bis 2025 wird die Sache aber brenzliger: Gesichert ist laut Ministerium die Versorgung der Volksschulen. In Hauptschulen wird es ab 2016/2017 in einigen Bundesländern schon Bedarf an Junglehrern geben. Ebenso in den AHS und Berufsbildenden Schulen. Hier schreibt das Ministerium in seiner Prognose, dass ab diesem Jahr erstens mit einer Trendumkehr bei den Schülerzahlen zu rechnen ist, sprich die Schülerzahlen werden nicht weiter fallen.Zweitens werden in diesem Schuljahr „Spitzenwerte bei den Übertritten in den Ruhestand erreicht“. Die Sprecherin von Ministerin Schmied, Sigrid Wilhelm, fügt hinzu, dass diese Prognose davon ausgeht, dass gewisse Faktoren gleich blieben, wie die Rate an Studienanfängern an Pädagogischen Hochschulen oder Unis. Natürlich gebe es Unsicherheitsfaktoren wie das Pensionsverhalten der Lehrer im Konkreten oder Schülerzahlen in einzelnen Schultypen.

Manche Unsicherheiten schafft die Politik selbst, die derzeit an der Monsteraufgabe arbeitet, die Lehrerausbildung auf neue Beine zu stellen und das Dienst- und Besoldungsrecht umzukrempeln, alles mit dem Ziel, so Schmieds Sprecherin, den Beruf attraktiver und moderner zu machen. Bei der neuen Lehrerausbildung ist etwa vorgesehen, dass alle angehenden Pädagogen Eignungsverfahren durchlaufen müssten. Das Motto Schmieds: Nur die Besten sollen unsere Kinder unterrichten. Doch könnte der sich abzeichnende Lehrermangel dazu führen, dass man jeden Bewerber nehmen muss? Wilhelm wehrt ab. An der Qualitätsoffensive dürfe nicht gerüttelt werden. Die eingeleiteten Reformen sollten den Beruf Lehrer attraktiver machen. Vermehrte Durchlässigkeit zwischen den Schultypen und Bundesländern sei das Gebot der Stunde und die Förderung von Quereinsteigern.

Auch die Rektorin der Pädagogischen Hochschule Wien, Dagmar Hackl, sagt: „Die Qualität darf auf keinen Fall hintangestellt werden, egal, wie dringend man Lehrer braucht.“ Auch sie betont, man solle flexibler werden und Wege, Lehrer zu werden, ausweiten. „Ich halte sehr viel von Quereinsteigern.“ Es sei auch bereits ein Curriculum an ihrer Pädagogischen Hochschule für Quereinsteiger entwickelt worden. Es wartet nur auf eine gesetzliche Basis. Gerade in den chronischen Mangelfächern wie Physik wird hier von Experten Bedarf gesehen.

„Am Limit unserer Kapazitäten.“

Hackl betont, dass sie sehr wohl wahrnehme, dass die Politik etwas gegen den drohenden Lehrermangel tue, indem stark um neue Lehrer geworben werde. An ihrer Hochschule habe sie die Möglichkeit, Raumkapazitäten auszuweiten. Doch zu viel an Werben geht auch nicht mehr. „Wir sind am Limit der Kapazitäten“, sagt Hackl. Was die PH Wien betrifft, gibt es einen starken Zulauf. Laut Hackl wurden die Studierendenzahlen in den letzten beiden Jahren um 100 Prozent gesteigert. Von 850 Anmeldungen können derzeit 450 bis 500 genommen werden. Geht es nach dieser Hochschule muss man sich keine Sorgen darum machen, neue Lehrer zu bekommen. Obwohl das Image des Berufs angekratzt ist. Doch scheinbar sind Interessierte dagegen immun. Ebenso gegenüber Aufrufen, doch eher naturwissenschaftliche Fächer zu studieren als Deutsch und Geschichte mit längeren Wartelisten.

Walter Riegler, Lehrergewerkschafter für die Pflichtschulen, sieht die Lage hierzulande hingegen weniger rosig: „In Österreich passiert im Augenblick nichts, um den Lehrermangel abzuwenden.“ Schon vor zwei Jahren hätten er samt Kollegen aus Deutschland und der Schweiz vor dem drohenden Mangel gewarnt. Mangel gebe es bereits jetzt, verweist er auf die Situation in Wien. Unterrichtsstunden würden zum Teil durch Überstunden abgedeckt und nicht durch mehr Personal. Das wird zwar im Stadtschulrat bestätigt: „Wir hatten in den letzten zwei Jahren eine knappe Situation. Trotzdem ist es sich ausgegangen, ohne dass wir eklatante Überstunden vergeben mussten“, sagt der Leiter der Abteilung für Personalmanagement, Reinhard Gruden, und fügt optimistisch hinzu: Es werde sich auch in den nächsten Jahren trotz Pensionierungswelle ausgehen. In manchen Fächern habe es immer schon einen Mangel gegeben und es sei mit Überstunden ausgeholfen worden.

So eindeutig sind die Einschätzungen zu einem Mangel also nicht. Hier setzt Riegler fort: Wolle man junge Leute für den Beruf gewinnen, müsse man jetzt klare Signale aussenden. „Ein Maturant sollte wissen: Wenn ich jetzt Lehrer werde, dann erwartet mich dies oder jenes. Dann müssen die Dinge aber auch halten.“ Fragen wie Gehalt oder Arbeitsbedingungen müssten jetzt für junge Menschen geklärt sein, um den Beruf zu ergreifen. – Sind sie aber nicht. Denn die Reformen in diesen Bereichen sind noch fern ihrer Realisierung.

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