6627466-1956_17_09.jpg
Digital In Arbeit

RANDBEMERKU N G E N zur woche

Werbung
Werbung
Werbung

„FREIHEIT IST DAS FEUER, IST DER HELLE

SCHEIN...“ Die Delegierten, die eben ouf ihrem ersten Bundestag die neue „Freiheitliche Partei Oesterreichs“ (FP Oe) aus der Taufe gehoben hatten, standen auf und stimmten am Abschluß ihrer Beratungen im „Weihen Hahn“ zu Wien das alte Lied an. Ganz frisch waren ihre Stimmen wohl nicht mehr an jenem Tag. Auf keinen Fall so klar wie damals, als sie es irgendwo in sangesfroheren vergangenen Zeiten einmal gelernt hatten... Im Wettlauf mit der Zeit war es also gelungen, am Vorabend der Nationalratswahl noch eine politische Nachfolgeorganisation für den seit Jahr und Tag dahinwelkenden „Verband der Unabhängigen“ zu schaffen. Und wirklich: einige Tage später verkündete der alte Vorstarid des VdU die Auflösung seiner Organisation. Der Bootwechsel schien trotz des lebhaften politischen Wellenganges der Vorwahlzeit geglückt. Wollte man auch nicht gleich anderen in der neuen Gruppe jene sagenhafte „dritte Kraft“ sehen, nach der verschiedene Dioskuren unserer Innenpolitik seit Jahren gebannt ausspähen und die bis dato nur in den Leitartikeln bestimmter Blätter existiert, so gab man der FPOe doch die Chance, die legale Nachfolgerin des VdU zu sein. Doch wieder einige Tage später stellten sich die seinerzeitigen Gründer des VdU, Doktor Herbert Kraus und Dr. Viktor Reimarn, der Presse und gaben ihre Trennung von der neuen Gruppe bekannt. Die Argumente für diesen gewifj nicht leichten Schritt sind ziemlich handfest. Sie sprechen von dem teils offenen, teils noch verdeckten Vorstoß radikaler Elemente, der im Gegensatz zu den in ruhigen Worten gehaltenem Programm zu verzeichnen ist. Hier können und wollen sie und andere VdU-Leute nicht mehr mithalten... Der Abschied Dr. Kraus' und Reimanns von der aktiven Politik will stärker beachtet werden, als es geschehen ist. Denken wir ein wenig zurück. Vor den Wahlen des Jahres 1949 war deutlich eine Malaise gegenüber den beiden traditionellen Parteien zu verzeichnen. Die Kommunisten waren natürlich unwöhlbar. Der Ruf nach einer „vierten Partei“ war allenthalben zu hören. Er wurde zu allererst von verschiedenen Intellektuellen — zum Teil sogar Angehörige der Widerstandsbewegung — aufgenommen, die noch 1945 die inzwischen getäuschte Hoffnung gehegt hatten, die alten Parteien werden nicht mehr wiederkehren. Doch einmal von der Idee zur Tal geworden, wurde der VdU alsbald nicht eine neue Kraft, sondern das Sammelbecken des dritten „historischen“ Lagers der alten Nationalen und Natiönafliberalen. Die Agitation gegen die nicht gerade glücklichen NS-Gesefze verlieh dieser Gruppe gar bald eine gewisse Virulenz. (Sie wurde schwächer, je mehr diese Gesetzgebung abgebaut wurde.) Nur die Kader blieben — und dort war am wenigsten von einem neuen Geist etwas zu spüren. An der Spitze dieser „Ressenti-menfpartei“ nahmen sich die Gründer, wie Kraus und Reimann, etwas absonderlich aus. Man verhehlte es ihnen nicht, aber sie fanden immer wieder Begründungen für 'hre Halfung. Der politische Alltag tat das übrige. Nun haben sie den entscheidenden Schrift getan, der nicht wenigen ihrer bisherigen Gefolgsleute zu denken geben wird. Ein Zwischenakt in der Geschichte der Zweiten Republik ist vorüber.

