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Gefallener Lehrergroschen

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Die 20. Gehaltsgesetznovelle für die Lehrkräfte an den Pflicht- und allgemeinbildenden höheren Schulen hat dazu geführt, daß bei den Lehrern der Groschen gefallen ist. Das ist nicht nur sinnbildlich zu verstehen, nämlich derart, daß sie um ihre gesellschaftspolitische Bedeutung besser als früher Bescheid wissen und an diese finanzielle Forderungen knüpfen, sondern jetzt bereits durchaus konkret: Wenn nicht ein zusätzlicher Gehaltsgroschen monatlich in die Brieftasche des Lehrers fällt, dann ist ihm kein Preis zu hoch, sich diesen zu holen.

Anlaß für diese an und für sich unerfreuliche Entwicklung waren die Professoren an den Pädagogischen Akademien und die an diesen Anstalten beschäftigten Übungsschullehrer. Unerfreulich ist diese Entwicklung deshalb, weil, frei nach dem Motto „Ohne Geld ka Musi“, gedroht wurde, ohne Gehaltserhöhung werde es 1970 keine neuen Lehrer geben — also „Ohne Geld kane Lehrer“. Heuer sollten an den Pädagogischen Akademien — von denen es in Österreich zur Zeit 14 gibt — nahezu 2100 Absolventen ausgemustert werden. Diese Neulehrer braucht Österreich dringend, denn dem Lehrermangel konnte bislang nicht gesteuert werden. Die Pädagogischen Akademien werden aber, die bisherigen Erfahrungen beweisen das, den Lehrermangel doch aus der Welt schaffen können. Um nun ihren Gehaltsforderungen Nachdruck zu verleihen, haben die Akademieprofessoren einen Prüfungsstreik angedroht, was soviel bedeuten würde, als daß es eben dann keine Akademieabgänger für den Schulbetrieb gibt. Mit ihrer Drohung haben aber die Akademieprofessoren auf sich selbst ein denkbar ungünstiges Licht geworfen: Zum ersten werden — wie bereits erwähnt — die 2100 Abgänger schon dringend im Schulbetrieb benötigt, bei einer Nichtabnahme der Prüfung würden unzählige junge Österreicher im Alter zwischen sechs und fünfzehn Jahren diesen Schritt zu büßen halben. Und zum zweiten wird den Absolventen der Pädagogischen Akademien ein Verdienst im kommenden Schuljahr vorenthalten. In beiden Fällen ist das gegenüber dem „Vater Staat“ — auch wenn eine Gehaltserhöhung grundsätzlich gerecht wäre — ein Beispiel abzulehnender Pression. Wenn Pädagogen einmal derart agieren, was soll man dann von anderen Berufsgruppen erwarten?

