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Ergebene Vasallen

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Es ist soweit: diese Woche wählen rund 75.000 Studenten an 18 Hochschulen ihre Vertreter in der österreichischen Hochschülerschaft, die eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist. Es handelt sich also um eine Art Kammerwahl; daß es sich jedoch nicht nur um eine reine Frage der Interessenvertretung handelt, sondern handfeste ideologische Gegensätze mitspielen, hat der nunmehr zu Ende gehende Wahlkampf bewiesen.

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Es ist soweit: diese Woche wählen rund 75.000 Studenten an 18 Hochschulen ihre Vertreter in der österreichischen Hochschülerschaft, die eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist. Es handelt sich also um eine Art Kammerwahl; daß es sich jedoch nicht nur um eine reine Frage der Interessenvertretung handelt, sondern handfeste ideologische Gegensätze mitspielen, hat der nunmehr zu Ende gehende Wahlkampf bewiesen.

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Da ja diesmal auch bekanntlich ausländische Studenten zum erstenmal das aktive Wahlrecht genießen, waren die Anstrengungen der Wahlwerber besonders stark.

Was das „Studentenservice“ betrifft, so liegt die listenführende ÖSU haushoch voran. Dennoch geht es nicht allein um biedere Hausmannskost, sondern auch um die gesellschaftspolitische Ausrichtung der verschiedenen Parteien. So unterschiedlich die einzelnen wahlwerbenden Gruppen auch sein mögen, sie haben ein Problem gemeinsam: alle haben mit mehr oder weniger starken innerfraktionellen Querelen zu kämpfen.

Vor allem die ÖSU (österreichische Studentenunion) wurde vom innerparteilichen Bazillus nicht verschont. Unmittelbar vor der Einreichungsfrist langte der Wahlvorschlag einer Liste für „Unabhängige Studentinnen, Liste Streeruwitz“ ein, die die charmante und engagierte Gattin des ehemaligen ÖH-Vorsitzenden Emst Streeruwitz eingebracht hatte. Die Tatsache, daß dieser Wahlvorschlag eingebracht wurde, ist wohl mehr als nur ein suffragettischer Jux; die Aktion zielt vielmehr in Richtung des ÖSU-Spitzenkandidaten Franz Prammer, der manchen Kreisen innerhalb der Studentenunion als „zu links“ erscheint. Informierte Kreise in der ÖSU wissen jedoch zu berichten, daß sich die Aktion weniger gegen den regen Prammer, sondern eher gegen eine „Clique“, die aus Robert Neunteufel (Technik-Wien) sowie dessen „ergebenen Vasallen“, darunter den Berufsstudenten Walter Kissling (Musikakademie-Wien) besteht, richtet. Letztgenannter mußte jedoch kürzlich nach seinem eklatartigen Rücktritt feststellen, daß wir „offenbar nicht mehr die Meinung und Absichten der Studenten vertreten“.

Zwei Tage vor Einreichungsfrist langte noch eine weitere Damenliste in der Wahlkommission ein, hinter der zweifellos Franz Prammer steht/

Der ideologische Kampf ist also wenige Tage vor den Hochschulwahlen vehement ausgebrochen.

Die Junge ÖVP Wien gab zwar eine Wahlempfehlung für die ÖSU ab, jedoch mit der Einschränkung, daß für den Zentralausschuß (also das gesamtösterreichische Gremium) die Liste Streeruwitz zu bevorzugen sei. Auch der Jungen ÖVP ist es also nicht verborgen geblieben, daß gewisse Kreise in der ÖSU — infolge eines falsch verstandenen Progres-sismus — pseudolinke Parolen in die Wahlschlacht geworfen haben. Auch in manchen Studentenkreisen ist es heutzutage offensichtlich schick, links überholen zu wollen. (Siehe auch unseren Querschnitt „Pueriles“ auf Seite 2).

Von den zwölf Listen, die sich zur Wahl stellen, bekennen sich acht eindeutig zum Marxismus. Es handelt sich hiebei um Splittergruppen, die einander permanenten Verrat an der ,reinen Lehre' vorwerfen. Es wird allgemein angenommen, daß diese Gruppen lediglich bescheidene Erfolge erringen dürften, mit Mandataren für den Zentralausschuß wird ohnehin nicht gerechnet.

Als einzige bedeutende Gruppe der Linken tritt der VSStö (Verband Sozialistischer Studenten Österreichs) auf, der sich zwar mit Vorbehalten — aber dennoch — mehr oder weniger offen zur SPÖ bekennt. Dennoch ist der VSStö in vielen Fragen mit der Mutterpartei nicht einverstanden, insbesondere hinsichtlich des Universitätsorgani-sationsgesetzes. In einer umfangreichen Aussendung legt der VSStö nicht nur ein Bekenntnis zu seinem ideologischen Standort ab (zum Beispiel: „Wir treten dafür ein, daß möglichst viele Marxisten und andere fortschrittliche Wissenschaftler einen Lehrstuhl an den Universitäten erhalten, damit das fortschrittliche Denken möglichst weite Verbreitung finden kann.“), sondern tritt gleichzeitig für ein materiell abgesichertes Studium ein. Letzteres ist eine Forderung, die alle studentischen Parteien auf ihre Fahnen geschrieben haben. Eine Forderung, wie sie noch vor wenigen Jahren, als sie unter dem Titel „Studentengehalt“ von der ÖSU propagiert wurde, von den anderen Fraktionen belächelt wurde. Infolge der zahlreichen linken Gruppen und Grüppchen ist jedoch damit zu rechnen, daß der VSStö den einen zu wenig, den anderen zu sehr links erscheinen wird, so daß sich der traditionelle Stimmenanteil des VSStö von rund 12 Prozent nicht wesentlich ändert.

Auch der Ring Freiheitlicher Studenten (RFS) kämpft um sein Image. Er versucht zwar, von seinem Gründer Norbert Burger, der später traurige Berühmtheit erlangte, loszukommen, es ist aber nach wie vor eine Tatsache, daß die Hauptarbeit im RFS von den disziplinierten „Burschen“ der diversen schlagenden Burschenschaften, Corps usw., geleistet wird. Der Muff des Reaktionären haftet auch dem RFS trotz des Ausschlusses des rechtsradikalen Mandatars Bruno Haas noch immer an. Kein Wunder also, daß der RFS („Deutsche Volks- und Kulturgemeinschaft“), der einstmals ein Drittel der Mandate erringen konnte, heute bei nur mehr knapp einem Viertel hält.

Die Wahlen werden — wie immer sie auch ausgehen — eine entscheidende Weichenstellung für die Hochschulpolitik der nächsten Jahre darstellen. Überdies kommen auf die ÖH-Vertreter große Brocken zu: das neue Universitätsorganisationsge-setz, Probleme des Numerus clausus, die Notwendigkeit der Verbesserung der sozialen Situation der Studenten sowie das In-den-Griff-Bekommen der Bildungsexplosion und die damit verbundenen Probleme eines akademischen Proletariats.

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