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Mehr Effizienz mit geringeren Mitteln

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Aufschrei an vielen Schulen. Das Sparpaket I zeigt erste Auswirkungen. Müssen wir um die gute Ausbildung unserer Jugend bangen?

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Aufschrei an vielen Schulen. Das Sparpaket I zeigt erste Auswirkungen. Müssen wir um die gute Ausbildung unserer Jugend bangen?

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Im heurigen Frühjahr haben Stadt- und Landesschulratspräsi-denten auf etwaige Folgen des sogenannten Sparpakets I für Österreichs Schulen aufmerksam gemacht und auf Bereiche hingewiesen, in denen gespart beziehungsweise nicht gespart werden kann (furche 12/95). Jetzt, unmittelbar nach Beginn des neuen Schuljahres, werden die schmerzhaften Schnitte spürbar: Klassenzusammenlegungen (die Klassenschülerhöchstzahl kann von 30 auf 36 erhöht werden, großzügige Teilungen sind nicht mehr möglich) und Sparen beim Lehrpersonal (vor allem Sondervertragslehrer sind davon betroffen) rufen Schüler, Direktoren und Lehrergewerkschafter auf den Plan.

Für Wolf Peschl, Direktor am Wiener Gymnasium Kundmanngasse, wird durch Erhöhung der Klas-senschülerzahl die Bildungsqualität sowie das soziale Klima in der Schule entscheidend gesenkt. „Die Lehrer können sich nicht mehr so sehr dem einzelnen im Unterricht zuwenden”, so Peschl zur Furche. Der Gymnasium-Direktor verweist auf die „neuen Arten und Formen des Lernens”, von denen im Unterrichtsministerium so gerne gesprochen werde: „Dann streicht man aber konsequent, was dazugehört. Schon im Frühjahr wurden 50 Prozent der Freifächer gekürzt, was besonders die besseren Schüler trifft. Das alles führt früher oder später wieder zu einem Frontalunterricht.”

Man werde sich wehren, kündigt Peschl an, via Gewerkschaft, mehr noch durch die Personalvertretung. „Studien zeigen, daß im 21. Jahrhundert nur jene Staaten Wohlstand genießen werden, die jetzt schon gute Ausbildungssysteme haben. Man darf nicht bei der Ausbildungsqualität unserer Jugend sparen!”

Die Lehrervertretung wird keinesfalls jenen Maßnahmen des Sparpakets zustimmen, die eine Erfüllung der gesetzlichen Auflagen unmöglich machen, also Erhöhung der Schülerzahlen und höhere Teilungszahlen (für den Fremdsprachenunterricht), so Lehrervertreter Azevedo Weißmann (Vorsitzender des Zentralausschusses für AHS-Lehrer beim Unterrichtsministerium) zur Furche.

Die Sparmaßnahmen, so der Personalvertreter, treffen AHS, Pflicht-und Berufsschulen jeweils unterschiedlich hart, man dürfe sie nicht über einen Kamm scheren. An den AHS trifft jede Einsparung vor allem die Lehrer, das heißt also, es geht um die Posten. „Grundsätzlich ist die Gewerkschaft sparwillig, aber nur, wenn es dadurch keine schweren pädagogischen Einbrüche gibt.” Die momentane schwierige Situation vor allem an AHS ist damit grundgelegt, daß die provisorische Lehrfächerver-teilung für den Herbst schon im April/Mai festgesetzt wird. Durch Wiederholungsprüfungen und durch Absagen in den 1. Klassen gestaltet sich die Erstellung des Stundenplanes schon in der ersten Schulwoche als besonders schwierig - gänzlich unzumutbar wird jetzt die Situation, wenn zusätzlich die Schülerzahl pro Klasse erhöht wird.

Weißmann macht auch darauf aufmerksam, daß in vielen Schulen Chemie-, Physik- und Biologiesäle nur für 30 Schüler konzipiert wurden. Die entsprechenden Gegenstände müßten bei höherer Schülerzahl im Klassenzimmer abgehalten, werden, mit der Folge, daß der Unterricht wieder langweiliger wird. „Diesmal”, so Weißmann, „werde man in manchen schulischen Bereichen noch sparen können, aber ein weiteres Sparpaket hält die Schule nicht aus.” Konkrete Protestmaßnahmen werden noch nicht angedroht, die Gewerkschaft will abwarten, wie sich das Sparpaket konkret auf die Schulen auswirkt.

