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Sie sind viele - und sie sind sich einig darüber, gegen das kommende Sparpaket zu sein. Mehr als Einzelproteste bringen sie aber nicht zustande: eine Allianz der Unzufriedenen.

Autofahrer und Trafikanten. Fluggesellschaften, Stiftungen und Banken. Alte und Kranke. Arbeitende und Studierende: Kaum jemand, der sich durch das Sparpaket nicht bedroht fühlt. Zwar könnte man meinen, dass die von der Regierung propagierte gesellschaftliche Breite erreicht wurde, die das Budget trage - doch es zeigt sich, dass mancher den "Schwarzen Peter" einfach weiter gibt. Umso breiter ist die Allianz der Unzufriedenen - mit noch unklarem revolutionären Potenzial.

Die Studierenden mischten immer mit, wenn es um Missstände ging. 1965 gegen den Antisemiten Taras Borodajkewycz an der heutigen Wirtschaftsuniversität. In den 80ern bei der Rettung der Hainburger Au, später beim Lichtermeer gegen Jörg Haiders Ausländervolksbegehren. Und in den vergangenen zehn Jahren, mit dem Höhepunkt des "Audimaxismus" 2009, gegen jegliche Einsparungen im Bildungsbereich.

Was SPÖ-Wissenschaftssprecherin Andrea Kuntzl im Nationalrat als "sozial gerechtes Sparbudget" bezeichnete, ist für die Österreichische HochschülerInnenschaft (ÖH) respektive die Bundesvorsitzende Sigrid Maurer dann auch "ein schlechter Scherz". Versprochen gewesen seien Einsparungen von Verwaltungskosten, und nicht bei den Bürgern, kritisiert Maurer Finanzminister Josef Pröll. Im Gegensatz dazu "werden nun die Familien und Pflegebedürftigen zur Kasse gebeten". ÖH-Teamkollege Thomas Wallerberger, Studierenden-Vertreter für die Fachhochschulen, ist sicher, dass Pröll versagt habe und fragt sich, "ob die Attacken gegen die Familien Planlosigkeit oder geplante Bösartigkeit" seien. Wie auch immer: Die Studierenden stiegen auf die Barrikaden.

Sind die Sozialdemokraten bereits Proteste des Verbands Sozialistischer StudentInnen Österreichs gewöhnt, so bekommt nun der Regierungspartner die Wut "seiner" Hochschüler zu spüren. Die ÖVP-nahe Aktionsgemeinschaft (AG) tat ihre Meinung zum Sparpaket kund und ortete einen "Budgetskandal".

VP-nahe Studentenkritik

So stellte sie fest, dass entgegen der angekündigten Entschärfung der Familienbeihilfe-Kürzung (ab dem 24. Lebensjahr) nun doch auf die Erweiterung der Bezugsdauer für Absolventen der Berufsbildenden mittleren und höheren Schulen verzichtet werde. Diese blieben gegenüber AHS-Absolventen im Nachteil, da sie ein Jahr später maturieren und beim Studienabschluss entsprechend zwei Semester älter - mitunter also über 24 - sind. "Wenn im tatsächlichen Gesetzestext nichts davon zu lesen ist, kann das wirklich nur mehr als eine Unverschämtheit bezeichnet werden", findet die AG klare Worte.

Gerade im Bildungsbereich ist seit Ende Oktober, als der erste Budgetentwurf bekannt wurde, eine breite Allianz entstanden, die neben Studierenden, Eltern und Lehrern auch das Gewicht des Industriellen und Ex-Vizekanzlers Hannes Androsch einbringt. Abgesehen von der diskutierten "Verländerung" der Schulkompetenzen will Androsch mit einem Volksbegehren auch die Probleme der Unis aufgreifen. Dabei scheut er keine Tabus, wie etwa neue Studiengebühren, sondern hält "gerechte Kostenbeiträge" für notwendig.

2009 zahlte der Bund die Familienbeihilfe für 1.814.293 Kinder aus. Deren Eltern, von den Einsparungen bedroht, sind aber zugleich Adressaten der (unausgesprochenen) Botschaft, die hinter dem erschwerten Zugang zu den Pflegestufen I und II steht.

Pflege bleibt vermehrt in der Familie

Wenn die Eltern der Eltern - um der Einfachheit halber beim Pflegegeld für alte Menschen zu bleiben - in die Verlegenheit des Pflegebedarfs kommen, heißt es künftig nämlich noch mehr auf die Hilfe der Verwandtschaft zu setzen. In finanzieller wie in tatkräftiger Hinsicht: Mütter und Väter könnten das Gefühl haben, nach unten und nach oben geschröpft und als Familie besonders mit Sparmaßnahmen belastet zu sein.

Auch Walter Rothensteiner, Generaldirektor der Raiffeisen Zentralbank, stützte diesen Verdacht als er klarstellte, dass die neue Bankenabgabe die Kunden bezahlen werden. Da vom Gehaltskonto bis zum Bausparvertrag alles über Banken läuft, wird sich kaum jemand der inzwischen als "Massensteuer" betitelten Neuerung entziehen können. Genau so wenig wie der Erhöhung der Mineralölsteuer oder der Flugticketabgabe, die unter dem Mantel des Umweltschutzes eingeführt werden - und den einen oder anderen Familienurlaub verteuern dürften.

Eine echte Öko-Steuer forderte stattdessen Franz Fischler, Präsident des Ökosozialen Forums und ehemals EU-Agrarkommissar. Mit Caritas-Präsident Franz Küberl und dem Ex-Finanzminister Ferdinand Lacina appellierte er an den Nationalrat, dem Budget nicht zuzustimmen. Ein Kritikpunkt waren "die schrecklichen Kürzungsvorhaben in der Entwicklungszusammenarbeit", die auch für Bundespräsident Heinz Fischer "schmerzhaft" sind. Nicht weniger übrigens als für Kardinal Christoph Schönborn, der sie als "kurzsichtig" bezeichnete.

Kein Großaufstand in Sicht

Mit dem Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB), der auf 1,22 Millionen Mitglieder verweist, brachte sich ein weiteres Schwergewicht in Stellung gegen die Regierung. ÖGB-Präsident Erich Foglar stößt sich unter anderem am Wegfall der Familienbeihilfe für Arbeitssuchende 18- bis 21-Jährige.

Bei all diesen Bewegungen, denen gegenüber sich die Regierung in nachhaltiger Härte übt, fehlt jedoch die eine, alles überstrahlende Person oder Institution, welche imstande wäre, vorhandene Energien zu fokussieren und einen gemeinsamen gesellschaftlichen Protest anzuleiten. Nicht nur im ÖGB erinnert sich wohl mancher gerne der Demonstration gegen die Pensionsreform 2003, als trotz Hagel über 100.000 Menschen in Wien zusammen kamen. Große Veränderungen brachten sie nicht, generationenverbindend war das allemal. Heutige Organisatoren sind froh, die 10.000er-Grenze zu knacken. Eine Revolution - so oft sie auch angekündigt wird -, ist wohl nicht in Sicht.

Dass sich die Regierung - mit einem Augenzwinkern betrachtet - um einen besonderen Verbündeten gebracht hat, ist bisher untergegangen: "Die Sparmaßnahmen belasten die Thermen und Bäder massiv", stellt der Österreichische Heilbäder- und Kurorteverband fest und attestiert eine Gefahr für den Fremdenverkehr. Die Branche sieht jährliche Kosten von 13 Millionen Euro kommen, weil die Rückvergütung der Energieabgabe wegfällt. Ob die Regierung für das Budget 2012 wieder in der Therme Loipersdorf willkommen ist, steht in den Sternen.

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