„DIESE BRUT.“ Die „Brut“, das scheinen die Mitglieder und Anhänger der Volkspartei zu sein. Fritz Konir, ein Gewerkschaftsfunktionär, schreibt in der sozialistischen „Weif der Arbeit“ (Nr. 3/56), dafj nach seinem Dafürhalfen die Wahl vom Mai 1956 darüber entscheiden werde, ob es den Sozialisten gelingen wird, diese Brut“ zu beseitigen. Nun haben die Parteifreunde des Herrn Chefredakteurs Konir mit der „Brut“ zusammengearbeitet. Durch elf Jahre. Dabei gab es viele menschliche Konfakte. Und im Gewerk-schaffsbund sitzt auch einer von der Brut. Als Vizepräsident. Wohin man sieht, sind sie beisammen, die Sozialisten und die von der Brut. Jetzt will man alle, die zur Brut zu rechnen sind, beseitigen. Man will wohl nicht gezwungen sein, einmal sagen zu müssen „Auch du, mein Sohn Brut(us)!“ Was Herr Chefredakteur Konir beseitigen will, das ist der „Kapitalismus“. Hoffentlich ist auch der Staatskapitalismus gemeint. Wenn schon vom „Beseitigen“ die Rede ist: Wie ist denn das Wort zu verstehen? Weiter im Text: „Noch nie war die Situation so günstig, alles zu erobern und wirklich die Macht zu bekommen...“ „Macht bekommen“, Macht ausüben, heifjf das nicht so viel, als mit Druck herrschen? Worin unterscheiden sich Aeufjerun-gen, wie die von Herrn Chefredakteur Konir von den Jüngern des „gröfjten Deutschen aller Zeiten“? So fing es doch einstmals in Oesterreich an. Die einen wollten an die Macht. Und verkündeten es. In Vermessenheit. Wer an die Macht will, um eine „Brut“ zu beseitigen, wird sich nicht wundern dürfen, wenn diejenigen, die sich zur „Brut“ rechnen, Gegenkräfte mobilisieren. Wer auf dem Tanzboden ein Sesselbein schwingt und In epischer Breite schildert, wie er mit seinen Gegnern verfahren werde, darf nichf bitter gekränkt sein, wenn die Angesprochenen sich nicht niederknien, sondern auch irgendwo ein Sesselbein demontieren. So war doch die Situation in der österreichischen Innenpolitik nach 1918. Bis 1934..Wir können nicht annehmen, dafj die Meinung des Herrn Chefredakteurs Konir die der SPOe ist. Schon deswegen nichf, weil wir (denken wir an Fritz Kienners bei uns besproche-, nes Buch über das „Unbehagen in der Demokratie“) auch andere Stimmen vernehmen könnten. Wäre aber das, was Herr Chefredakteur Konir sagt, die Meinung der SPOe, dann wäre das eine Absage an die Demokratie, der Aufruf der Gegenkräfte und der Beginn einer neuen unseligen Epoche österreichischer Geschichte. Mit einer neuen „Befreiung“ am Ende.

