„Die Denaturierung der Partei hat sie ihrer Hauptfunktion beraubt und statt dessen zu ihrer uneingeschränkten Herrschaft über das gesamte Leben geführt, was sicherlich viel einfacher war, aber der sozialistischen Idee ungeheuer geschadet hat — und dies nicht nur in der Tschechoslowakei.
Die Denaturierung der Partei schuf auch jenes doppelgesichtige Wesen: das eine Gesicht für die offiziellen Versammlungen, das andere für das Privatleben und die Freunde. So läßt man im Volk Gleichgültigkeit aufkommen; es entsteht ein Klima des Verrats, des uneingestandenen Verdachts und der Angst, statt eines freien Meinungsaustausches in den Gliederungen der Partei, den Gewerkschaften, den Jugend- und Frauenorganisationen und in der Presse...“
Auf den tiefsten Stand seit rund zweieinhalb Jahren ist die Inflationsrate in Österreich gesunken. Sie lag im November bei 7 Prozent und dürfte für das ganze Jahr 1975 einen durchschnittlichen Wert von etwa 8,5 Prozent erreichen. Aus Österreichs nördlicher und westlicher Nachbarschaft werden noch günstigere Meldungen von der Inflationsfront gemeldet: In der Bundesrepublik Deutschland betrug im November 1975 der Verbraucherpreisindex 5,4 Prozent, in der Schweiz fiel er auf den tiefsten Stand seit Juli 1970, auf 3,7 Prozent. Damit hat sich der Abstand an relativer Stabilität zu den beiden wichtigsten Handelspartnern vergrößert, gegenüber dem gesamten OECD-Raum — und das ist tröstlich — dagegen ein wenig verkleinert.
Spätestens in einem Jahr, im April 1974, sind die Wiener Gemeinderats- und Landtagswahlen fällig. Vieles in der momentanen politischen Situation der Bundeshauptstadt spricht dafür, daß dieser Wahltermin von der Mehrheitspartei, der Wiener SPÖ, vorverlegt wird. Etwa auf Herbst, dieses Jahres. So nimmt es nicht wunder, daß bereits jetzt ein gewisser Vorwahlkampf begonnen hat. Die Rathaussozialisten plakatieren jedem Lokalpatrioten ans Herz — manchen freilich an die Nieren — gehend: „Wien unsere Stadt — SPÖ unsere Partei.“ Die Wiener ÖVP hingegen diagnostiziert Schlimmes:
Ein Phänomen fiel einer gefestigten Mehrheit auf den Kopf, erschlug deren Bürgermeister und belebt Österreichs Innenpolitik: die Pyhrn-autobahn. Dieses Schlagwort, das in Graz bei ÖVP und FPÖ Optimismus und Stimmengewinne bedeutete und für die SPÖ eine Identitätskrise signalisiert, drückt mehr aus, als den Verlauf einer Autobahntrasse.Bürgerinitiativen in Graz waren offenbar die Folge der Kommunikationsunterbrechung zwischen verfestigten Bürokratien und dem einzelnen, der sich in seinem Lebensbereich beschnitten fühlt. Es ist kein Zufall, daß eine Gruppe von Bürgern ihr Unbehagen
„Ich bin zuversichtlich“, bekennt Justizminister Dr. Christian Broda, während ÖVP-Abgeordneter Dr. Karasek diplomatisch innenpolitische Imponderabilien bedenkt: „Momentan sieht es aus, wie wenn es durchginge.“ Gemeint ist in beiden Fällen das parlamentarische Schicksal der Kleinen Strafrechtsreform.