Zu einem anderen Thema, nicht minder brisant als das schulische, das aufgrund der von den Sozialpartnern ausgehandelten Sparvorschläge den Ländern noch viele Sorgen bereiten wird: die Wohnbauförderung. Von den 30 Milliarden Schilling Wohnbauförderung' kommen 24 Milliarden vom Bund, der jetzt drei Milliarden einsparen will, wobei das Sozialpartnerpapier ausdrücklich festhält, daß es zu keiner Verringerung der Bautätigkeit kommen soll. Der ÖGB-Vizepräsident Fritz Neugebauer hat insofern Verständnis für den Vorschlag, als Experten darauf hingewiesen hätten, daß Wohnbauförde-rungsmittel von den Ländern nicht immer für den Wohnungsbau verwendet worden seien, sondern auch für Straßenbau (Zufahrten) oder Garagen. Diskutieren müssen werde man auch die Bückzahlungsraten beziehungsweise die Dauer der Etappen. Da könnte rascher Geld zurückfließen.

Keine große Freude mit den vorgeschlagenen Einsparungsmaßnahmen bei der Wohnbauförderung hat der Wiener ÖAAB-Chef Walter Schwimmer. „Die geplanten Kürzungen der Wohnbauförderung treffen allerdings nicht unmittelbar den einzelnen, sondern die Länder. Vielleicht ist das eine Brechstange, um das von den Ländern zu erreichen, was ich mir von ihnen schon lange wünsche, nämlich die Wohnbauförderung effizienter einzusetzen.” Die Länder stünden damit unter Druck, mit weniger Geld möglichst den bisherigen Effekt zu erreichen. Der Sozialpartnervorschlag, so Schwimmer, sei ein Faustschlag ins Gesicht des Wiener Rathauses und der Wiener Wohnbauförderung. Absolute Zu-

Stimmung kommt von Schwimmer für die Neuregulierung der Rückzahlungsgeschwindigkeit gemäß der Einkommensentwicklung des einzelnen.

Im Oktober, kündigt Schwimmer an, wird der OVP-Club eine Enquete zum Thema, wie man schneller und billiger bei gleichbleibender Qualität bauen kann. Die Schweiz und Holland hätten das bereits vorexerziert. Es geht um die Beschleunigung von Bauvorhaben und um Kostensenkung durch Reduzierung mancher ursprünglich gut gemachter Dinge auf ein vernünftiges Maß („Muß wirklich jede Wohnung aufwendig behindertengerecht ausgestaltet sein?”). Hier könnte man „mit einfachen Dingen” einiges einsparen. Schwimmer glaubt, daß dadurch und durch Beschleunigung der Bauverfahren inuerhalb von fünf Jahren ein halbes Jahresbauvolumen, das sind 20.000 Wohnungen, zusätzlich erreicht werden könnte.

Beim Sparpaket II geht es um ein Umdenken bezüglich des Anspruchdenkens an den Staat, um verstärkte Kontrolle, um soziale Treffsicherheit und höhere Effizienz staatlicher Fördermaßnahmen. Dabei soll das persönliche Leistungsdenken und die Wirtschaft nicht beeinträchtigt werden. Deswegen hat auch ÖAAB-Chef Josef Höchtl Nachbesserungen vor allem hinsichtlich der Familienbeihilfe für in Ausbildung Stehende gefordert (Familienbeihilfe für Studenten für die Mindeststudiendauer plus zwei Semester); desgleichen sollten die Auswirkungen der Kürzung der Wohnbauförderung auf junge Familien, auf den Arbeitsmarkt und auf das Investitionsklima noch kritisch geprüft werden; schließlich meint Höchtl, daß der „Schwarze Peter” bei der Frage der Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters nicht den älteren Arbeitnehmern zugespielt werden darf, die aus dem Arbeitsprozeß gedrängt werden.

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