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Hochschulwahlen im Zeichen sinkenden Wahlinteresses

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Der Hochschulwahlkampf hat seinen Höhepunkt erreicht: am 14. und 15. Mai ist es soweit. Rund 83.000 Studenten werden über die Zusammensetzung des Zentralausschusses, der Hauptausschüsse sowie der Fakultäts- und Studienrichtungsvertretungen entscheiden. Im Gegensatz zur letzten Wahl im Jänner 1974 (78.000 Wahlberechtigte) werden diesmal 55 Zentralausschußmandate (gegenüber 53) vergeben werden, wobei 13 wahlwerbende Gruppen in die Arena gestiegen sind. (Die Kandidatur der „Nationalen Studentenliste Deutscher Sozialisten“ wurde von der Wahlkommission abgelehnt).

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Der Hochschulwahlkampf hat seinen Höhepunkt erreicht: am 14. und 15. Mai ist es soweit. Rund 83.000 Studenten werden über die Zusammensetzung des Zentralausschusses, der Hauptausschüsse sowie der Fakultäts- und Studienrichtungsvertretungen entscheiden. Im Gegensatz zur letzten Wahl im Jänner 1974 (78.000 Wahlberechtigte) werden diesmal 55 Zentralausschußmandate (gegenüber 53) vergeben werden, wobei 13 wahlwerbende Gruppen in die Arena gestiegen sind. (Die Kandidatur der „Nationalen Studentenliste Deutscher Sozialisten“ wurde von der Wahlkommission abgelehnt).

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Der Wahlkampf hat — wie zu erwarten war — wenig Erfreuliches geboten. Selbst die eher emotionslose „Wiener-Zeitung“ spricht von „scharfen Angriffen (der DSU) auf die .Mutterpartei' (ÖSU)“. Tatsächlich haben fast alle Fraktionen zum Halali auf die stärkste Fraktion, die österreichische Studenten Union (ÖSU), geblasen. Dem RFS und den JES ist die ÖSU zu links, den Linken (VSStÖ und DSU) ist sie zu rechts. Die politische Wahrheit dürfte in der Mitte liegen, was die ÖSU (Selbstdefinition: „Progressive Mitte“) ohnehin als ihr Selbstverständnis versteht. Kein Zweifel, der Weg der Mitte hat in der Vergangenheit einen merklichen Linksdrall aufgewiesen, der letztlich auch zur Spaltung der ÖSU und zur Sezession der nunmehrigen DSU geführt hatte, so daß sich die ÖSU derzeit als „konsolidiert“ bezeichnen kann; ein Prozeß, der sich nach den Wahlen wahrscheinlich fortsetzen wird, da sich der der-

zeitige ÖSU-Chef Schneider zurückziehen will und sein Nachfolger höchstwahrscheinlich Georg Karasek (derzeit Vorsitzender des Hauptausschusses an der Universität Wien) heißen wird.

Am fanatischesten wird der Kampf gegen die ÖSU wohl von der DSU betrieben. Die DSU beabsichtigt, die Mandate, die sie derzeit infolge des Austritts von ehemaligen ÖSU-Man-dataren innehat, unbedingt zu halten. Keine leichte Aufgabe, wenn man bedenkt, daß die DSU über keine Mitglieder verfügt, sondern lediglich aus einer Handvoll „Ausgetretener“ besteht, die jedoch vom VSStÖ kräftigst unterstützt werden. Da sich die DSU schwerlich als ideologische Kraft profilieren kann, da sie doch mit den sozialistischen und kommunistischen Fraktionen koaliert, mußte sie den Wahlkampf auf eine andere Ebene verlegen und hat sich auf Angriffe gegen ehemalige ÖSU-Funktionäre in der Hochschü-

lerschaft spezialisiert. Angriffe, die regelmäßig in „finanziellen Unregelmäßigkeiten“ gipfeln und die, wenn auch bereits hinlänglich widerlegt, immer wieder neu aufgewärmt werden.

So etwa wurden alle Übersiedlungskosten des Zentralausschusses in die neuen Räumlichkeiten vom Wissenschaftsministerium bezahlt, und es wurden keine Einrichtungsgegenstände vor Bestätigung durch das Ministerium angeschafft. Was die Buchhaltung des Zentralausschusses betrifft, hat sich DSU-Chef Keckeis ebenfalls ein Eigentor geschossen, denn immerhin war es ZA-Präsident Schneider, der die Buchhaltung des ZA auf Computer umgestellt hat und der an der Aufstellung eines Budgets nur durch die Opposition gehindert wurde. Keckeis jedoch, der mit seiner DSU seit 1974 ohne Einberufung des ZA sowie ohne Budget mit Studentengeldern Wahlwerbung betreibt (durch keinen ZA-Beschluß gedeckt), wird von gewissen Pressekreisen regelmäßig „gestreichelt“. Man merkt die Absicht und ist verstimmt.

Welchen Stimmenanteil die ÖSU, die bei den letzten Wahlen (mit Namenslisten) die Hälfte der Stimmen erzielen konnte, diesmal erreichen wird, wagt niemand vorherzusagen. Auch der RFS (Ring Freiheitlicher Studenten), der seit Jahren regelmäßig ein paar Prozent verliert, sieht Bastionen wanken, denn die JES („Junge Europäische Studen-

ten“), die sich als „serviceorientierte Studentenpartei“ mit konservativem Background anbieten, dürften die etablierten Gruppen einige Stimmen kosten. Daneben gibt es noch eine Reihe anderer Gruppierungen, die — eine geringe Wahlbeteiligung vorausgesetzt — alle Chancen auf ein ZA-Mandat haben (eine hohe Wahlbeteiligung wirkt erfahrungsgemäß, durch teurere Mandate, zugunsten der großen etablierten Gruppen).

Es ist ein bedauerliches Phänomen, daß man politische Rechte erst dann wieder schätzt, wenn ihr potentieller

oder tatsächlicher Verlust offenkundig wird. Aber wozu ausländische Beispiele zitieren? Auch in Österreich haben bei den vergangenen Kammerwahlen (mit der ÖH, als Körperschaft des * öffentlichen Rechts, durchaus vergleichbar) Arbeitnehmer wie Arbeitgeber durch hohe Wahlbeteiligung ein sichtbares Interesse an demokratischen Institutionen bewiesen. Die Akademiker von morgen aber nützen den vorlesungsfreien Tag für persönliche Motive und bleiben der Universität fern.

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