Die Demokratie, jene Staatsform also, in der die politische Willensbildung dem Volk obliegt, verlangt danach, alle paar Jahre ihre Repräsentanten zu wählen. Die Monate vor Ablauf des Mandats sind (fast ausschließlich) dem Wahlkampf gewidmet: Seit Wochen schon durcheilen Franz Jonas und Dr. Kurt Waldheim, weniger aus Lust am Vazieren, als aus der Notwendigkeit „Wähler zu kontaktieren”, Österreichs Länder. Sie tätscheln aufgeregte, Versehen stammelnde Kinder, nehmen, während Blasmusikkapellen einen Tusch oder sonstig Zünftiges intonieren, Blumensträuße in Empfang und leihen
Die immer wieder drohend prophezeite Bildungsexplosion ist längst Realität geworden: Gemäß der Einsicht, daß die pluralistische und hochgradig differenzierte Industriegesellschaft eine gediegene Ausbildung ihrer Mitglieder fordert, drän-gen immer mehr junge Menschen zur Matura und an die Universitäten. Die Probleme, die sich aus de^ steigenden Schüler- und Studentenzahl engeben, werden von Tag zu Tag drückender: Während heuer 14.000 Schüler die allgemeinbildenden höheren Schulen verlassen werden, ist die Zahl der Maturanten für 1976 mit 18.400 zu veranschlagen; und 1980 werden es
Das derzeitige Zauberwort in der Feen- und Fabelwelt der Wiener Universität heißt „Marsch durch die Institution". Damit entwickelten die global und folglich unscharf als „Neue Linke" bezeichneten Studentengruppen ihre Revolutionsstrategie. Erklärtes Ziel ist eine „antiimperialistische und antikapitalistische", kurz eine marxistische Universität.Erste Etappe dieses Marsches zur Macht sind Basisgruppen und Institutsvertretungen. Die Methode, um in diesen Gremien zu dominieren, ist simpel: Stundenlange Diskussionen über Dinge geringer Wichtigkeit lassen poltisch interessierte, aber
Die Gespräche sind abgeschlossen, in Brüssel delegiert man die Verhandlungen der EWG-Beamten mit Österreich an die Politiker. Und die Kommentare aus Österreich sind nicht eben klärend: „Keine Eile mit Österreich" kommentiert Klaus Emmerich im „Kurier", und die „Presse" meint: „Alles Fragen höchster Politik."
Am 1. Juli 1971 tritt ein Gesetz in Kraft, das — im Nationalrat einstimmig verabschiedet — die rechtliche Stellung des unehelichen Kindes entscheidend verbessern wird. Kann auch die Diskriminierung des unehelich geborenen Kindes, bisher mißachtet und als „Bankert“ bezeichnet, nicht gänzlich beseitigt werden, so soll es doch zumindest in rechtlicher Hinsicht dem ehelichen Kind in etwa gleichgestellt werden.Dabei geht die Zahl der Unehelichen ständig zurück: Waren 1937 noch 22,8 Prozent aller Lebendgeborenen unehelich, sank diese Zahl bis zum Jahre 1969 auf 12,2 Prozent Von den 1969
Als in den letzten Monaten des Jahres 1969 das „Südtirolpaket“ einen langjährigen Streit zwar nicht löste, aber die Basis für eine zukünftige Lösung bereitete, munkelten viele (die damalige Forcierung der Dinge wertend), das „Paket“ berge so viel Sprengstoff, daß eine neuerliche Verschlechterung der Lage zwangsläufig daraus folgen müsse.
Der satyrisch überdrehte Slogan „Untertanenfabrik“ ziert der Alma ma-ter Außenmauern. Damit verbali-sieren Studenten das Unbehagen, das ein, an humanistischen Idealen orientiertes, Aus- und Bildungssystem, welches an den Phänomenen der hochindustrialisierten Gesellschaft scheitert, produziert „Leitende Idee der Bildung“ — formuliert die, zur Überprüfung der Schulgesetzgebung 1962, eingesetzte Schulreformkommission —“ ist der mündige Mensch, der autonom und mit kritischem Bewußtsein zur persönlichen Verantwortung für die gesamtgesellschaftlichen Aufgaben befähigt und
Endgültig vorbei scheint die Zeit, in der der Wiener knapp hinter Purkersdorf unbändiges Verlangen nach seiner „Wienerstadt“ verspürte und der Österreicher überhaupt in Ortsveränderungen Strapazen, nicht aber Erholung sah. In immer stärkerem Maße beginnt der Österreicher seinen Urlaub zu planen und seine Reisen zu organisieren. So auch vor diesem Urlaubssommer 1970. Ungefähr die Hälfte der Urlauber — so entnimmt man den Statistiken von Reisebüros — bevorzugen es, ihre Ferien im Inland zu verbringen.Bei den ausländischen Reisezielen dominieren Italien, Jugoslawien, Spanien
Im Jahre 1969 — so stellt das Wirtschaftsforschungsinstitut in einem kürzlich veröffentlichten Jahresrückblick fest — nahm die österreichische Wirtschaft einen deutlichen Aufschwung. Obwohl zwischen den Bundesländern regionale Unterschiede sowohl im mittelfristigen Wachstumstrend als auch in der kurzfristigen Konjunkturentwicklung bestehen, blieb dennoch so gut wie kein Bundesland im „Konjunkturschatten“.