KRAFTPROBE ZWISCHEN DEMOKRATIE UND TOTALITÄRE MUS. Mit den am 27. Mai stattfindenden Kommunal- und Provinzialwahlen hat die italienische Bevölkerung eine weif über Sinn und Zweck dieser Volksbefragung hinausgehende Entscheidung zu treffen. Bei allen demokratischen Parteien, also den Christlichen Demokraten, den Liberalen, den Republikanern und den Sozialdemokraten, ist die Front eindeutig gegen die äußerste Linke gerichtet. Je mehr die Linksextremen aus ihren zumal in Norditalien noch immer starken Stellungen in den Rathäusern und den Provinzpalästen verdrängt werden, um so stärker wird zum Nutzen aller die Harmonie zwischen Zentralgewalt und Selbstverwaltungskörpern sein. Die Wahlen vom 27. Mai können das Vorspiel, ja, eine Generalprobe für spätere politische, also Gesamfwahlen, sein, die freilich erst in zwei Jahren fällig sind. Aber es wird ziemlich allgemein damit gerechnet, dafj, um der Demokratie in Kammer und Senat bessere Mehrheitsverhälfnisse zu sichern und ihr das heute sehr beengte Regieren zu erleichtern, die politischen Neuwahlen um etliches früher stattfinden werden. Wie verhält sich gegenüber diesem, sich ankündigenden Generalangriff die äußerste Linke? — Nach den Enthüllungen über den Tyrannen und Verbrecher Stalin durch seine einstmaligen engsten Gefolgsleute in Moskau haben sich die beiden Führer Togliatti und Nenni beeilt, die Provinzgrößen ihrer Parteien nach Rom zu berufen. Aber nicht eine kentradiktaforische Aussprache unter den Parfeihierarchen kam zustande, geschweige denn eine Selbstanklage oder zumindest eine Rechtfertigung. Eher geschah das Gegenteil. Denn Togliatti erklärte den in Rom zusammengeströmten Abgesandten aus Stadt und Land, es sei jetzt, da die ungemein wichtigen Wahlen vor der Tür stünden, nicht am Platze, die jüngsten atemraubenden Geschehnisse in Rußland zu erörtern. Dazu sei nach gewonnener Wahlschlacht Zeit. Und zum Zeichen, wie wenig sich nach seiner Meinung geändert habe, hatte Togliatti im großen Kongrefjsaal neben den Bildern von Marx, Engels, Lenin auch dasjenige Stalins anbringen lassen, damit die Kontinuität der kommunistischen Bewegung sinnfällig demonstrierend und — für ihn wichtiger — jegliche Erörterung über den „Sfalin-Prozeß“ von vornherein ausschließend. Das Ueberraschungs-manöver gelang. Zweieinhalb Stunden konnte Togliatti seine Zuhörer mit Wahlparolen füttern und gewifj oft langweilen. Denn er sagte nichts eigentlich Neues. Als besonderes Schreckgespenst wufjte er den „kapitalistischen Dreibund der Privilegien“ an die Wand zu malen, nichfs anderes als den jüngst erfolgten Zusammenschluß der drei großen Verbände der Industrie, der Landwirfschaft und des Handels, die mit vereinten Kräften bestrebt seien, die Ausbeutung der Arbeitnehmer auf den Höhepunkt zu treiben. Diese und andere Wahlslogans mögen sich in ruhigeren Zeiten zur Aufpeitschung der Arbeitergemüter eignen. In den gegenwärtigen und den unmittelbar bevorstehenden Wochen aber, wo der Kommunismus nichf nur in den Indusfrieunfernehmungen wie die jünasfen Betriebsratswahlen in den 53.000 Mann beschäftigenden FIAT-Werken zeiglen, unqeahnte Einburjen erlitt, sondern auch von. pußen, eben von der Moskauer Bilderstürmerei schwer erschüttert wird, qenügt das Totschweigen nicht mehr, um die Werbe- und Schlagkraft der Partei zu reffen, Das ist Vogel-Sfmuß-Polilikl Die an Zahl ständig wachsenden Gegner der beiden Parteien der äußersten Linken, vor allem die auf dem Boden der Demokratie stehenden politischen Gruppen, werden in der bevorstehenden Wahlkampagne mit allen Mitteln bestrebt sein, das bis zuletzt wirkende Sfalinsche Vorbild in der Vorstellung der ehedem kommunistischen Wähler zu vernichten und den Glauben an die bislang unbestrittene Führersfellung der Sowjetmacht zu erschüttern. Allein in den nächsten Tagen wird ein Heer von rund zehntausend Rednern der stärksten Partei, der christlich-demokratischen, den Aufklärungsfeldzug starten.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung