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Stell Dir vor, es sind ÖH-Wahlen ...

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Der eisige Wind droht die Flugblätter von den Informationsständen der Wahlwerber vor der Wiener Universität zu wehen. „Darf ich Dir eine Zeitung geben?", fragt die junge Dame von der ÖVP-nahen „Aktionsgemeinschaft" (AG) unverdrossen die Vorbeihastenden. Meist erntet sie nur ein Kopfschütteln. Der Weg zum Haupteingang ist gesäumt von Wahlplakaten: „Die (Sozialistisch-Grünalternativ-Liberal - K ommu nistische - Fachschaf tsli -sten-Koalition in der) Bundes-ÖH hat versagt!", „Global gegen Neoliberal!", Freiheitliche gegen den „Linksterrorismus in Osterreich". Polarisierung ist angesagt.

Jahrzehntelang „regierten" ÖVP-nahe Fraktionen die Hochschülerschaft. Vor zwei Jahren verlor die AG ihre absolute Mehrheit und wurde von einer Linkskoalition abgelöst, die nicht nur Universitäts-, sondern Gesellschaftspolitik „für alle Benachteiligten" machen wollte. Und die am 14. März 1996 allein in Wien 40.000 Menschen gegen das Sparpaket auf die Straße brachte.

Das Sparpaket kam trotzdem; der ÖH-Euphorie folgte die Depression. Eine „noch nie dagewesene Lethargie in der Wahlbewegung" ortet Christof Zellenberg von der konservativen „Jungen Europäischen Studenteninitiative" (JES). Und Wolfgang Gattringer, Spitzenkandidat der AG, spricht offen von der „Sinnfrage", die sich die OH wohl stellen müsse, sollte es nicht gelingen, bei den bevorstehenden „Schlüsselwählen" wieder mehr Studierende zu den Wahlurnen zu locken. Zuletzt betrug die Wahlbeteiligung nur mehr 29,3 Prozent, viele fürchten ein neuerliches Bekord-tief. Zwar würde trotzdem wieder ein „Studentenparlament" gebildet werden, Studentenvertreter würden weiterhin in den universitären Gremien sitzen - als Verhandlungspartner ernstgenommen würde die OH dann aber kaum mehr.

Ob jedoch Slogans wie „Die OH hat versagt" geeignet sind, um die Hochschüler zu mehr Engagement für eben diese ÖH zu motivieren? Das sei „eine Gratwanderung", räumt Wolfgang Gattringer ein. „Aber wir wollen signalisieren, daß sich etwas än dem muß. Die OH muß wieder eine effiziente Studierendenvertretung werden. Die Studenten wollen vor allem Information und Beratung und die Vertretung ihrer spezifischen Interessen."

Die JES geht noch weiter: Sie will die ÖH als Serviceeinrichtung sehen, das politische Mandat solle in Zukunft nur mehr von den Fraktionen ausgeübt werden. Bündnispartner für ihre bildungspolitischen Anliegen sucht die JES ohnehin längst anderswo. Kein Wunder, ihr Wettern gegen lange Studiendauer und hohe Drop-out-Baten, ihr Vorschlag, „ein Studieninvestitionsprogramm" einzuführen - jeder Student zahlt pro Semester 5.000 Schilling ein und bekommt das so angesammelte „Startkapital" nur dann ohne Abzüge zurück, wenn er das Studium in der Mindestzeit plus höchstens zwei Semester schafft - dies alles ist gewiß nicht gängige ÖH-Politik.

Kritik am „Chaos" in der derzeitigen ÖH-Führung kommt auch von den Liberalen, die nach fünf Monaten aus der Linkskoalition ausstiegen. Aber „nur Service ganz ohne Politik" sei ebenfalls zu wenig, so Bundessprecher Udo Pappler. „Die Studierenden brauchen Zukunftsperspektiven, auch im Hinblick auf die wachsende Akademikerarbeitslosigkeit." Ein konkretes Anliegen der Liberalen: 9.000 Schilling Existenzminimum für Studierende.

Und der harte Kern der ÖH-Koali-tion? Die grün-alternative „GBAS" will die „Gesellschaftspolitik gegen den Bechtsruck" fortsetzen, die Kommunisten wollen gar „den Kapitalismus abschaffen". Auf „mehr Bealis-mus" in der ÖH-Politik setzt dagegen der sozialistische VSSTÖ: „Besser konkrete Projekte, die realisierbar sind, als illusorische Dinge", so Spitzenkandidatin Eva Czernohorsky.

Endlich ist doch jemand bei den Wahlplakaten stehengeblieben. Ein Publizistik-Student, wie sich im Gespräch herausstellt. Ja, er werde zur Wahl gehen, wenn er auch für die vielen NichtWähler zum ersten Mal vollstes Verständnis habe. Nicht aus Enttäuschung über die ÖH-Arbeit der letzten Jahre, sondern wegen des „parteipolitischen Gezänks" der Fraktionen. „Warum treten nicht alle gemeinsam für die Interessen der Studierenden ein und machen Druck auf die politischen Parteien?"

Denn im konkreten sind die Forderungen gar nicht so verschieden: Wiedereinführung der Studentenfreifahrt, Verbesserungen bei der Familienbeihilfe. Trotzdem lautet die Devise: Jeder gegen (fast) jeden, ganz nach dem Vorbild der „großen Politik". Vielleicht ist es wirklich das, was viele Studierende einfach satt haben.

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