Vergangene Woche fiel in Evian die Entscheidung. Karl Schranz erklärte bei der Überreichung des Weltcups, daß er „auch bei strengster Selbstkritik“ nicht das Gefühl habe, zu alt oder gar zu schlecht geworden zu sein, um nicht zumindest eine weitere Saison als Rennläufer zu bestreiten. Er, der seit 15 Jahren zur Weltklasse des alpinen Rennsports gehört, will seine „aktive Karriere nicht nach dem Versicherungsprinzip beenden“. Damit entschied sich „Karl der Große“, wie enthusiastische Sportjournalisten ihn in den Zeiten seiner Siege zu nennen pflegten, für die Weiterführung
Die als großes Scherbengericht konzipierte, zweitägige, außerordentliche „Achte Plenartagung des ZK der KPÖ“ ging vorvergangenen Dienstag zu Ende. Ungefähr ein Drittel der Mitglieder, nämlich 35 an der Zahl — global als „Liberale“ bezeichnet — verließen, als sie sich gegenüber den „Orthodoxen“ nicht durchsetzen konnten, demonstrativ die Sitzung. Formal juridisch ausgedrückt: sie sistierten ihre Mitarbeit im Zentralkomitee.
Es war wie in einem Hanswurst- Stück: Knapp vor Beginn der Pressekonferenz, auf der das Hochschulkonzept der SPÖ offiziell vorgestellt wurde, begrüßte die österreichische Hochschülerschaft — offensichtlich ohne genaues Wissen um den Inhalt — dieses Refoimprogramm. 24 Stunden später zog man dieses voreilige Lob mit dem Ausdruck des Bedauerns zurück.Dieser „Zickzackkurs“ ist symptomatisch für die Politik der Hochschülerschaft und damit auch für die österreichische Studenten-Union (ÖSU), die mit 18 Mandaten im Zentralausschuß die stärkste Fraktion ist, den Vorsitzenden
THERESE UND ISABELLE. — DIE FRAU MIT DEM KLEINEN FUCHS. Von Violetta Leduc. Aus dem Französischen. R. Piper & Co.-Veriag, München, 1967. 191 Seiten,
Es gibt im heutigen Österreich Männer des öffentlichen Lebens, die die immer seltener werdende Gabe der freien, mitreißenden Rede besitzen. Und es gibt harte Verächter des so leicht manipulierbar gewordenen Wortes, die sich auf das mehr oder weniger monotone Ablesen eines Textes beschränken, den ein „Geisterschreiber“ verfaßt hat. Dr. Alfred Mal e t a, der in diesen Tagen das Amt des „zweiten Mannes“ im Staate antreten wird, gehört zu keiner der beiden Typen. Man merkt seinen Reden an, daß sie selbst verfaßt wurden. Ihr Stil spiegelt den Menschen: Etwas von der doktrinären
Olav Audunsohn. Romantrilogie. Von Sigrid Undset. Volksbuch-Verlag, Wien. 1060 Seiten.Dieser Roman von Schuld und Sühne eines norwegischen Bauern des 13. Jahrhunderts zeigt schon die ganze dichterische Kraft der Verfasserin, ihre eminenten historischen Kenntnisse, ihr Wissen um die Sünde und die erlösende Kraft des Christentums. Der Roman zeigt mit einem Wort schon alle jene Elemente, die in der „Kristin Lavrans-tochter“ ihren Gipfelpunkt erreichen und der Dichterin Weltruhm eintrugen, der ihr wohl immer verbleiben wird. Es war eine glückliche Idee des Verlages, dieses große,
Wir Komödianten vom Varieté. Meinetffiaů führten und ich. Von Colette. Paul-Zsolnay-Verlag, Wien 1952. 222 Seiten.Schon meint man, daß sich diesmal nur die Vorzüge der Colette zu einer starken, sozialkritischen, aber barmherzigen Milieustudie mit deutlichen autobiographischen Zügen die Hand gereicht haben — da klatscht zuletzt der penetrant-sentimentale Kitsch einer unnatürlichen Liebe zwischen Frauen wie eine Ohrfeige ins Gesicht. So steht echte Literatur neben schmierigstem Magazinkitsch, aber auch das ist wieder — Colette...Die Zelt im Buch. Besprechungsblätter. Bericht und