Die Wurzeln dieser Professorenforderung liegt schon Jahre zurück: Erinnern wir uns doch daran, daß 1966 — auf Grund des Schulorganisa-tionsgesetzes 1962 — in Wien zwei Schulversuche von Pädagogischen Akademien gestartet wurden. Mit dem Herbst 1968 begannen die Akademien ihren vollen Betrieb. Dadurch wurde aber nicht nur ein neuer Schultyp geschaffen, der eine Zwischenstufe zwischen Mittel- und Hochschule darstellt, sondern auch eine neue Lehrergruppe, die schon vor ihrer Einstellung ein neues Standesbewußtsein entwickelt hat. Honoriert wurde damals die Pionierleistung der Akademieprofessoren mit einem zwanzigprozentigen Ge-haltsvorsprung vor den Mittelschulprofessoren. Aber auch eine zweite Gruppe von Lehrern rückte damit ins Blickfeld: die Übungsschullehrer. Die Ubungsschullehrer haben die Aufgabe, die Studenten an den Pädagogischen Akademien in den praktischen Unterricht einzuführen. Sosehr man die Bedeutung dieser Lehrergruppe auch schätzen mag, sosehr gelangt man zu neuen Bedenken, wenn man weiß, daß sich diese — ausgebildeten — Hauptschullehrer nun Professoren nennen. Und mit dem Titel stiegen die Gehaltsforderungen. Wie überhaupt bei den Lehrkräften an den Pädagogischen Akademien noch einiges ungeklärt ist. Als Anstellungserfordernis wird neben einer ausgezeichneten Berufsbeschreibung auch eine wissenschaftliche Arbeit verlangt. Nun steht zwar der „ausgezeichneten Beschreibung“ nichts im Wege, für eine wissenschaftliche Arbeit ist aber ein Aufsatz in einer Lehrerzeitung zu wenig —, aber auch das wird als wissenschaftlache Arbeit anerkannt. Somit erweist sich, daß trotz der absehbaren Erfolge der Pädagogischen Akademien das System noch unausgegoren ist. Die Gehaltsforderungen der Lehrer an den Pädagogischen Akademien gehen aber in die Richtung, die, wie der Schultyp, zwischen der Mittel-und der Hochschule liegen. Durch die 20. Gehaltsgesetznovelle wird der 20-Prozent-Vorsprung von früher aus der Welt geschafft. Die Akademielehrer wollen aber wieder eine ähnliche „Anerkennung“ ihres Standes. Dagegen haben aber die Mittelschulprofessoren ihre Bedenken: Auf ihrer Seite wird argumentiert, daß der Direktor einer Mittelschule ebensoviel Verantwortung zu tragen und ebensoviel zu leisten hat wie ein Akademieprofessor. Warum sollte nun dieser mehr verdienen als ein Gymnasialdirektor? Dem halten wieder die Akademielehrer entgegen, daß für Mittelschulprofessoren immerhin Aufstiegsmöglichkeiten vorhanden sind — es ist leichter, Direktor zu werden als Professor an einer Akademie. Nimmt man das Zahlenmaterial zur Hand, dann scheinen die „Pädagogischen“ im Recht zu sein: In Österreich unterrichten heute 68 Professoren und rund 200 Übungsschullehrer, eine Zahl also, bei der die Erfüllung der Forderung keine Frage der finanziellen Bedeckung sein kann. Ist eine Einigung, vielleicht sogar eine „Befriedigung“, abzusehen? Sowohl ÖVP wie auch SPÖ bemühen sich derzeit, die Gunst der Lehrerschaft zu gewinnen. Dabei werden aber immer nur Einzelgruppen forciert, da und dort Zusagen gemacht — an eine gänzliche „Bereinigung“ traut sich keiner der politischen Giganten heran. Diese wäre aber auch nur bei einer gänzlichen Neugestaltung des Lehrergehaltsschemas zu erreichen, wobei jede Gruppe Abstriche machen müßte. Es klingt auf die Dauer paradox, bei „pädagogischen“ Professoren von einer wissenschaftlichen Qualifikation zu sprechen, wenn nur der eine oder andere das Doktorat erworben hat, hingegen eine Vielzahl von Mittelschulprofessoren durch wissenschaftliche Arbeiten sich diesen Titel aneignen konnte. Sicherlich ist die Arbeit eines Übungsschullehrers mit schwierigeren Aufgaben verbunden als die eines einfachen Hauptschullehrers, dafür aber — ohne akademisches Studium — den Titel „Professor“ in Anspruch nehmen zu können, scheint eine weitere Ungereimtheit zu sein.

Mehr vielleicht als die politischen Parteien könnten die Lehrer aber selbst beitragen. Der ausgesprochene Brotneid, der Unnachgiebigkeit in den diversen Lagern heraufbeschworen hat, ist nicht ein Grund, den Lehrberuf weiterhin als Idealberuf sehen zu können. Bevor die Lehrer aller Schulen künftighin Gehaltsforderungen stellen, sollten sie sich fragen, wie sie untereinander stehen und nicht einfach an die Parteien mit der Frage herantreten „Wer ist euch lieber?“ Auch wenn man grundsätzlich eine finanzielle Besserstellung der Lehrer befürwortet, muß die in den letzten Wochen gehandhabte Lobby-Taktik abgelehnt werden. Und wenn der Lehrberuf — ebenso wie der Lehrer — nicht das Ansehen in der Öffentlichkeit genießt, das ihm zusteht, dann haben sich das die Pädagogen selbst zuzuschreiben. Man kann sicher sein, daß der Prüfungsstreik der Akademieprofessoren ausbleibt. Aber wozu das Theater?

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