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Der Lehrermangel ebbt ab

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Das gefürchtete Schul-Notjahr 1969/70 ist zur Hälfte bewältigt. Es bedurfte zwar aller Anstrengungen und Findigkeiten, den Ausfall eines Lehrernachwuchsjahrganges aufzufangen, aber der prophezeite „Zusammenbruch“ des allgemeinbildenden Pflichtschulwesens ist ausgeblieben, ähnlich wie im Jahre 1966 bei der Einführung des neunten Pflicht-schuljahres.

An der Schwelle der siebziger Jahre stellt sich die Lage wie folgt dar: Der Lehrermangel — berechnet nach dem Anteil der nichtbesetzten Dienstposten an der Anzahl der bewilligten — ist in Wien unbedeutend, im Burgenland gering, in Salzburg und Kärnten erträglich; er ist in Vorarlberg und Oberösterreich am größten — fast jeder dritte Lehrer

muß durch Mehrdienstleistungen ersetzt werden. Diese Unterschiedlichkeit ergibt sich aus der sehr differenzierten Nachwuchslage (hinsichtlich Werbung, Maturantenreser-voir usw.), dem unterschiedlichen Wachsen der Schülerzahlen, dem Ausgleich der Schulorganisation und anderem mehr. Die vielen personalfordernden Auswirkungen des Schulgesetzwerkes 1962 (dienstrechtliche Verbesserungen, Klassenschülerhöchstzahl 40 und 36 und neuntes Pflichtschuljahr) sind in Kraft gesetzt, wenn auch noch nicht verkraftet, und mit Ursache des Lehrermangels. Das Schulgesetzwerk 1962 sieht keine weiteren personalausweitenden Maßnahmen mehr vor. Dagegen ist der Personalbedarf aus den schul-

organisatorischen Entwicklungen (Ausweitung des Haupt- und Sonderschulwesens) noch nicht zum Stillstand gekommen. Er wird gerade für jene Bundesländer am größten sein, die jetzt den empfindlichsten Lehrermangel haben. Bleibt noch von der Entwicklung des Schülerzustromes zu sprechen. Entscheidend dafür ist der Schülereintrittsjahrgang, der wieder eine Folge der Geburtenjahrgangsstärken ist. Der Geburtenjahrgang 1963 war mit mehr als 134.000 der stärkste; seither schrumpfen sie, allerdings nicht alarmierend. Der Schuleintrittsjahr-gang 1969, der derzeit die erste Schulstufe besucht, war der stärkste seit mehr als zwanzig Jahren, die folgenden — ab Herbst 1970 — werden, zuerst freilich nur unbedeu-

tend, absinken. Damit wird allerdings die Gesamtschülerzahl der allgemeinbildenden Pflichtschulen noch nicht rückläufig, das wird erst der Fall sein, wenn die jährlichen Abgänge (Entlassungen und Übertritte) aus den Pflichtschulen den Schuleintritts Jahrgang übersteigen. Damit ist erst nach 1975, etwa 1977, zu rechnen. Bis dahin wird die Gesamtschülerschaft anwachsen, freilich von Jahr zu Jahr immer weniger. Der Zusatzbedarf an Lehrern wird daher immer geringer, so daß der Nach-ersatz-(Nachhol-)bedarf immer rascher erfüllt werden kann. Beim Lehrernachwuchs wird man zunächst der außerordentlichen Steigerung des Lehrernachwuchses zu gedenken haben. In den sechziger Jahren wurden 13.512 Lehrer im engeren Sinne ausgebildet, in den fünfziger Jahren dagegen nur 7826. Im Jahre 1960 gab es 26.575 Klassen-und Fachlehrer im allgemeinbildenden Pflichtschulwesen, am Ende der sechziger Jahre jedoch 33.309. Nunmehr sind alle pädagogischen Akademien in Österreich eingerichtet, und im Sommer 1970 werden

ihre Abgänger in allen Bundesländern in den Schuldienst strömen, zirka 2100 in ganz Österreich. Im Jahre 1969 haben an diesen pädagogischen Akademien rund 2700 Studierende ihre Ausbüdung begonnen

— fast ein Viertel mehr als im Jahr vorher —, so daß im Jahre 1972 mit einem Lehrernachwuchs von mehr als 2600 zu rechnen ist Es hat den Anschein, als ob sich dieser Zustrom zu den pädagogischen Akademien noch verstärken werde. Im Jahre 1971 gibt es sodann zwei Maturantenlehrgänge der musisch-pädagogischen Realgymnasien, weiter steigende Maturantenzahlen...

Der Lehrernachwuchs wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach gut entwik-keln, vielleicht nicht so auf die Länder gestreut, wie es zu wünschen wäre. Daraus dürften vorübergehend Schwierigkeiten entstehen: unterschiedliche Versorgungsverhältnisse

— länderweise rascher oder zögernder Abbau des Lehrermangels.

Im ganzen sieht es jedoch darnach aus, daß der Lehrermangel unter Kontrolle kommt.

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