Südkurier. Von Antoine de Saint- Exupėry. Deutsch von Paul Graf Thun- Hohenstein. Karl-Rauch-Verlag.Eine Neuauflage des ersten Buches des bekannten französischen Dichterfliegers erschien in den ersten Nachkriegsjahren. „Saint Ex“, wie die Freunde den Dichter, der die Kanzel seines Flugzeugs zum geistigen Standort erhob, nennen, erzählt von den ersten tollkühnen Kurierflügen Frankreich — Afrika — Amerika, von Leben und Tod seines Kameraden Bernis. Im Zeitalter der Transozeanklipper, der Düsenflugzeuge, beinahe eine Sage aus grauer Vorzeit. Mittelpunkt, wie immer bei St. Exupery:
Interessante Fragen aus dem Eherecht. Von Dr. Gustav Chamrath. Hippolyt-Verlag, St. Pölten-Wien. 112 Seiten.Für den Nichtfachmann bestimmte und trotzdem juristisch einwandfreie Darstellungen sind selten und das Heft verdient deshalb besonders hervorgehoben zu werden. Jedem, der sich über das österreichische Eherecht orientieren will, kann es bestens' empfohlen werden; wer allerdings glaubt, sich durch eine Broschüre einen Rechtsbeistand ersparen zu können, wird meistens Schaden erleiden,Moderne österreichische Novellisten. Herausgegeben von Dr. Wilhelm Groß, österreichischer
Wiedergeburt und Erneuerung. Von Giovanni P a p i n 1. Amandus-Verlag, Wien. 220 Seiten.Ein echter Papinil Der ich würdig den Werken .Ewiges Italien“ und .Briefe Cölestins VI.“ anreiht. Bisher wurde dit Renaissance immer als die Wiedergeburt de Heidentums gewertet. Papini gelingt der Nachweis, daß sie eine eminent christliche Zeitepoche • war. Die Nachfolge des Vaters, zum Unterschied von der Nachfolge des Sohne6 in der gotischen Zeit. — Eine der Neuerscheinungen, die es 6ich lohnt, zu lesen. Zu erwähnen die gute Ubersetzung, für die —mit Ausnahme eines Kapitel — H. v. Winter
Der hellige Ambrosius, Bischof von Malland (f 397). 4. Bändchen der Schriftenreihe „Die Kirchenväter und wir. Zeitnahes Väterwort.“ Von DDr. Josef Lenzenweger. St.-Adalbero-Verlag der Benediktinerabtei Lambach, Oberösterreich, 1950. 48 Seiten, zwei Lichtbilder. S 5.20.Diese Reihe ist ein Volltreffer: Wesentliches, knapper Rahmen, feine Form. Der Linzer Kirchenhistoriker entwirft sachkundig das Bild des großen Spätrömers und erfüllt es durch geschickt ausgewählte Textproben mit Farbe und Leben. Eine Wochenendlektüre einmal anders! Schon für den Autobus.Und wie sinnig, daß eine
Die Kirchen Innsbrucks. Von Dr. JosefWeingaitne Zweite,umgearbeitete Auflage. Verlag Felizian Rauch, Innsbruck 1950. 87 Seiten, 32 Abbildungen.Knapp, prägnant und handlich ist dieses Büchlein. Fachleute wie künstlerisch interessierte Laien werden es zur Orientierung über die Baugeschichte Hnd die Kunstwerke der alten und neuen Kirchen der Stadt mit Freude begrüßen und staunen, so viele verborgene Schätze da zu finden. Besonders erfreulich sind die großenteils neuen, ausgezeichneten Aufnahmen.Der Tassilokeldi. Von Dr. Pankraz Stolle n m a y e r O. S. B. Sonderabdrurk aus der