Multitalente gesucht

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Pädagogische Kompetenz, Frustrationstoleranz: Die Anforderungen an Junglehrer sind hoch.

Lange Zeit waren die Aussichten alles andere als rosig: ellenlange Wartelisten, bescheidenes Anfangsgehalt und ein durchaus verbesserbares Image. Zumindest was Gehalt und Wartezeit betrifft, scheint sich nun der Trend bei Junglehrern umzukehren: So könnten sie schon bald mit einer Aufstockung des Einstiegsgehalts von bisher 1.740 auf 2.000 Euro rechnen, stellt Bildungsministerin Elisabeth Gehrer in Aussicht. Erfreuliches prophezeit auch AHS-Lehrergewerkschafter Helmut Jantschitsch: Dank der erwarteten Pensionierungswelle würden in fünf bis sechs Jahren in allen Bereichen Lehrer gesucht.

Was freilich bleibt, ist die große pädagogische Herausforderung. Ob Österreichs Lehrerinnen und Lehrer dafür ausreichend gewappnet sind, wird von Bildungsexperten gerade bei der universitären Ausbildung zum AHS-Lehrer seit Jahren bezweifelt. Das Anforderungsprofil sei jedenfalls klar, meint Pisa-Forscher Günter Haider: "Wir brauchen speziell bis zur achten und neunten Schulstufe Leute, die als Lehrer professionell sind und nicht so sehr professionelle Physiker oder Germanisten."

Sind Österreichs Pädagogen pädagogisch zu wenig geschult? Werner Hromada vom Bildungsreferat der Österreichischen Hochschülerschaft warnt vor Verallgemeinerungen. In der fachdidaktischen Ausbildung der Lehramtskandidaten gebe es etwa österreichweit sehr große Fortschritte. Freilich sei die allgemeine pädagogische Ausbildung mit zehn Semesterwochenstunden bisher zu kurz gekommen, kritisiert Hromada. Im Vergleich dazu seien in Deutschland 80 bis 120 Stunden für diesen Bereich vorgesehen.

Neue Studienpläne

Immerhin: Verbesserungen sind im Gang. Grund zur Hoffnung geben vor allem die heuer in Kraft getretenen neuen Studienpläne für Lehramtsstudien, die eine inhaltliche Neustrukturierung und Ausweitung der allgemeindidaktischen Ausbildung vorsehen. Ein Hauptaugenmerk werde nunmehr auch auf die Persönlichkeitsentwicklung der Lehramtskandidaten, wie etwa die Fähigkeit zur Selbstreflexion, gelegt. Auch der Praxisbezug werde forciert, erklärt Klaus Pollheimer, stellvertretender Leiter des Instituts für die Schulpraktische Ausbildung an der Universität Wien. So sollen die Studenten künftig schon im ersten Semester in die Klassen schnuppern und ab dem dritten selbstständig Unterrichtseinheiten durchführen.

Ein besonderes Anliegen sei - wenigstens am Standort Wien - die Vereinheitlichung der Studienpläne, um bei jenen Studierenden, die ihr kombinationspflichtiges Studium an zwei Unis bestreiten, Doppelgleisigkeiten vermeiden zu können, so Pollheimer.

Auch in der Ausbildung der Pflichtschullehrer, die schon jetzt einen höheren Praxisbezug aufweist, stehen Veränderungen an. So soll die geplante Umwandlung der Pädagogischen Akademien in Pädagogische Hochschulen ihre europaweite Anerkennung sichern. Ob dadurch allerdings eine Kooperation zwischen der Pflichtschullehrerausbildung und der universitären Schulung möglich wird, bleibt strittig. "Ziel einer vereinten Lehrerausbildung müsste jedenfalls die Möglichkeit sein, in verschiedenen, aufbauenden Modulen, auch außerhalb der Universität, Zusatzqualifikationen zu erwerben", weiß Adi Solly von der Hochschülerschaft der Pädagogischen Akademien.

Im Schulalltag selbst greifen solche Veränderungen freilich nur langsam, erklärt Heinrich Strohmer vom Pädagogischen Institut der Stadt Wien. "Wir bemerken in den Seminaren zum Unterrichtspraktikum immer wieder, dass viele angehende Lehrer theoretisch sehr gut gebildet sind. Doch dieses Wissen in die eigene Person zu integrieren dauert Jahre." Die Ausbildung zum Lehrer ist jedenfalls keineswegs mit dem Magisterium abgeschlossen, kommt doch der berufsbegleitenden Fortbildung der Lehrerinnen und Lehrer eine immer größere Bedeutung zu. Entsprechende Angebote gibt es in den österreichweit rund 50 Pädagogischen Instituten und Akademien zuhauf.

Besonders die schulinterne, standortbezogene Fortbildung gewinnt immer mehr Bedeutung, sind sich die Experten einig. Denn die neuen Anforderungen der Schulautonomie machen es notwendig, direkt am Standort Schule den Aufbau von Netzwerken und Plattformen zu fördern und eine Projektkultur ins Leben zu rufen. Schwerpunkte der Lehrerfortbildung liegen derzeit auch im Bereich Informationstechnologien, Präsentationstechniken und Fremdsprachenkompetenzen. Gerade die Seminare zur Informationstechnologie können dabei über mangelnden Zuspruch nicht klagen. So nehmen dieses Jahr allein in Wien rund 500 Lehrer - immerhin rund zehn Prozent - an einer von der EU geförderten Fortbildung zu IT-Pädagogen teil.

Noch muss die Motivation zur Fortbildung allerdings eine persönliche sein, zumal es hierfür keine finanziellen Anreize gibt, sondern oft noch Kosten anfallen. Jedoch sei der finanzielle Aspekt für die Lehrer nicht der wesentliche, weiß Heinz Strohmer. "Besonders negativ wird bemerkt, dass für die Entwicklungsarbeiten an der Schule von Seiten der Behörde sehr wenig Unterstützung bereitgestellt wird." So werde es etwa den Lehrenden nicht leicht gemacht, Teile ihrer Lehrverpflichtung für diese Tätigkeit heranzuziehen.

"Eine verpflichtende Fortbildung könnte nur als Teil des gesamten Arbeitsprofils der Lehrer eingerichtet werden", räumt auch Karl Haffner, Leiter der Abteilung "AHS-LehrerInnenfortbildung" im Bildungsministerium, ein. Doch sehe das derzeitige AHS-Dienstrecht, anders als im Pflichtschulbereich, keine solche verpflichtende Fortbildung - oder gar Dienstzeit - vor. "So lange aber im Dienstrecht und in der Schulorganisation keine Spezialaufgaben und somit kein Anreiz gegeben sind, kann es zu keinen grundlegenden Änderungen kommen", mahnen die ÖH-Vertreter Hromada und Solly.

Fähig sein für Neues

Was ist aber die wichtigste Qualifikation eines angehenden Lehrers? Die Liste der Eigenschaften, die nach Expertenmeinung für den Lehrberuf unabdingbar sind, ist lang: auf ihr stehen Kommunikationsfähigkeit, Teamfähigkeit, eine hohe Frustrationstoleranz, Vermittlungskompetenz, die Fähigkeit zur Reflexion (auch über sich selbst) und natürlich fachliche Kompetenz. Grundvoraussetzung sei aber zweifellos die Freude in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Pointiert bringt Lehrerausbildner Klaus Pollheimer seine Vorstellung vom idealen Pädagogen auf den Punkt: "Lehrer müssen ver-rückt sein. Darunter verstehe ich natürlich keine Nervenkrankheit, sondern einfach die Fähigkeit, in neuen Bahnen zu denken und Neues auszuprobieren."

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