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Wahlblock: Ursachen der Krise

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Was waren die Ursachen dieses Niedergangs? „Zu einer Zeit, da der Wahlblock noch souveräner Herrscher auf Hochschulboden war, eignete ihm Konservatismus in höchstem Maße: Initiative war ihm fremd, ebenso die eigene Verantwortung. Statt dessen wurde mit der Aufsichtsbehörde, eben mit dem Unterrichtsministerium .gepackelt'“ fl~ bemerkenswerte Erkenntnisse, die man allerdings unter denselben Titel stellen könnte, den der zitierte Artikel Andreas Khols in der „Academia“ (19. Jahrgang, Heft 2, November 1967) trägt: „Spät kommt Ihr.“ Mangelnde Initiativen und „Packelei“ statt offener Verhandlungen — das ist es, was ein Großteil der Studenten dem Wahlblock vorwirft — das eine ein Vorwurf, der alle Fraktionen gleichmäßig traf, das andere der spezielle Vorwurf an den CV, der seine Funktionäre in den Augen der Studenten unglaubwürdig machte.

„Seit Jahren sieht sich der Wahlblock- oder ÖH-Funktionär des öfteren Pressionen gegenübergestellt, die — meist aus den eigenen Reihen kommend — von ihm doppelte Moral verlangen“, schreibt Gernot Schaffer, Vorsitzender des „Amtes“ für Hochschulfragen im ÖCV in einer Analyse des Wahlresultats in der „Academia“ (18. Jahrgang, Heft 7, April 1967). Präziser ausgedrückt heißt das, daß Verbandsinter-

essen in der Regel Vorrang vor den allgemeinen studentischen Interessen hatten. „Die Schuld liegt bei denen“, heißt es weiter, „die durch eine Politik der Gesinnungskompromisse, durch eine Politik, die hauptsächlich im Erkämpfen und Verteidigen von Scheinmachtpositionen bestand, den zunächst noch idealistischen Jungen die Illusionen raubte ... Daß die Union heute mehr denn je unter Personalkrisen leidet, ist eine Folge des unsinnigen Prestigedenkens ihrer Verbände.“

Konservativismus, „Packelei“, Machtpolitik und Prestigedenken — diesen Katalog fördert die Selbstkritik der Verbände, und hier konkret des CV, zutage. Dazu kommt noch ein weiterer, nicht zu vernachlässigender Grund für das Unbehagen an der Politik des Wahlblocks: die Aufblähung der Hochschülerschaft zu einem gigantischen Verwaltungsapparat — Zimmer- und Stipendienvermittlung, Skriptenverlag, Theaterkarten- und Reisebüro, Postenvermittlung, Mensa und Krankenkasse — die ÖH war alles in einem: vor lauter sozialen Referaten, die zu administrieren waren, sahen die Mandatare kaum mehr ihre echten hochschulpolitischen Funktionen. Hochschulpolitik war weniger eine „Einübung in die Demokratie“ als eine „Angelegenheit für Bürokraten“ geworden. Die Hypertrophie der Verwaltung machte

die Funktionäre außerdem betriebsblind für das, was in der Studentensehaft vor sich ging; nicht nur in Parteien verlieren die Apparatschiks das Gespür für neue Entwicklungen. So sammelte sich eine Reihe von Problemen an, die der Wahlblock links liegen ließ („links“ erkannte man sie im übrigen ebensowenig): das steigende politische Interesse der

Studenten, die stärkere Sensibilisierung für politische Fragen, eine neuerwachte Anteilnahme an Problemen der Hochschulen — all das blieb ohne Echo unter den Mandataren ....

Leichenduft?

Erst der Schock des Wahlergebnisses brachte ein Umdenken. Während bisher meist die FÖST als der „böse Spaltpilz“ galt, schien diesmal der CV die Nerven zu verlieren. Zwar ist von totaler Auflösung, vom Rückzug der Verbände aus der Hochschulpolitik und ähnlichen Versuchsballons inzwischen nicht mehr die Rede; das Unbehagen, die hektische Nervosität ist jedoch geblieben. „Hauptursache der gegenwärtigen Malaise, deren Ausdruck die politische Unsicherheit sämtlicher Funktionäre ist, ist der Leichenduft, den der Wahlblock ausströmt“ („Academia“, November 1967). Der derzeitige Vorsitzende des Wahlblocks, Doktor Schuster, möchte allerdings die Auflösung um jeden Preis verhindern. „Ich halte eine Spaltung nicht für möglich. Wenn der Wahlblock sein Reformprogramm durchzieht, wird er wieder jene Stärke bekommen, wo es für keinen Verband opportun ist, aus dem Wahlblock auszutreten.“

Reform: Grundsätze oder Aktionen?

Worin soll dieses Reformprogramm bestehen? Darüber gehen die Meinungen innerhalb des Wahlblocks, ja innerhalb des CV auseinander. Während die „Ideologen alten Stils“ alles Heil in einem Grundsatzprogramm sehen, rufen die „jungen Revoluzzer“ nach Aktion, nicht nach Programmen und Statutenänderungen.

Daß die gegenwärtige Misere der Wahlblockpolitik durch Grundsatzprogramme zu überwinden ist, wird zwar selbst von führenden Funktionären angezweifelt. Dennoch arbeitete der CV nach den Wahlen ein solches Programm aus, das den übrigen Mitgliedern des Wahlblocks vorgelegt, diskutiert und offiziell beschlossen werden soll. Auffallendste Neuheit: die Vokabel „progressive Mitte“ und „progressiv christlich“ haben das traditionelle „abendländisch-christlich“ verdrängt, das, sei es unter dem Einfluß des Konzils, sei es auch nur unter dem Einfluß der Grazer „Aktion“, als nicht mehr zeitgemäß empfunden wurde. Neben programmatischen Schlagworten „fortschrittsbejahend, sozial engagiert, brüderlich und freiheitsbewußt“ tauchen auch konkrete Programmpunkte auf — wie die Ablehnung des akademischen Standesdünkels, die Integration der

Studenten in die Gesellschaft, die Abschaffung wissenschaftlicher Meinungsmonopole und feudal-patriarchalischer Strukturen an den Hochschulen (die beiden letzten Punkte reklamiert allerdings der VSSTÖ für sich).

Hochschulreform: Initiativen von studentischer Seite

Die Hochschulreform ist der Hauptpunkt des Aktionsprogramms und das Hauptbetätigungsfeld der neuen „Revoluzzer“ aus den Reihen des CV und der Aktiven aus der FÖST. Die vom Wahlblock initiierte Studie Manfred Leebs und Werner Vogts blieb bislang einsame Pionierarbeit, die Diskussion der Hochschulreform fand in außeruniversitären Gremien, nicht aber an der Hochschule statt. Die Universität war Diskussionsgegenstand, nicht Diskussionspartner. „Mein Wunschtraum wären paritätisch besetzte Gruppen von Professoren, Dozenten, Assistenten und Studenten an den einzelnen Fakultäten, die gemeinsam konkrete Reformvorschläge

ausarbeiten“ meint Stefan Schulmeister, der Initiator der Vortragsreihe „Impulse 603“ (der modische Titel will an den Erfolg des Symposions 600 anschließen) und grenzt sich im gleichen Zug von den sozialistischen Studenten ab: „Der Student braucht den Professor als Antithese, um mündig zu werden.“

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