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Aufstandsprobe am Biertisch

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Es war wie in einem Hanswurst- Stück: Knapp vor Beginn der Pressekonferenz, auf der das Hochschulkonzept der SPÖ offiziell vorgestellt wurde, begrüßte die österreichische Hochschülerschaft — offensichtlich ohne genaues Wissen um den Inhalt — dieses Refoimprogramm. 24 Stunden später zog man dieses voreilige Lob mit dem Ausdruck des Bedauerns zurück.

Dieser „Zickzackkurs“ ist symptomatisch für die Politik der Hochschülerschaft und damit auch für die österreichische Studenten-Union (ÖSU), die mit 18 Mandaten im Zentralausschuß die stärkste Fraktion ist, den Vorsitzenden stellt und folglich den Kurs bestimmt.

Unsicheres Lavieren zwischen Extremen wurde fast zu einer „conditio sine qua non“ studentischer Hochschulpolitik. So sprach man nach der Wahl des Rektors, der gegen den Willen der Studenten von einem professoralen Wahlmännerkollegium erkürt wurde, davon, „Taten zu setzen, die die studentischen Aktivitäten anderer Länder kennzeichnen“, beschwor düster „einen heißen Herbst“ und orakelte von „geeigneten Maßnahmen gegen die offensichtliche Mißachtung des studentischen' Willens“. Heute hingegen streicht man stolz hervor, daß studentische Revolten an österreichischen Hochschulen nicht zum Ausbruch kamen. Das Ausbleiben „studentischer Aktivitäten“ ist absolut zu begrüßen, aber eine Politik der versteckten Drohungen als Druckmittel zur Durchsetzung durchaus berechtigter Anliegen birgt Gefahren und macht unglaubwürdig.

Die Liste der Versäumnisse und taktischen Unklugheiten könnte man beliebig erweitern. So verteilten ÖSU-Funktdonäre beim Parteitag der ÖVP in der Stadthalle Flugblätter, in denen das ÖVP-Konzept zur Hochschulreform gefordert wurde. Unterrich'tsminister Dr. Mock verwies in seiner Wortmeldung auf die Tätigkeit der von ihm eingesetzten Reformkommissionen, lud Interessierte zur Mitarbeit ein und legte im übrigen das ÖVP-Programm zur Neugestaltung der Hochschulen vor. Zwei Tage später warf die ÖSU der ÖVP in einer Aussendung vor, kein Konzept zu haben und sich überdies nur unklare Vorstellungen über eine Reform der Hochschule zu machen. Wen verwundert da noch, daß ÖH-

Vorsitzender Wolfgang Stickler der „Furche“ in einem Interview erklärte, einen Krieg mit dem Rektor nicht unbedingt austragen zu wollen und auf die zu erwartende Vermitt- lertätigkeit „von prominenter Seite“ verwies, kaum eine Woche später jedoch mit einem „Iniformationsflug- blatt“ den Streit mit dem Rektor neuerlich anheizte. Neben der anfänglichen Ablehnung der Klagenfurter Bildungshochschiule und dem Verhalten im Mensaskandal ist die Forderung der ÖSU nach Abschaffung der Anredetitel nur schmückendes Beiwerk.

gen, so nimmt es Wunder, daß man anstatt konstruktiver Politik im Sandkasten taktische Schachzüge übt. -

„Was sollen, wir . tun",, .meint etwas n vergrämt ein ÖVP-Funktionär,

„wenn alle paar Monate ein neues Team mit neuen Ideen kommt; nur ein Wunsch bleibt immer gleich: der nach mehr Geld.“ Denn die finanzielle Abhängigkeit von der Kärntnerstraße potenziert die Probleme.

Pessimisten sehen daher eine Gefahr entstehen, die sich nur unwesentlich von den Schwierigkeiten, die die SPÖ mit den VSSTÖ hat, unterscheidet Und in diesem Fall helfen auch die CV-Freundschaften nichts, die die politischen Spitzen der ÖVP mit den Funktionären der ÖSU verbinden. Denn die Krise der studentischen Vertretung hat ihre Ursache im Denken mancher CV-Verbindun- gen, wo man in jugendlichen Runden den „Aufstand“ am Biertisch probt. Ob angesichts dieses Zustandes zuerst der CV oder zuerst die „bürgerliche“ Studentenmehrheit zerbricht ist auch unter Kennern der Internverhältnisse schwer zu entscheiden.

Pendeln zwischen Links und Rechts

Vor etwas mehr als einem Jahr, nachdem man das Hinschedden des „Wahlblocks“ eingeleitet hatte, gründete man als dessen Nachfolgeorganisation die ÖSU. War der Wahlblock infolge seines starren Bünde- proporzes nicht flexibel genug, den Anforderungen der Hochschulpolitik Genüge zu leisten, so hoffte man mit der „Studenten-Union“ eine „Politik der progressiven Mitte“ zu verfechten. Sehr bald allerdings wurde aus dieser „Politik der progressiven Mitte“ eine „Schaukelpolitik“ zwischen Links und Rechts, fixiert nur durch den Wunsch, dotierte Ämter in der Hochschülerschaft zu bewahren.

Einigte man sich mit dem RFS, wetterte die Linke gegen die „Reaktionär-klerikale Entente“, worauf man flugs aus Angst, man könnte auf dieser Linie festgenagelt und mit ihr verteufelt werden, Verständigung mit der Linken suchte. Das allerdings wieder rief die Freiheitlichen und einige Mitglieder der Akademikerbund-Studenten auf den Plan, die heftig gegen den Linksdrall und die „Rote Gefahr“ polemisierten.

Mal stieß die Rechte, mal zog die Linke und so pendelte man ebeh. Anstatt sich um die Lösung der in reichem Maße vorhandenen Studentenprobleme zu bemühen, ergeht man sich bis heute nach dem Beispiel der Altvorderen in fruchtlosem tagespolitischen Streit. Weiß man, daß in Linz auf drei ausgeschriebene Stellen der Landesregierung 25 Bewerbungen von Juristen kommen und daß die Situation in anderen Bundesländern ähnlich gelagert ist, weiß man um die heraufdämmernde Gefahr des „akademischen Proletariats“, von Soziologen und Politolo-

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